Sonntag, 28. August 2016

„Wie ökumenefähig ist die NAK?“



Nach der Veröffentlichung des „Katechismus der Neuapostolischen Kirche“ im Jahre 2012 wird die Frage "Wie ökumenefähig ist die NAK?“ innerhalb der christlichen Kirchen in Deutschland kontrovers diskutiert. Neben durchaus wohlwollenden und optimistischen  Einschätzungen finden sich auch sehr kritische Analysen, die sich einerseits auf den Klärungsbedarf bei den Themen Pneumatologie, Ekklesiologie und Eschatologie beziehen und andererseits eine gewisse Doppelgesichtigkeit und -züngigkeit in der Kommunikation der Kirchenleitungen der NAK kritisieren. Hierzu gibt der Band 228 der EZW Texte mit dem Titel „Bewahrung und Erneuerung“ herausgegeben von Kai Funkschmidt im Oktober 2013 einen guten Überblick,  der auf dem IKT 2014 in München durch den Bischoff Verlag großzügig und kostenfrei unter den neuapostolischen Christen verteilt wurde. Nach außen zeigt die Kirche gern ihr tolerantes, liberales und buntes Gesicht - der bereits erwähnte Kirchentag suggerierte eine fast verspielte Welt- und Kirchenoffenheit. 

Dieses spiegelt sich auch in der 2015 veröffentlichten Orientierungshilfe der ACK „Schritte aufeinander zu“ wider. Sie ist auch auf www.naki.org verlinkt: Angestoßen durch die Öffnung der NAK kam es seit Anfang 2001 zu intensiven Gesprächen und Kontakten zwischen ACK und NAK auf regionaler Ebene und auf Bundesebene. Auf dieser Basis ist gegenseitiges Vertrauen gewachsen (…) auf dem Weg hin „zu einer vertieften ökumenischen Zusammenarbeit.“ 

Jüngst wurde nun die NAK-MV erstmals als Gastmitglied in einer regionalen ACK aufgenommen.

Diese Entwicklungen sind zu begrüßen.

Nach innen jedoch verhält sich die NAK ihren Mitgliedern gegenüber immer wieder intolerant, illiberal, engstirnig, fordert unbedingten Gehorsam ein und pflegt ihren Exklusivitätsanspruch ("Apostelamt und Kirche gehören zusammen. Es macht Kirche erst zur Kirche im Sinne Christi.“ Zitat des Kirchenpräsidents der NAK Nord-Ost Rüdiger Krause vom 21.7.2016. Quelle: http://neuapostolisch.de/db/199/Apostelamt-und-Kirche-gehoeren-zusammen.-Es-macht-Kirche-erst-zur-Kirche-im-Sinne-Christi).

Als Beispiel für eine eher intolerante, illiberale, engstirnige und unbedingten Gehorsam einfordernde Haltung Kirchenmitgliedern gegenüber, kann der bereits in diesem Blog beschriebene Fall aus der Gemeinde Holstein-Eutin gelten (siehe dazu "Vorwurf Illoyalität" in glaubenskultur.de). Derzeit fordert die Kirchenleitung der NAK offenbar recht offensiv, neben dem Bekenntnis zum Apostolischen Glaubensbekenntnis, das Bekenntnis zu ihren Sonderlehren (Propria) ein. Es entsteht nach innen der Eindruck, als würden diese derzeit geschärft wieder in den Vordergrund gerückt und so der Annäherungsprozess an die großen deutschen christlichen Kirchen zumindest verlangsamt, wenn nicht gar unterbunden werden soll. Siehe dazu die Posts in diesem Blog "In eigener Sache I und II."

"Unter diesen Propria sind einige in der ökumenischen Diskussion umstritten:
das gegenwärtige Apostelamt, insbesondere der Stammapostel und die gegenwärtigen Offenbarungen des Heiligen Geistes,
die Sakramentstheologie,
die die trinitarische Taufe - übrigens auch die Taufe der NAK selbst - abwertet, indem sie auf der Heilsnotwendigkeit der Versiegelung besteht,
das „Entschlafenenwesen“, bei dem abgeleitet aus 1. Kor 15, 29 Verstorbene getauft werden und sogar mit ihnen Abendmahl gefeiert wird,
die exklusivistische Eschatologie und Ekklesiologie, in der anderen Christen nur sekundäre Heilsmöglichkeiten zugestanden werden.
(...) Aus evangelischer Sicht wird das gegenwärtige Apostelamt überbetont, da die Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben keiner heilsvermittelnden Institution bedarf. Der exklusive Heilsanspruch der NAK ist abgeschwächt, aber nicht aufgegeben worden. Wenn erst Taufe und Versiegelung die Gotteskindschaft vermitteln, so spricht man indirekt allen anderen Christen die volle Gotteskindschaft ab, was unverbunden neben der Betonung von Gottes universalem Heilswillen steht. (...) Es gibt keine verbindliche Bibelhermeneutik oder geregelten Abläufe, um problematische 'Einsichten' künftiger Stammapostel auszuschließen. Der NAK fehlt oft der vertiefte Umgang mit biblischen Texten, und manche Auslegungen muten willkürlich an" (Quelle: http://ezw-berlin.de/downloads/Flyer_Kompakt-Information_NAK.pdf).

