Sonntag, 20. Juli 2014

7. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 03.08.2014

Einleitung: "Die Gottesdienste im August entfalten die unterschiedlichen Aspekte des Themas 'Aus dem Wesen Christi handeln.' Diejenigen, die an Jesus Christus glauben und ihn bekennen, haben nicht nur eine bestimmte innere Haltung, sondern zeigen eine entsprechende Handlungsweise. Nachfolge Christi bedeutet, den Herrn zum Vorbild zu nehmen, ihm in Wort und Tat nachzueifern.
Der Gottesdienst am Sonntag, den 3. August, hat die Barmherzigkeit zum Schwerpunkt. Barmherzigkeit wird von jedem Christen gefordert, weil er aus der Barmherzigkeit Gottes lebt. Jesus Christus ist wesentlicher Ausdruck dieser Barmherzigkeit in ihm wendet sich Gott unmittelbar als Mensch den Menschen zu. Deshalb ist die Barmherzigkeit, die wir anderen entgegenbringen, nichts anderes als Konsequenz aus der Barmherzigkeit, die wir von Gott erfahren haben."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Barmherzigkeit empfangen und geben."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist 1 Kön 19, 20b: „Bedenke, was ich Dir getan habe!“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: "Gott ist barmherzig, auch wir wollen barmherzig sein!"

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Auf Geheiß Gottes macht sich Elia nach der Gottesoffenbarung am Berg Horeb auf den Weg in die Stadt Damaskus. Dort begegnet er Elisa, dem er seinen Mantel überwirft und ihn so in seine Nachfolge ruft. Der Mantel steht gleichsam für den Geist des Propheten und seine Kraft (2 Kön 2, 13-14)."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Uns schenkt Gott seine Barmherzigkeit. Diese zeigt sich
  • in der Erwählung von Ewigkeit her, 
  • in Gottes immerwährender Gnade, 
  • in seinem Beistand in schwierigen Lebenssituationen.
Weil wir Barmherzigkeit erfahren, wollen wir anderen gegenüber auch barmherzig sein, denn darin zeigt sich das Wesen Christi“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Etwas überraschend und auch ein wenig willkürlich wirkt es, von dieser Schriftstelle und den damit zusammenhängenden Begebenheiten auf das Thema „Barmherzigkeit“ zu schließen, zumal sich für die Auseinandersetzung mit diesem Thema mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter (Lk 10, 29-37) oder der sogen. Bergpredigt (Mt 5-7) weitaus prägnantere Beispiele finden ließen.

„Nach christlichem Verständnis ist es auf Grund der Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus die zentrale Aussage über das Wesen Gottes, dass Gott Liebe ist (1 Joh 4, 8 und 16). Von daher liegt es nahe, auch die Eigenschaften Gottes (Heiligkeit, Allmacht, Allgegenwart, Allwissenheit, Gnade, Barmherzigkeit, Geduld, aber auch Zorn) als Eigenschaften seines Wesens, also der Eigenschaften der göttlichen Liebe zu verstehen“ (Härle, 2007, 142f. In: Lexikon Theologie. Stichwort „Gott“, 140-143).

Als Werke der Barmherzigkeit werden angesehen:

„Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit
Die Hungrigen speisen - Den Dürstenden zu trinken geben - Die Nackten bekleiden - Die Fremden aufnehmen - Die Kranken besuchen - Die Gefangenen besuchen - Die Toten begraben.

Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit
Die Unwissenden lehren - Den Zweifelnden recht raten - Die Betrübten trösten - Die Sünder zurechtweisen - Die Lästigen geduldig ertragen - Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen - Für die Lebenden und die Toten beten“ (Quelle: Wikipedia – die freie Enzyklopädie. Stichwort Barmherzigkeit vom 20.07.2014).

Soll das Reden über Barmherzigkeit nicht in der Diakonie stecken bleiben (vergl. dazu: Hilpert, 2007. In: Lexikon Theologie. Stichwort „Diakonie“, 76-79), so ergibt sich durch das Nachdenken über die Eigenschaften Gottes die Gelegenheit, das eigene Gottesbild zu reflektieren.