Selbst der neuapostolische Stammapostel Schneider konstatierte in den Leitgedanken 2/15, der Predigtanleitung für die neuapostolischen Laienprediger, ein mangelndes Bibelwissen der Gläubigen und der Amtsträger. Er betonte, dass eine Wortauslegung aus primär eschatologischer Perspektive nicht (mehr) ausreicht (vergleiche hierzu die Einleitung dieses Blogs). Zum anderen stellt Schneider fest, dass sich Predigten offenbar (zu) häufig in „Nebenthemen“ verlieren und nicht den eigentlichen Kern des zu verkündigenden Wortes treffen. Dafür wurden sogen. „bibelkundliche“ GD eingeführt.

Exkurs: Neue Themenreihe „Bibelkunde“
„Im Monat Februar 2015 beginnt eine neue Themenreihe mit dem Titel „Bibelkunde“, die in der Regel einmal im Monat angeboten werden soll, wenn nicht zum Beispiel Hochfeste die Themen des Monats bestimmen.
Die Bibel ist für den christlichen Glauben und für die Predigt des Evangeliums von herausragender Bedeutung. Ohne das Zeugnis der Heiligen Schrift wäre die Predigt des Evangeliums nicht möglich. Insofern ist die Kenntnis der Bibel, nicht nur bei den Amtsträgern, sondern auch bei den Geschwistern, von Wichtigkeit. Vieles in der Predigt bleibt unverständlich, wenn man die Bibel nicht kennt. Es ist festzustellen, dass die Kenntnis der biblischen Berichte, das Wissen um Situationen und Personen, immer seltener anzutreffen ist. Insofern ist es eine Notwendigkeit, die Bibelkenntnis der Gemeinde zu fördern und zu vertiefen. Zu diesem Zweck sollen ein Gleichnis Jesu, eine biblische Person oder ein Sachverhalt - auch beispielsweise hinsichtlich ihres geschichtlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Hintergrundes - in der Predigt beleuchtet werden. In diesen Gottesdiensten ist es dann notwendig, bei der einen Sache und ihrer Auslegung zu bleiben und auf die Entfaltung von „Nebenthemen“ zu verzichten.“ Zitat aus den LG von 2/15

Neben den oben angesprochenen Themen steht die NAK aber derzeit auch vor der Frage, wieviel (Eigen-) Verantwortung wird nicht-Amtsträgern, also im weiteren Sinne den Laien, zugebilligt? Also: Welche Stellung haben Laien in der NAK? Sind sie nur Ausführende der Weisungen von oben oder tragen sie eigene Verantwortung für die Sendung der Kirche? Fordern Laien derzeit jedoch die Erfüllung der Ansprüche, die die NAK an sich selber stellt, z. B. hinsichtlich des Amts(selbst)verständnisses oder auch hinsichtlich einer genügend-verbindlichen Bibelhermeneutik ein, sehen sie sich mit dem Vorwurf der Illoyalität konfrontiert. Modelle für ein verändertes, zeitgemäßeres Amtsverständnis, was ja in der NAK eng mit dem Kirchenverständnis verknüpft ist, liegen z. B. mit dem sogen. „Communiomodell" vor (vergl. Sabine Demel: Zur Verantwortung berufen. Nagelproben des Laienapostolats. Freiburg: Herder, 2009).

So ist m. E. zu konstatieren, dass die derzeitige Kirchenleitung im Apostelbezirk Nord-Ost auf die Zusammenarbeit im Rahmen der ACK unzureichend vorbereitet ist, in diesem Sinne also nicht ökumenefähig ist und so im Kreis der ACK nichts verloren hat. Geht es um die Ökumene, muss die NAK Norddeutschland leider als Wolf im Schafspelz angesehen werden, der lediglich für Verlautbarungen nach außen Kreide gefressen hat.

14. Sonntag nach Trinitatis; mit einem Kommentar über die Leitgedanken der NAK zum 28. August 2016


Der dankbare Samariter


„Der 14. Sonntag nach Trinitatis redet von der heilenden Kraft Gottes. Das Thema dieses Sonntags ist diesmal von der Epistel her abgeleitet. Die anderen Texte haben wenig mit dem Thema zu tun. Es wird schwierig sein, die Thematik durchzuziehen, man sollte es aber versuchen. Von daher ist eine Vertiefung in die Epistel bei der Studie des aktuellen Predigttextes ratsam.
Wir hören am 14. Sonntag nach Trinitatis die Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen. Wir erfahren die Kraft Gottes, durch die Menschen, die Außenseiter waren, wieder zu Gliedern der Gemeinde werden. Die lebendige Kraft des Geistes Gottes hat auch uns zur Gemeinde hinzugetan; in ihr bringen wir unseren Dank gegen Gott zum Ausdruck dafür, dass wir seine Kinder sein dürfen, indem wir einander achten und lieben“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 146:
Loben will ich den Herrn mein Leben lang
Halleluja! Lobe den Herrn, meine Seele! Ich will den Herrn loben mein Leben lang, für meinen Gott singen und musizieren, solange ich bin. Verlasst euch nicht auf Mächtige, nicht auf irgendeinen Menschen, bei dem doch keine Hilfe zu finden ist! Wenn er den letzten Atem aushaucht, so wird er wieder zu Erde, und am selben Tag ist es vorbei mit all seinen Plänen. Glücklich zu preisen ist, wer den Gott Jakobs zum Helfer hat, wer seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt, auf ihn, der Himmel und Erde erschaffen hat, das Meer und alles, was darin lebt, auf ihn, der für alle Zeiten die Treue hält. Den Unterdrückten verschafft er Recht, den Hungernden gibt er Brot. Der Herr befreit die Gefangenen, der Herr öffnet die Augen der Blinden, der Herr richtet Gebeugte auf, der Herr liebt Menschen, die seinen Willen tun. Der Herr behütet die Fremden, Waisen und Witwen stärkt und erhält er; aber den Weg derer, die ihn verachten, macht er zu einem Irrweg. Auf ewig herrscht der Herr als König, dein Gott, Zion, jetzt und in allen künftigen Generationen. Halleluja! (NGÜ)

Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Lk 17, 11-19:
Der dankbare Samariter
Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in gehörigem Abstand stehen und riefen laut: »Jesus! Herr! Hab Erbarmen mit uns!« Jesus sah sie und befahl ihnen: »Geht zu den Priestern und lasst euch eure Heilung bestätigen!« Und als sie unterwegs waren, wurden sie tatsächlich gesund. Einer aus der Gruppe kam zurück, als er es merkte. Laut pries er Gott, warf sich vor Jesus nieder, das Gesicht zur Erde, und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus sagte: »Sind nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind dann die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu erweisen, nur dieser Fremde hier?« Dann sagte er zu dem Mann: »Steh auf und geh nach Hause, dein Vertrauen hat dich gerettet.« (GNB)

Die Leitgedanken der NAK für den 14. Sonntag nach Trinitatis tragen die Überschrift: „Reif werden im Glauben“

Die Predigtgrundlage findet sich in „1. Kor 13, 11: Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.“ (LUT)

Begründet wird diese Auswahl so: „Im vierten Sonntagsgottesdienst beschäftigen wir uns mit der Reife des Glaubens. Wie ein Kind erwachsen wird, so werden auch wir erwachsen im Glauben. Dazu müssen wir über bestimmte Entwicklungsstufen Reife in unserem Glaubensleben entwickeln. Gott hilft uns, in das Mannesalter Christi hineinzuwachsen“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Zum heutigen Sonntag erklingt die Kantate "Jesu, der du meine Seele" (BWV 78) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Die Kantate wurde am 10. September 1724 erstmals für den 14. Sonntag nach Trinitatis aufgeführt und ist damit dem berühmten ‚Choralkantatenjahrgang‘ 1724/25 zuzuordnen. 
Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Du, meine Seele singe“ (T: Paul Gerhardt 1653; M: Johann Georg Ebeling 1666).

Kommentar: "In Kapitel 13 verweist Paulus charismenkritisch auf die Liebe als größte Geistesgabe. Dadurch dass er auch die Tugend der Liebe wie Hoffnung und Glaube als Charisma interpretiert, eröffnet er die Möglichkeit, mit den Geistphänomenen ethisch umzugehen" (Oda Wischmeyer, 1. Korintherbrief, 2006, 157. In: Dies. (Hrsg.), Paulus, 138ff).

Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson (1902–1994) beschreibt in seinem 8-stufigen Modell der ein entwicklungspsychologisches Modell der psychosozialen Entwicklung des Menschen. Diese entfalte sich im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes als Individuum und den sich im Laufe der Entwicklung permanent verändernden Anforderungen der sozialen Umwelt. Seine Entwicklungstheorie spricht den Beziehungen bzw. der Interaktion des Kindes mit seiner personalen (und gegenständlichen) Umwelt eine wesentliche Rolle für die psychische Entwicklung zu.  Jede Stufe stellt eine Krise dar, mit der das Individuum sich aktiv auseinandersetzt. Die Folge ist für Erikson unumkehrbar. Die erfolgreiche Bewältigung einer Entwicklungsstufe liegt in der Klärung des Konflikts auf dem positiv ausgeprägten Pol. Sie ist für die Bewältigung der nächsten Phase zwar nicht unbedingt erforderlich, aber hilfreich. Die vorangegangenen Phasen bilden somit das Fundament für die kommenden Phasen, und angesammelte Erfahrungen werden verwendet, um die Krisen der höheren Lebensalter zu verarbeiten. Dabei wird ein Konflikt nie vollständig gelöst, sondern bleibt ein Leben lang aktuell, war aber auch schon vor dem jeweiligen Stadium als Problematik vorhanden. Für die Entwicklung ist es notwendig, dass er auf einer bestimmten Stufe ausreichend bearbeitet wird, damit man die nächste Stufe erfolgreich bewältigen kann.
  • Stadium 1: Ur-Vertrauen vs. Ur-Misstrauen (1. Lebensjahr) - „Ich bin, was man mir gibt.“
  • Stadium 2: Autonomie vs. Scham und Zweifel (2. bis 3. Lebensjahr) - „Ich bin, was ich will.“
  • Stadium 3: Initiative vs. Schuldgefühl (4. bis 6. Lebensjahr) - „Ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden.“
  • Stadium 4: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl (6. Lebensjahr bis Pubertät) - „Ich bin, was ich lerne.“
  • Stadium 5: Identität vs. Ich-Identitätsdiffusion (Jugendalter) - „Ich bin, was ich bin.“
  • Stadium 6: Intimität und Solidarität vs. Isolation (frühes Erwachsenenalter) - „Wir sind, was wir lieben.“
  • Stadium 7: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption (Erwachsenenalter) - „Ich bin, was ich bereit bin zu geben.“
  • Stadium 8: Ich-Integrität vs. Verzweiflung (reifes Erwachsenenalter) - „Ich bin, was ich mir angeeignet habe“ (Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung. Aus: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie. Download vom 28.08.2016).

Das Doppelgebot der Liebe findet sich bei Ericson in der Stufe 6 und 7 wider. Stufe 7 steht in Beziehung zum Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (siehe Post vom 13. Sonntag nach Trinitatis in diesem Blog). Wendet man das Modell auf die Institution NAK an, dann finden sich Argumente und Aussagen im KNK, die belegen, dass sich diese junge Kirche auch in eher frühen Entwicklungsstadien befindet. Derzeit wir die Gabe des Heiligen Geistes noch exklusiv mit dem Wirken des Apostelamts der NAK verknüpft ("Die Vermittlung der Gabe des Heiligen Geistes durch Apostel geschieht im Sakrament der Heiligen Versiegelung"; KNK 164) und das neuapostolische Apostelamt als Amt und Autorität für alle christlichen Kirchen vorstellt ("Das Apostelamt ist für die gesamte Kirche Christi gegeben"; KNK 302 und "Insofern ist nicht nur dort Kirche Christi, wo das Apostelamt wirkt, sondern auch dort, wo sich christlicher Glaube in der tätigen Liebe zum Nächsten, im klaren Bekenntnis zu Jesus Christus und im ernsten Bemühen um Nachfolge Christi verwirklicht"; KNK 282). Nach Ericson entspricht dies eher frühen Entwicklungsstufen wie 2 und/oder 3. Die Institution NAK steht zum „Reif werden im Glauben“ vor einem großen Weg. In wie fern das individuelle Entwicklungsmodell allerdings auch auf Systeme anwendbar ist, ist fraglich, wobei Witte (1989) das Individuum auch als ein (Individual-) System versteht und ausformuliert (Witte, Sozialpsychologie, 1989).