Am 03.08.2014 "feiern wir den 7. Sonntag nach Trinitatis – Am Tisch des Herrn - und hören die Erzählung vom Speisungswunder“ (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 73).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 107, 1-9:
"Ein Danklied der Erlösten
Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig. So sollen alle sprechen, die vom Herrn erlöst sind, die er von den Feinden befreit hat. Denn er hat sie aus den Ländern gesammelt, vom Aufgang und Niedergang, vom Norden und Süden. Sie, die umherirrten in der Wüste, im Ödland, und den Weg zur wohnlichen Stadt nicht fanden, die Hunger litten und Durst, denen das Leben dahinschwand, die dann in ihrer Bedrängnis schrien zum Herrn, die er ihren Ängsten entriss und die er führte auf geraden Wegen, sodass sie zur wohnlichen Stadt gelangten: sie alle sollen dem Herrn danken für seine Huld, für sein wunderbares Tun an den Menschen, weil er die lechzende Seele gesättigt, die hungernde Seele mit seinen Gaben erfüllt hat" (EU).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Joh 6, 1-15:
"Jesus macht mehr als fünftausend Menschen satt
Danach fuhr Jesus über den See von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menge Menschen folgten ihm, weil sie seine Wunder an den Kranken gesehen hatten. Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich mit seinen Jüngern. Es war kurz vor dem jüdischen Passafest. Jesus blickte auf und sah die Menschenmenge auf sich zukommen. Er wandte sich an Philippus: 'Wo können wir Brot kaufen, damit alle diese Leute zu essen bekommen?' Das sagte er, um Philippus auf die Probe zu stellen; er selbst wusste schon, was er tun würde. Philippus antwortete: 'Zweihundert Silberstücke wären nicht genug, um so viel zu kaufen, dass jeder auch nur einen Brocken abbekommt.' Andreas, ein anderer Jünger, der Bruder von Simon Petrus, sagte: 'Hier ist ein Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon bei so einer Menschenmenge?' 'Sorgt dafür, dass die Leute sich setzen', sagte Jesus. Es gab viel Gras an dem Ort. Sie setzten sich; ungefähr fünftausend Männer waren da. Jesus nahm die Brote, sprach darüber das Dankgebet und verteilte sie an die Menge. Mit den Fischen tat er dasselbe, und alle hatten reichlich zu essen. Als sie satt waren, sagte er zu seinen Jüngern: 'Sammelt die Brotreste auf, damit nichts verdirbt.' Sie taten es und füllten zwölf Körbe mit den Resten. So viel war von den fünf Gerstenbroten übrig geblieben. Als die Leute das Wunder sahen, das Jesus vollbracht hatte, sagten sie: 'Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll!' Jesus merkte, dass sie drauf und dran waren, ihn mit Gewalt zu ihrem König zu machen. Deshalb zog er sich wieder auf den Berg zurück, ganz für sich allein" (GNB).

Kommentar: Unterschiedliche Deutungsperspektiven bieten sich für dieses Speisungswunder an:
eine allegorische Deutung setzt bei den Zahlenangaben der Nahrung an und interpretiert die 5 Brote als die Bücher der Tora und die beiden Fische als die Predigt der Apostel und die Verkündigung der Evangelisten;
ein rationalistischer Erklärungsversuch sieht Jesus in der Rolle des guten Gastfreundes, der durch das Teilen des Wenigen, das er besitzt, auch die anderen Menschen zum Teilen ihrer Vorräte animiert;
eine christologische Deutung bietet sich durch die Nachrede an: "Jesus ist der Gesandte des himmlischen Vaters. Er allein kann Hunger und Durst auf Dauer stillen und Leben geben, das den Tod überwindet" (Joh 6, 35; Claußen, 2013, 713. In: Zimmermann: Mehr als ein Prophet und ein Brotkönig, 705-715);
eine eucharistische Interpretation des Speisungswunders ergibt sich im weiteren Kontext durch die eindeutig auf das Abendmahl abzielende Zuspitzung am Ende des Kapitels (Joh 6, 51-58);
in einer sozial-ethischen Interpretation geht es um das Teilen ("radical sharing") von Nahrung und Wohlstand, was nicht einfach Wohltätigkeit oder gar Almosen-geben bedeutet, sondern eine Brücke zur Barmherzigkeit schlägt (siehe oben);
in einer rezeptionsästhetischen-symbolischen Adaption wird "Nahrung" schließlich durch "Zeit" ersetzt ("Zeit ist Geld").
Bei aller Verschiedenheit der beiden letztgenannten Perspektiven "fällt doch auf, dass es in beiden um einen Aufruf zur Aktivierung menschlicher Ressourcen geht" (Claußen, 2013, 712. In: Zimmermann: Mehr als ein Prophet und ein Brotkönig, 705-715).

Freitag, 18. Juli 2014

6. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 27.07.2014

Einleitung: "Im Monat Juli steht die Kirche Jesu Christi im Mittelpunkt der Predigtreihe. Die Kirche Christi ist ein zentrales Motiv unseres Glaubens, weil wir sie als Heilseinrichtung verstehen. Deshalb sind für sie die Ämter und die Sakramente von herausragender Bedeutung. Wo das Apostelamt wirkt, ist das geistliche Amt vorhanden und die Sakramente werden in vollumfänglicher Weise gespendet – dort wird die Kirche Christi am deutlichsten sichtbar. Das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel besagt, dass die Kirche Christi die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche ist. Diese Kennzeichen der Kirche nennt man „notae ecclesiae“. Die Wesensmerkmale der Kirche Christi werden in der Predigtreihe im Juli aufgezeigt und vertieft: (...) Die Kirche ist „apostolisch“. Im Gottesdienst am letzten Sonntag im Juli wird der inhaltliche und personale Aspekt der Apostolizität aufgezeigt. Jesus Christus hat die Apostel als Botschafter an seiner statt gesandt und mit Vollmachten versehen. Die Apostolizität der Kirche besteht auch darin, dass sie die in der Heiligen Schrift bezeugte apostolische Lehre bis zur Wiederkunft Jesu Christi weiterträgt." 