Interessant sind die Überlegungen von Berger zu dem heutigen Evangelium, die er mit den Worten: „Der Dank verwandelt auch den Dankenden“ überschrieben hat. "Der Dank ist - theologisch gesehen - Ausdruck eines personalen Gottesbildes. Wer dankt, weiß, dass Gott der ist, von dem alles abhängt. Dieses 'alles' wird im Dank historisch oder biografisch gefüllt. Denn der Dank nennt Gottes Taten in der Schöpfung, in der Geschichte des Heils und im Lebensbereich des Einzelnen. So ist der Dank stets Antwort und geschieht in der persönlichen Anrede. Der Dank gebührt Gott allein und das NT spricht vom Lob als Dankopfer (Hebr 13, 15)." So dankt der Samaritaner Jesu für die Genesung, macht ihm jedoch durch die Rückkehr und dem Dank vor allem deutlich, dass er die Möglichkeit zur wiedergewonnenen Teilnahme am Gottesdienst (Opferkult) als die eigentliche und tiefergehendere Heilung verstanden hat (vergl. Berger, 2006, C, 270-274).

Mittwoch, 10. August 2016

13. Sonntag nach Trinitatis; mit einem Kommentar zu den Leitgedanken der NAK zum 21. August 2016

Skulptur von Ulrich Henn „Der Barmherzige Samariter“ vor der Erlöserkirche in Stuttgart

Der barmherzige Samariter


„Der 13. Sonntag nach Trinitatis redet von der Liebe zu Gott und ihren Ausdrucksformen. Die Liebe zu Gott kann so wie jede menschliche Liebe zur Eifersucht führen, die vor dem Verbrechen nicht zurückschreckt (Kain und Abel), sie kann aber auch zur barmherzigen Tat veranlassen (das Evangelium). Wer seine Liebe zu Gott zur Schau stellt und damit zum Selbstzweck verkommen lässt, braucht von Gott nichts mehr erwarten. 
Am 13. Sonntag nach Trinitatis hören wir die Erzählung vom barmherzigen Samariter und werden zur Liebe untereinander aufgerufen. Aber wir wären nicht fähig zu aufrichtiger Liebe, wenn nicht die Liebe Gottes offenbar geworden wäre in seinem Sohn. Diese Liebe befähigt uns, auch die Armen und Außenseiter in unserer Gemeinde zu sorgen“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 120:
Verlorene Zeit - Ich rufe zu dem Herrn
Hier bin ich, lieber Gott, hörst Du mich? Ja, du hörst mich, das weiß ich. Ich habe großen Kummer mit Menschen; mit Menschen, die lügen; mit Menschen, die schweigen, obwohl sie reden müssten; mit Menschen, die reden, obwohl sie schweigen sollten; mit Menschen, die andere nur täuschen. Ich bereue zutiefst, dass ich immer viel Zeit mit ihnen verbringe, da wo wir uns trafen und zusammen waren. Verlorene Zeit, die hinterher noch schmerzt. Soll ich etwa Spitzen mit Spitzen beantworten? Oder Lügen mit Lügen? Oder Gemeinheit mit Gemeinheit? Ich will lieber Frieden halten, obwohl sie es mir schwermachen. Lieber Gott, verstehst du mich? (nach Spangenberg, 2013)

Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Lk 10, 25-37:
Das wichtigste Gebot
Da kam ein Gesetzeslehrer und wollte Jesus auf die Probe stellen; er fragte ihn: »Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« Jesus antwortete: »Was steht denn im Gesetz? Was liest du dort?« Der Gesetzeslehrer antwortete: »Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller deiner Kraft und deinem ganzen Verstand! Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!« »Du hast richtig geantwortet«, sagte Jesus. »Handle so, dann wirst du leben.«
Das Beispiel des barmherzigen Samariters
Aber dem Gesetzeslehrer war das zu einfach, und er fragte weiter: »Wer ist denn mein Mitmensch?« Jesus nahm die Frage auf und erzählte die folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs überfielen ihn Räuber. Sie nahmen ihm alles weg, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halb tot liegen. Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg. Er sah den Mann liegen und ging vorbei. Genauso machte es ein Levit, als er an die Stelle kam: Er sah ihn liegen und ging vorbei. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien. Als er den Überfallenen sah, ergriff ihn das Mitleid. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier und brachte ihn in das nächste Gasthaus, wo er sich weiter um ihn kümmerte. Am anderen Tag zog er seinen Geldbeutel heraus, gab dem Wirt zwei Silberstücke und sagte: ›Pflege ihn! Wenn du noch mehr brauchst, will ich es dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.‹« »Was meinst du?«, fragte Jesus. »Wer von den dreien hat an dem Überfallenen als Mitmensch gehandelt?« Der Gesetzeslehrer antwortete: »Der ihm geholfen hat!« Jesus erwiderte: »Dann geh und mach du es ebenso!« (GNB)

Die Leitgedanken der NAK für den 13. Sonntag nach Trinitatis tragen die Überschrift: „Gott hilft: Er gibt Heil und Segen!“ 

Die Predigtgrundlage für die GD in der NAK findet sich in „Ps 118, 25: O Herr, hilf! O Herr, lass wohlgelingen!“ (LUT)

Begründet wird diese Auswahl so: „Der dritte Sonntagsgottesdienst hat einen ganz besonderen Ausdruck des Glaubens zum Schwerpunkt: Das Ringen um den Segen! Dabei wird deutlich, dass Gottes Hilfe erbeten sein will. Seine Hilfe zeigt sich nicht darin, dass wir vor allem bewahrt werden. Wir werden im Erdenleben von Gott, im Hinblick auf alle Menschen, weder bevorzugt noch benachteiligt. Wir ziehen den Trost aus dem Wissen, dass Gott uns immer beisteht. Letztendlich erlangt die Brautgemeinde die Fülle des Segens bei der Wiederkunft Christi“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK). 

Zum heutigen Sonntag erklingt in mir die Kantate: „Allein zu dir, Herr Jesu Christ, (BWV 33) ist eine Kirchenkantate von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Er schrieb die Choralkantate 1724 für den 13. Sonntag nach Trinitatis und führte sie am 3. September 1724 erstmals auf. Sie beruht auf dem gleichnamigen Kirchenlied von Konrad Hubert (1540).

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Allein zu dir, Herr Jesu Christ“ (T: Konrad Hubert vor 1540; M: Paul Hofhaimer 1512; geistlich Wittenberg um 1541, Leipzig 1545)

Kommentar: "Ps 118 spiegelt die 2 Teile einer Dankliturgie wider: 1. das Danklied mit seiner Rettungserzählung und 2. die gemeinsame Festfeier im Heiligtum. (...) Der Psalm will durch seine Rezitation eine Teilhabe an der Wirkmächtigkeit des von seinem Tempel aus rettenden und segnenden JHWH vermitteln. (...) Der Psalm stellt die Rettungserfahrung des Einzelnen in den großen Kontext der Rettungserfahrung des Volkes Gottes durch JHWH" (Stuttgarter Psalter, 1980, 318ff).
Es lässt sich also denken, dass der "unter die Räuber gefallene Mensch" nach erfolgter Rettung seinem Gott mit diesem Text ein Danklied singt. 
So verbindet sich die Auswahl des Ps 118 für die heutigen Gottesdienste in der NAK mit dem Evangelium des aktuellen Kirchensonntages. 
Leider wird jedoch in der Schwerpunktsetzung der LG wieder deutlich, dass es in der NAK nach wie vor keine verbindliche Bibelhermeneutik gibt und oft der vertiefte Umgang mit biblischen Texten fehlt, sodass manche Auslegungen, wie hier der Ps 118, willkürlich anmuten (vergl. http://ezw-berlin.de/downloads/Flyer_Kompakt-Information_NAK.pdf).

Heute würde ein Danklied vielleicht so klingen (Strophe 4 des oben zitierten Liedes):
Ehr' sei Gott in dem höchsten Thron,
dem Vater aller Güte,
und Jesus Christ,
seim lieben Sohn,
der uns allzeit behüte,
und Gott, dem werten, Heiligen Geist,
Der uns allzeit sein Hilfe leist,
dass wir ihm wollgefällig sein
hier in der Zeit
und folgen ihm in Ewigkeit.

Sonntag, 7. August 2016

12. Sonntag nach Trinitatis; mit einem Kommentar zu den Leitgedanken der NAK zum 14. August 2016


Die große Krankenheilung (Heilsame Umkehr)