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Botschafter an Christi statt." 

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist 2 Kor 5, 20: "So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!" 

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: "Sendungsbewusst und mit Vollmacht versehen rufen Apostel des Herrn zur Versöhnung mit Gott." 

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Im 3. Glaubensartikel bekennen wir den Glauben an die apostolische Kirche. Die Apostolizität der Kirche hat einen inhaltlichen und einen personalen Aspekt. Apostolisch ist die Kirche zunächst deshalb, weil in ihr das Evangelium, wie es die urchristlichen Apostel gepredigt haben, verkündigt wird. Die Kirche ist zudem apostolisch, weil in ihr das apostolische Amt in gegenwärtig wirkenden Aposteln geschichtliche Realisierung erfährt (KNK 2.4.3)." 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • "Durch die Liebe zu Gott und den Menschen getrieben erfüllen die Apostel ihren vom Herrn empfangenen Auftrag.
  • Der Herr hat sie als Botschafter an seiner statt gesandt und mit Vollmachten versehen.
  • Wer dem Bitten der Apostel folgt, darf darauf hoffen, schon bei der Wiederkunft Christi ewige Gemeinschaft mit Gott zu erlangen“ (alle Zitate aus den o. g. LG). 

Kommentar: Zum Kirchenverständnis der NAKI vergleiche KNK, "Die Kirche Jesu Christi", 257ff. Zum Kirchenverständnis der Katholischen Kirche und der EKD verweise ich an dieser Stelle auf Ratzinger 1968/2000 (vor allem "Der Geist und die Kirche", 313ff); Küng, 1992; Barth, 1998; Handbuch der Dogmatik, 2002 (vor allem "G: Ekklesiologie", 47ff); Hauschild & Pohl-Patalong, 2013.

„Der 2 Kor gibt den tiefsten Einblick in die Biographie des Paulus, sein literarisch, d. h. auch autobiographisch gestaltetes Selbstverständnis, seine Verbindung von Aposteltheologie und Christologie, und spiegelt in seiner textgeschichtlichen Überlieferung im Corpus Paulinum die übergemeindliche Wirkung und Autorität des Apostels über die 50er Jahre des 1. Jh.s wider“ (Becker, 2. Korintherbrief, 190 in: Wischmeyer, 2006, 164-191).

Ich möchte mich jetzt dem Begriff "Versöhnung" zuwenden:

Die Grundbedeutung von Versöhnung ist im Griechischen: „anders machen, verändern, vertauschen.“

„Jesus musste durch seinen Tod nicht den zornigen Gott versöhnen, sondern Gott versöhnte durch Christus die Menschen, die ihn ablehnten und seine Feinde waren, mit sich selbst. Gott hat seinen Sohn hingegeben, weil er die Menschen liebt und mit ihnen in Gemeinschaft leben will. Durch den Kreuzestod Jesu für die Sünden aller Menschen hat Gott selbst die Versöhnung vollbracht und zugleich Menschen beauftragt, diese Versöhnung als Gute Nachricht für alle Menschen zu verkündigen (als Gesandte zu wirken). Er bittet sie durch seine Gesandten, die vollbrachte Versöhnung für sich anzunehmen, damit sie in ihrem Leben wirksam wird. Gott hat die tödliche Macht unserer Sünde auf Jesu geladen, der selbst ohne Sünde war, damit die, die an ihn glauben, zu neuen Menschen werden, die durch Gott und vor ihm gerecht sind“ (ELB). Auch Kroeger weist mit Luther darauf hin, dass das „Grundgesetz unseres Lebens, dem wir entsprechen und gerecht werden müssen, primär und grundlegend das des Empfangens“ ist: Gott ist gleichsam das „gnädige Schenken. Ein solcher Gott brauchte keine Opfer und keine Versöhnung; er schickte ja selber seinen Sohn, um den Menschen zu helfen und er musste in seiner Gerechtigkeit nicht versöhnt werden“ (Kroeger, 2006, 147). Zum Thema "Rechtfertigung" vergl. zudem Küng, 1986.


Am 27.07.2014 "feiern wir den 6. Sonntag nach Trinitatis - Leben aus der Taufe - und wir hören, dass wir durch sie zu Gottes Volk hinzuberufen sind. Die Taufe lässt uns teilhaben an dem Tod und der Auferstehung Jesu, und so haben wir auch Teil an dem wunderbaren Licht, das mit Jesus in diese Welt leuchtet“ (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 72). Vergleiche im Ggs. dazu das Taufverständnis der NAKI (KNK, 8.1 „Die Heilige Wassertaufe“).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 139:
"Der Mensch vor dem allwissenden Gott
Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen. Noch liegt mir das Wort nicht auf der Zunge - du, Herr, kennst es bereits. Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich. Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen. Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, wohin mich vor deinem Angesicht flüchten? Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen. Nehme ich die Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer, auch dort wird deine Hand mich ergreifen und deine Rechte mich fassen. Würde ich sagen: «Finsternis soll mich bedecken, statt Licht soll Nacht mich umgeben», auch die Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie Licht. Denn du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast. Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke. Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen. Deine Augen sahen, wie ich entstand, in deinem Buch war schon alles verzeichnet; meine Tage waren schon gebildet, als noch keiner von ihnen da war. Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken, wie gewaltig ist ihre Zahl! Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand. Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir. Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, lasst ab von mir! Sie reden über dich voll Tücke und missbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit glühendem Hass; auch mir sind sie zu Feinden geworden. Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne mein Denken! Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg“ (EU)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mt 28, 16-20:
"Der Auftrag des Auferstandenen
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (EU). 

Kommentar: In der Taufe handelt der dreieinige Gott, der dem Menschen das Leben gegeben hat und es erhält, der alle Schuld auf sich nimmt und die Freiheit schenkt und der Lebensmut und Glauben gibt. So ist die Taufe das Sakrament der Identität (vergl. dazu: Barth, Taufe, 218f; in: Hübener & Orth, 2007, 215ff). Vergleiche dazu auch meinen Post "Invokavit" vom 09.03.2014




J. S. Bach (1685-1750): Es ist das Heil uns kommen her; BWV 9
Kantate für den 6. Sonntag nach Trinitatis 1732/5

Amsterdam Baroque Orchestra & Choir; Sandrine Piau, Sopran; Bogna Bartosz, Alt; James Gilchrist, Tenor;
Klaus Mertens, Bass; Ton Koopman, Gesamtleitung.

Veröffentlicht am 07.07.2013

Sonntag, 13. Juli 2014

5. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 20.07.2014

Einleitung: "Im Monat Juli steht die Kirche Jesu Christi im Mittelpunkt der Predigtreihe. Die Kirche Christi ist ein zentrales Motiv unseres Glaubens, weil wir sie als Heilseinrichtung verstehen. Deshalb sind für sie die Ämter und die Sakramente von herausragender Bedeutung. Wo das Apostelamt wirkt, ist das geistliche Amt vorhanden und die Sakramente werden in vollumfänglicher Weise gespendet – dort wird die Kirche Christi am deutlichsten sichtbar. Das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel besagt, dass die Kirche Christi die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche ist. Diese Kennzeichen der Kirche nennt man „notae ecclesiae“. Die Wesensmerkmale der Kirche Christi werden in der Predigtreihe im Juli aufgezeigt und vertieft: (...) Die Kirche ist „heilig“. Heilig ist die Kirche Christi, weil ihr Herr heilig ist. Im Gottesdienst am dritten Sonntag steht das heiligende Handeln Gottes im Opfer Jesu Christi im Mittelpunkt. Heiligkeit ist ein Geschenk Gottes, zugleich aber auch Aufgabe und Ziel für die Nachfolger Christi."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Heilig sein!"

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Lev 19, 2: "Rede mit der ganzen Gemeinde der Israeliten und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott."

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: "Heiligkeit ist Geschenk Gottes, zugleich aber auch Aufgabe und Ziel."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „In Lev 19 werden den Israeliten Anweisungen zum rechten Verhältnis zu Gott und dem Nächsten gegeben. Diese Stelle wird in 1 Petr 1, 15.16 zitiert und zum Maßstab rechten christlichen Verhaltens erhoben. Zur Vertiefung des Themas „Heiligkeit“ siehe KNK 2.4.3, 3.1.3 und 6.4.1.2."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • "Die Kirche ist heilig, weil ihr Herr heilig ist.
  • Das Vorbild unseres Herrn ist der Maßstab für das Bemühen der Kinder Gottes um heiligen Wandel.
  • Gottes heiligendes Handeln am Glaubenden im Gottesdienst ist wichtig für die Vollendung der Heiligung bei der Wiederkunft Christi“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Zum Kirchenverständnis der NAKI vergleiche KNK, "Die Kirche Jesu Christi", 257ff. Zum Kirchenverständnis der Katholischen Kirche und der EKD verweise ich an dieser Stelle auf Ratzinger 1968/2000 (vor allem "Der Geist und die Kirche", 313ff); Küng, 1992; Barth, 1998; Handbuch der Dogmatik, 2002 (vor allem "G: Ekklesiologie", 47ff); Hauschild & Pohl-Patalong, 2013.

In der Übersetzung der Schrift nach Buber und Rosenzweig 1954/1992, die das Buch Lev "ER RIEF" nennen, klingt diese Stelle so: "ER redete zu Mosche, sprechend: Rede zu aller Gemeinschaft der Söhne Jifsraels, sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig werden, denn heilig bin ICH euer Gott."
In der GSB klingt diese Stelle so: "Adonaj sprach zu Mose: Sprich zu der ganzen Versammlung der Nachkommen Israels und sage ihnen: Ihr seid heilig - ja seid es! - denn heilig bin ich, Adonaj, Gott-für-euch." 