„Am 12. Sonntag nach Trinitatis denken wir nach über die Veränderungen,die mit Jesus in diese Welt gekommen sind. Es wird uns deutlich, dass eine neue Zeit angebrochen ist, die aber noch nicht ihre Erfüllung gefunden hat. Darum leben wir in einer Spannung, die uns antreibt, alles zu tun, was dem Kommen des Reiches Gottes dient. Am 12. Sonntag nach Trinitatis hören wir die Geschichten von der Heilung eines Taubstummen und von der Bekehrung des Paulus. Beides macht uns deutlich, dass mit dem Kommen Jesu eine grundlegende Verwandlung geschehen ist, deren Früchte wir aber nur begrenzt erfahren; denn der Tag, an dem der Herr kommen und alles ans Licht bringen wird, ist noch nicht angebrochen. Solange wir auf diesen Tag warten, bauen wir aber mit am Reich Gottes mit den Gaben, die Gott uns gegeben hat“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 147:
Ein Lob auf den Herrn, der Jerusalem neu erbaut
Halleluja! Gut ist es, für unseren Gott zu singen, ja, schön ist solch ein Lobgesang, ihm allein gebührt er! Der Herr selbst baut Jerusalem wieder auf; er sammelt die ´unter die Völker` zerstreuten Israeliten wieder ´in ihrem Land`. Er schenkt denen Heilung, die ein gebrochenes Herz haben und verbindet ihre schmerzenden Wunden. Er bestimmt die Anzahl der Sterne, sie alle spricht er mit Namen an. Groß ist unser Herr und reich an Kraft, seine Weisheit ist unermesslich. Der Herr hilft den Unterdrückten auf; die sich gegen ihn auflehnen aber erniedrigt er, bis sie am Boden liegen. Stimmt für den Herrn ein Danklied an, spielt für unseren Gott auf der Zither! Er überzieht den Himmel mit Wolken und sorgt für Regen auf der Erde. Auf den Bergen lässt er das Gras sprossen; dem Vieh gibt er sein Futter,´auch` den jungen Raben, die danach rufen. Ihn beeindruckt nicht die Stärke des Pferdes, er freut sich auch nicht über die Muskeln des Kämpfers. Gefallen hat der Herr an denen, die ihm mit Ehrfurcht begegnen und voller Zuversicht darauf warten, dass er seine Güte zeigt. Rühme den Herrn, Jerusalem! Lobe deinen Gott, Zion! Denn er hat die Riegel deiner Tore gut befestigt, hat die Kinder in deiner Mitte gesegnet. Er ist es, der innerhalb deiner Grenzen Frieden schenkt und dich mit dem besten Weizen sättigt. Er sendet seinen Befehl zur Erde, aufs schnellste läuft sein Wort, ´um auszurichten, was er befahl`. Er lässt den Schnee fallen wie Wollflocken, den Reif streut er aus wie weiße Asche. Den Hagel wirft er als eisige Brocken herab – wer kann der Kälte, die er kommen lässt, standhalten? Dann wieder gibt er einen Befehl und bringt alles zum Schmelzen, er lässt seinen Tauwind wehen, und sofort rinnt überall das Wasser. Sein Wort hat er den Nachkommen Jakobs verkündet, seine Ordnungen und Rechtsbestimmungen gab er dem Volk Israel. Das hat er in dieser Weise für kein anderes Volk getan; nein, seine Rechtsbestimmungen kennen die anderen Völker nicht. Halleluja! (NGÜ)

Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Mk 7, 31-37:
Jesus heilt einen Taubstummen
Jesus verließ wieder das Gebiet von Tyrus und zog über Sidon zum See von Galiläa, mitten ins Gebiet der Zehn Städte. Dort brachten sie einen Taubstummen zu ihm mit der Bitte, ihm die Hände aufzulegen. Jesus führte ihn ein Stück von der Menge fort und legte seine Finger in die Ohren des Kranken; dann berührte er dessen Zunge mit Speichel. Er blickte zum Himmel empor, stöhnte und sagte zu dem Mann: »Effata!« Das heißt: »Öffne dich!« Im selben Augenblick konnte der Mann hören; auch seine Zunge löste sich und er konnte richtig sprechen. Jesus verbot den Anwesenden, es irgendjemand weiterzusagen; aber je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Die Leute waren ganz außer sich und sagten: »Wie gut ist alles, was er gemacht hat: Den Gehörlosen gibt er das Gehör und den Stummen die Sprache!« (GNB)

Die Leitgedanken der NAK für den 12. Sonntag nach Trinitatis tragen die Überschrift: „Glaube und Bekenntnis“

Die Predigtgrundlage findet sich in „Lk 8, 25: Er sprach aber zu ihnen: Wo ist euer Glaube?“ (LUT)

Begründet wird diese Auswahl so: „Im zweiten Sonntagsgottesdienst stellt sich anhand von Bedrängnissen und Nöten die Frage nach der Glaubensfestigkeit. Die Antwort darauf finden wir in den Grundlagen unseres Glaubens zu, wie sie in unserem Glaubensbekenntnis zum Ausdruck kommen. Diejenigen, die im Glauben beständig bleiben, dürfen die Hilfe Gottes und letztendlich Errettung zum ewigen Heil erleben“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Zum heutigen Sonntag erklingt in mir die Kantate: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren (BWV 137) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Er komponierte die Choralkantate 1725 in Leipzig für den 12. Sonntag nach Trinitatis und führte sie am 19. August 1725 erstmals auf.