"Heiligkeit" ist also sowohl in die Zukunft zu denken, als Entwicklungsaufgabe und mit eschatologischer Perspektive, als auch ein gegenwärtiges Geschenk durch die Gnade Gottes. "Heiligkeit" respektiert dabei die Freiheit und Vielfalt des Einzelnen. "Heiligkeit" homogenisiert nicht , sondern wünscht sich die kreative Entwicklung der Gaben des Glaubenden ("Charismen"; siehe dazu: Lexikon Theologie, 2004, Stichwort: "Heiliger Geist"). Psychologisch gewendet bedeutet "heilig" dann "Ganzwerdung" (C. G. Jung), „Selbst-Verwirklichungstendenz“, „Selbst-Vervollkommnungstendenz“ oder "Aktualisierungstendenz" (C. Rogers), "Identitätswahrung" (z. B. E. H. Witte) oder "autonome Selbstregulation" (z. B. F. H. Kanfer). Zu der Verknüpfung von theologischer und psychologischer Perspektive siehe Grün, 2013.


Am 20.07.2014 "feiern wir den 5. Sonntag nach Trinitatis - Nachfolge - und denken darüber nach, warum wir Jesus nachfolgen, und stellen fest, dass es dafür keine vernünftigen Gründe gibt. Der Glaube ist es, der uns an Jesus" (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 72).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 73:
"Anfechtung und Trost beim Glück des Gottlosen
Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind. Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten. Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, als ich sah, dass es den Gottlosen so gut ging. Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib. Sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt. Darum prangen sie in Hoffart und hüllen sich in Frevel. Sie brüsten sich wie ein fetter Wanst, sie tun, was ihnen einfällt. Sie achten alles für nichts und reden böse, sie reden und lästern hoch her. Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden. Darum fällt ihnen der Pöbel zu und läuft ihnen zu in Haufen wie Wasser. Sie sprechen: Wie sollte Gott es wissen? Wie sollte der Höchste etwas merken? Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich. Soll es denn umsonst sein, dass ich mein Herz rein hielt und meine Hände in Unschuld wasche? Ich bin doch täglich geplagt, und meine Züchtigung ist alle Morgen da. Hätte ich gedacht: Ich will reden wie sie, siehe, dann hätte ich das Geschlecht deiner Kinder verleugnet. So sann ich nach, ob ich's begreifen könnte, aber es war mir zu schwer, bis ich ging in das Heiligtum Gottes und merkte auf ihr Ende. Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund und stürzest sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken. Wie ein Traum verschmäht wird, wenn man erwacht, so verschmähst du, Herr, ihr Bild, wenn du dich erhebst. Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren, da war ich ein Narr und wusste nichts, ich war wie ein Tier vor dir. Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Denn siehe, die von dir weichen, werden umkommen; du bringst um alle, die dir die Treue brechen. Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte / und meine Zuversicht setze auf Gott, den HERRN, dass ich verkündige all dein Tun" (LUT).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 5, 1-11:
"Die ersten Jünger
Eines Tages stand Jesus am Ufer des Sees von Gennesaret. Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze. Er stieg in das eine, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück vom Ufer abzustoßen. Dann setzte er sich und sprach vom Boot aus zu der Menschenmenge. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: 'Fahr hinaus auf den See und wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!' Simon erwiderte: 'Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen.' Sie taten es und fingen so viele Fische, dass die Netze zu reißen drohten. Sie mussten die Fischer im anderen Boot zur Hilfe herbeiwinken. Schließlich waren beide Boote so überladen, dass sie fast untergingen. Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus nieder und bat: 'Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!' Denn ihn und alle anderen, die bei ihm im Boot waren, hatte die Furcht gepackt, weil sie einen so gewaltigen Fang gemacht hatten. So ging es auch denen aus dem anderen Boot, Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Jesus aber sagte zu Simon: 'Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du Menschen fischen!' Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten Jesus" (GNB).

Kommentar: Diese Wundergeschichte lässt sich als eine Epiphanie-Erzählung verstehen. Eine Erscheinung des Auferstandenen wurde erzählerisch ins irdische Leben Jesu zurückprojiziert. Das Menschenfängerwort lässt sich in dieser Perspektive als österliche Beauftragung der Jünger verstehen und das Motiv des reichen Fangs nimmt das Wachstum der Kirche vorweg. Das Bootmotiv bietet sich als Metapher für die Gemeinde an, an dem sie ablesen kann, dass sie der Fürsorge Gottes trauen darf (vergl. Gäbel, Georg: Einmal Fischer, immer Fischer? In: Zimmermann, 2013, 543ff, inbs. 555f).
Nach Berger (2012) erkennt Petrus in der Begegnung mit Jesus Gott und sich selber. "Durch die Begegnung mit der Macht Gottes fällt Petrus auf sich selbst zurück in heilsamer Selbsterkenntnis (siehe oben). Er erfährt, dass er nicht groß ist, sondern klein. Dass in diesem geheimnisvollen Gegenüber, in Jesus, ihm der begegnet, der wahrhaft groß ist" (Lesejahr C, 155).




Ein Schiff dass sich Gemeinde nennt - Improvisation - Orgel: Marcus Breitenauer
Klais-Orgel in der Herz-Jesu-Kirche, Mayen


Veröffentlicht am 13.09.2012

Samstag, 12. Juli 2014

4. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 13.07.2014

Einleitung: "Im Monat Juli steht die Kirche Jesu Christi im Mittelpunkt der Predigtreihe. Die Kirche Christi ist ein zentrales Motiv unseres Glaubens, weil wir sie als Heilseinrichtung verstehen. Deshalb sind für sie die Ämter und die Sakramente von herausragender Bedeutung. Wo das Apostelamt wirkt, ist das geistliche Amt vorhanden und die Sakramente werden in vollumfänglicher Weise gespendet – dort wird die Kirche Christi am deutlichsten sichtbar. Das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel besagt, dass die Kirche Christi die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche ist. Diese Kennzeichen der Kirche nennt man „notae ecclesiae“. Die Wesensmerkmale der Kirche Christi werden in der Predigtreihe im Juli aufgezeigt und vertieft: (...) Die Kirche ist „eine“. Die Kirche Christi gibt Zeugnis von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Im Gottesdienst am zweiten Sonntag wird Jesus Christus als der Grund und das Haupt der Kirche vorgestellt. Er ist vom Vater gesandt und durch den Heiligen Geist mit der Gemeinde verbunden. Jesus Christus ist Maßstab für unser Leben als Christ. Die Kirche Christi wird also auch offenbar im Glauben an und im Bekenntnis des Gläubigen zu Jesus Christus." 

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Jesus Christus – in allem der Erste." 

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Kol 1, 18: "Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem der Erste sei." 

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: "Jesus Christus, Haupt der Kirche, ist Maßstab für unser Leben als Christ." 

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Kol 1, 15–20 ist ein Lied der urchristlichen Gemeinde, in dem Jesus Christus verherrlicht wird: Er ist Ebenbild Gottes, Erstgeborener und auch Schöpfer. Wenn Jesus Christus als „das Haupt der Gemeinde“ bezeichnet wird, dann bezeugt dies seine Herrschaft: Er regiert die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche. In ihr zeigt sich am unmittelbarsten seine Herrschaft. Sie ist seine Schöpfung und sie lebt von und aus ihm." 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Wir wollen uns zu der von Jesus Christus gegründeten Kirche bekennen, indem wir
  • uns zu ihm, dem Grund und Haupt der Kirche, bekennen. 
  • die Gemeinde des Herrn nicht auf eine menschliche Organisation reduzieren. 
  • in der Auferstehung Jesu die Grundlage wahren Lebens sehen. 
  • dem Evangelium in unserem Alltag stets Vorrang einräumen“ (alle Zitate aus den o. g. LG). 

Kommentar: Zum Kirchenverständnis der NAKI vergleiche KNK, "Die Kirche Jesu Christi", 257ff. Zum Kirchenverständnis der Katholischen Kirche und der EKD verweise ich an dieser Stelle auf Ratzinger 1968/2000 (vor allem "Der Geist und die Kirche", 313ff); Küng, 1992; Barth, 1998; Handbuch der Dogmatik, 2002 (vor allem "G: Ekklesiologie", 47ff); Hauschild & Pohl-Patalong, 2013.
Bei Kol handelt es sich um eine sogen. Deuteropauline. 
Zwei wesentliche theologische Argumente werden in Kol ausgebreitet: 
Mit Hilfe des aus aus der Tradition aufgenommenen Christus-Enkomions (Kol 1, 15-20) macht er zunächst einmal deutlich, wer 'Herr im Haus', will sagen: im Kosmos ist: niemand anderes als Jesus Christus! Die im Enkomion genannten 'Throne, Herrschaften, Mächte und Gewalten', hinter denen wir mit gutem Grund Engelmächte vermuten dürfen, verdanken ihre Existenz ihm (Schöpfungsmittlerschaft), und er ist es auch, der das All mit sich versöhnt“ (Heininger, 2006, 315f. In: Wischmeyer: Paulus). 
Zweitens ist Christus nicht nur der Herr des Kosmos, sondern auch das Haupt eines jeden getauften und somit der Herr im Leben jedes Einzelnen. Somit ist "der Auferstandene und Erhöhte der 'Ort', wo die ganze Fülle Gottes wohnt und für den Menschen erfahrbar wird (Pfammatter, 1987, 64). 
Wirkliches ("Ewiges"; MS) Leben besteht in der Erkenntnis des einen Gottes, des Schöpfers und Herrn von allem." Das Leben kann also nicht in unterschiedliche Lebensbereiche mit jeweils eigenen Gesetzen aufgeteilt werden. "Wird Gott als 'der allein wahre Gott' erkannt und anerkannt, sind alle Lebensbereiche auf ihn bezogen und kommt das Leben als zu jeder Zeit und an jedem Ort in Verantwortung vor ihm gelebtes zur Einheit. (...) Gott ist schon vor Jesus in der 'Gestalt Israels' erkennbar gewesen und ist es für uns heute auch in Jesus Christus (Wengst, Das Johannesevangelium II, 2001, 178f).