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser“ (T: Dieter Trautwein, 1983; M: Volker Ochs, 1984)

Kommentar: Neben dem Bekenntnis zum Apostolischen Glaubensbekenntnis fordert die NAK, derzeit recht offensiv, das Bekenntnis zu ihren Sonderlehren (Propria) ein. Es entsteht nach innen der Eindruck, als würden diese derzeit geschärft wieder in den Vordergrund gerückt und so der Annäherungsprozess an die großen deutschen christlichen Kirchen zumindest verlangsamt, wenn nicht gar unterbrochen werden soll. Siehe dazu die Posts in diesem Blog "In eigener Sache I und II."
"Unter diesen Propria sind einige in der ökumenischen Diskussion umstritten: 

  • das gegenwärtige Apostelamt, insbesondere der Stammapostel und die gegenwärtigen Offenbarungen des Heiligen Geistes, 
  • die Sakramentstheologie,
  • die die trinitarische Taufe – übrigens auch die Taufe der NAK selbst – abwertet, indem sie auf der Heilsnotwendigkeit der Versiegelung besteht,
  • das „Entschlafenenwesen“, bei dem abgeleitet aus 1. Kor 15, 29 Verstorbene getauft werden und sogar mit ihnen Abendmahl gefeiert wird,
  • die exklusivistische Eschatologie und Ekklesiologie, in der anderen Christen nur sekundäre Heilsmöglichkeiten zugestanden werden.

(...)  Aus evangelischer Sicht wird das gegenwärtige Apostelamt überbetont, da die Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben keiner heilsvermittelnden Institution bedarf. Der exklusive Heilsanspruch der NAK ist abgeschwächt, aber nicht aufgegeben worden. Wenn erst Taufe und Versiegelung die Gotteskindschaft vermitteln, so spricht man indirekt allen anderen Christen die volle Gotteskindschaft ab, was unverbunden neben der Betonung von Gottes universalem Heilswillen steht. (...) Es gibt keine verbindliche Bibelhermeneutik oder geregelten Abläufe, um problematische 'Einsichten' künftiger Stammapostel auszuschließen. Der NAK fehlt oft der vertiefte Umgang mit biblischen Texten, und manche Auslegungen muten willkürlich an" (Quelle: http://ezw-berlin.de/downloads/Flyer_Kompakt-Information_NAK.pdf).

"Mk 7, 31-37, 'Mit allen Sinnen leben! - Die Heilung eines Taubstummen', ist eine klassische Wundererzählung. Sie gehört zu der Gattung der Therapien. Sie thematisiert die Heilung eines Einzelnen, um exemplarisch das heilende Handeln Jesu darzustellen. (...) 

  • Die kontextuelle Interpretation verortet also die Heilung des Taubstummen im Gesamtaufbau des Evangeliums. (...) Das gesamte Markusevangelium verfolgt die Absicht, Jesus als den Sohn Gottes darzustellen. Es versteht sich selbst als Evangelium von Sohn Gottes (Mk 1, 1) und findet seinen Höhepunkt im Bekenntnis des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz: 'Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn' (Mk, 15, 39). 
  • Aus sozialgeschichtlicher Perspektive kann die Lokalisierung der Erzählung im heidnischen Gebiet als Hinweis darauf verstanden werden, dass Gottes Zuwendung in Christus allen Menschen gilt, unabhängig ihrer ethnischen Herkunft und ihrer sozioökonomischen Situation. (...) Die Wundererzählung lädt dazu ein, aus der Begegnung mit Jesus Heil und Heilung zu empfangen und Teil der Gemeinschaft derer zu werden, die auf ihn vertrauen. (...)
  • Die tiefenpsychologischen Deutung rückt der Taubstumme in den Fokus. Seine Sprachlosigkeit wird vor dem Hintergrund gemachter Erfahrungen wie Ablehnung und Zurechtweisung gedeutet. Der taubstumme Junge wird zum Anwalt all derer, die 'mundtot' gemacht werden, weil sie unbequeme Wahrheiten sagen. Er vertritt jenen Menschen, deren Nöten niemand zuhören will und die als Last empfunden werden. Die Folgen sind Einsamkeit und Isolation, wie es das Schweigen des Taubstummen symbolisiert. Die Wundererzählung zeichnet Jesus als denjenigen, der sich dem Kranken zuwendet" (Ueberschaer, Mit allen Sinnen leben! 328f. In: Zimmermann, 2013, 323-331.
Nach Grün wird der Prozess der Heilung in 5 Schritten beschrieben, weil die Zahl 5 das "Überschreiten ins Göttliche" symbolisiert. So "können wir sagen: Jesus macht den Taubstummen offen für die Begegnung mit anderen Menschen und offen für die Begegnung mit Gott" (Grün, 2013, 121ff, insb. 122).