Am 13.07.2014 "feiern wir den 4. Sonntag nach Trinitatis - Die Gemeinde der Sünder - und werden daran erinnert, dass wir der Vergebung bedürfen und somit kein Recht haben, unseren Nächsten zu richten. Wir wissen aber auch um die große Gnade, dass Gott gerade denen nachgeht, die in Schuld gefangen sind“ (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 71). 

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 42:
"Verlangen nach Gott aus fremdem Land
Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.  Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? Daran will ich denken und ausschütten mein Herz bei mir selbst: wie ich einherzog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern. Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir, / darum gedenke ich an dich aus dem Land am Jordan und Hermon, vom Berge Misar. Deine Fluten rauschen daher, / und eine Tiefe ruft die andere; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich. Am Tage sendet der HERR seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens. Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mich vergessen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich dränget? Es ist wie Mord in meinen Gebeinen, / wenn mich meine Feinde schmähen und täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist" (LUT). 

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 6, 36-42:
"Von der Stellung zum Nächsten
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen. Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Der Jünger steht nicht über dem Meister; wenn er vollkommen ist, so ist er wie sein Meister. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge und sieh dann zu, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst" (LUT)!

Statt eines Kommentars:



Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847): Psalm 42, Op. 42

Coro: Wie der Hirsch schreit; Aria: Meine Seele dürstet; Coro: Was betrübst du dich; Quintetto: Der Herr hat des Tages verheißen; Schlußchor: Was betrübst du dich

La Chapelle Royale; Collegium Vocale; Ensemble Orchestral de Paris; Sopran: Eiddwen Harhhy;
Leitung: Philippe Herreweghe.

Hochgeladen am 10.06.2011

Mittwoch, 2. Juli 2014

3. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 06.07.2014

Einleitung: "Im Monat Juli steht die Kirche Jesu Christi im Mittelpunkt der Predigtreihe. Die Kirche Christi ist ein zentrales Motiv unseres Glaubens, weil wir sie als Heilseinrichtung verstehen. Deshalb sind für sie die Ämter und die Sakramente von herausragender Bedeutung. Wo das Apostelamt wirkt, ist das geistliche Amt vorhanden und die Sakramente werden in vollumfänglicher Weise gespendet – dort wird die Kirche Christi am deutlichsten sichtbar. Das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel besagt, dass die Kirche Christi die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche ist. Diese Kennzeichen der Kirche nennt man „notae ecclesiae“. Die Wesensmerkmale der Kirche Christi werden in der Predigtreihe im Juli aufgezeigt und vertieft: Die Kirche ist „allgemein“. Dies bedeutet auch, dass es für die Verkündigung des Evangeliums keine Grenzen gibt. Jesus Christus und seine Kirche sind für die Menschen aller Völker gegeben, sowohl für die Lebenden als auch für die Toten. Den Gottesdienst am ersten Sonntag im Monat Juli feiern wir traditionell als den Gottesdienst für Entschlafene. Den Auftrag Jesu, das Evangelium und die Sündenvergebung zu verkündigen sowie die Sakramente zu spenden, erfüllen die Apostel hierbei auch an den Entschlafenen. Die Sakramentsspendung für die Toten geschieht, indem die jeweilige sichtbare Handlung stellvertretend an Lebenden vorgenommen wird. Die als Stellvertreter vorgesehenen Amtsträger empfangen dabei nicht erneut die Sakramente, sondern die Heilswirkung kommt dabei einzig den Entschlafenen zugute."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Ewiges Leben bei Gott."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Joh 17, 3: "Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen."

Die Kernbotschaft lautet: "Wer Gott als Vater und Jesus Christus als den Erlöser erkennt, hat das ewige Leben."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Höhepunkt in Jesu Abschiedsreden (Joh 13–17), in denen er der Gemeinde den Geist verheißt und Ausblick auf sein Wiederkommen gibt, ist das hohe priesterliche Gebet (Joh 17). Hier fasst Christus sein Wesen und Wirken zusammen. Nach dem Gebet geht Jesus hinaus, um sein Leiden und Sterben auf sich zu nehmen."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Gott schuf den Menschen, damit er ewige Gemeinschaft mit ihm haben sollte. Die Unsterblichkeit der Seele ist noch nicht das ewige Leben. Ewiges Leben erlangt man durch den Glauben
  • an Gott und seine Liebe,
  • daran, dass Gott sich in seinem Wort offenbart,
  • an Jesus Christus als Gottes Sohn und sein Evangelium,
  • an die Gnade Jesu Christi und die Heilswirkung der Sakramente.
Durch unsere Fürbitte helfen wir den Entschlafenen, den Weg zum ewigen Leben betreten zu können“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Zum Kirchenverständnis der NAKI vergleiche KNK, "Die Kirche Jesu Christi", 257ff. Zum Kirchenverständnis der Katholischen Kirche und der EKD verweise ich an dieser Stelle auf Ratzinger 1968/2000 (vor allem "Der Geist und die Kirche", 313ff); Küng, 1992; Barth, 1998; Handbuch der Dogmatik, 2002 (vor allem "G: Ekklesiologie", 47ff).
"Wirkliches ("Ewiges"; MS) Leben besteht in der Erkenntnis des einen Gottes, des Schöpfers und Herrn von allem." Das Leben kann also nicht in unterschiedliche Lebensbereiche mit jeweils eigenen Gesetzen aufgeteilt werden. "Wird Gott als 'der allein wahre Gott' erkannt und anerkannt, sind alle Lebensbereiche auf ihn bezogen und kommt das Leben als zu jeder Zeit und an jedem Ort in Verantwortung vor ihm gelebtes zur Einheit. (...) Gott ist schon vor Jesus in der "Gestalt Israels" erkennbar gewesen und ist es für uns heute auch in Jesus Christus (Wengst, Das Johannesevangelium II, 2001, 176f).


Am 06.07.2014 "feiern wir den 3. Sonntag nach Trinitatis - Das Wort der Versöhnung - und wir hören das Gleichnis vom verlorenen Schaf" (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 70).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 103:
"Ein Loblied auf den gütigen und verzeihenden Gott
Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt, der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt, der dich dein Leben lang mit seinen Gaben sättigt; wie dem Adler wird dir die Jugend erneuert. Der Herr vollbringt Taten des Heiles, Recht verschafft er allen Bedrängten. Er hat Mose seine Wege kundgetan, den Kindern Israels seine Werke. Der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte. Er wird nicht immer zürnen, nicht ewig im Groll verharren. Er handelt an uns nicht nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Schuld. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch ist seine Huld über denen, die ihn fürchten. So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit entfernt er die Schuld von uns. Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten. Denn er weiß, was wir für Gebilde sind; er denkt daran: Wir sind nur Staub. Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin; der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr. Doch die Huld des Herrn währt immer und ewig für alle, die ihn fürchten und ehren; sein Heil erfahren noch Kinder und Enkel; alle, die seinen Bund bewahren, an seine Gebote denken und danach handeln. Der Herr hat seinen Thron errichtet im Himmel, seine königliche Macht beherrscht das All. Lobt den Herrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die seine Befehle vollstrecken, seinen Worten gehorsam! Lobt den Herrn, all seine Scharen, seine Diener, die seinen Willen vollziehen! Lobt den Herrn, all seine Werke, an jedem Ort seiner Herrschaft! Lobe den Herrn, meine Seele" (EU)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 15, 1-7:
"Das verlorene Schaf
Eines Tages waren wieder einmal alle Zolleinnehmer und all die anderen, die einen ebenso schlechten Ruf hatten, bei Jesus versammelt und wollten ihn hören. Die Pharisäer und die Gesetzeslehrer murrten und sagten: 'Er lässt das Gesindel zu sich! Er isst sogar mit ihnen!' Da erzählte ihnen Jesus folgendes Gleichnis: 'Stellt euch vor, einer von euch hat hundert Schafe und eines davon verläuft sich. Lässt er dann nicht die neunundneunzig allein in der Steppe weitergrasen und sucht das verlorene so lange, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, dann freut er sich, nimmt es auf die Schultern und trägt es nach Hause. Dort ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: 'Freut euch mit mir, ich habe mein verlorenes Schaf wiedergefunden!' Ich sage euch: Genauso ist bei Gott im Himmel mehr Freude über einen Sünder, der ein neues Leben anfängt, als über neunundneunzig andere, die das nicht nötig haben'" (GNB).

Kommentar: Diesem Gleichnis folgt das Gleichnis von der verlorenen Münze und das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es bieten sich nach Oveja (2007) drei Deutungsebenen an: die (klassische) theologische Deutung, die in dem suchenden Hirten Gottes bedingungslose Zuwendung zu den Verlorenen erkennt, die gruppendynamische Deutung, die den Einzelnen zu eigenen Wegen ermutigt, ohne von der Gruppe, im Falle eines Scheiterns ("verirrens"), ausgeschlossen zu werden und die appellative Deutung. Der Sinn der Parabel könnte gerade darin liegen, "die Adressaten zu ermutigen, wie der Mensch auf der Bildebene, das Verlorene zu suchen, sich den Sündern und Außenseitern zuzuwenden und entsprechend zu handeln" (Animosa Oveja, Neunundneunzig sind nicht genug! In: Zimmermann, 2007, 205ff).

"In allen drei Gleichnissen liegt die Pointe darin, dass man sich mitfreuen soll und darf, wenn Gott das Verlorene wiedergefunden hat" (Berger, 2006, C, 251).