Montag, 28. April 2014

Misericordias Domini - Kommentar zu den LG vom 04.05.2014

Einleitung: "Der Monat Mai 2014 endet mit dem Gottesdienst an Himmelfahrt. Die vorlaufenden Gottesdienste des Monats machen uns bewusst, dass der Auferstandene vor seiner Himmelfahrt alle Grundlagen für die Versorgung seiner Gemeinde in jeder Hinsicht festgelegt hat. Letztlich schuf er den Petrusdienst, in dem Jesus seiner Kirche Ausrichtung und Leitung verlieh. So sind die Voraussetzungen geschaffen, dass seine Kirche das Evangelium unverfälscht weitertragen kann. Zunächst wird zu Beginn des Monats die Themenreihe „Herr des Lebens“ fortgeführt. In den Gottesdiensten des Monats April wurde deutlich, dass seine Kirche das Evangelium unverfälscht weitertragen kann. Im Monat Mai werden nun die Gemeinschaft mit dem Herrn, die Kraft seines geistgewirkten Wortes und damit die Perspektive für unser Leben thematisiert. Ein grundlegendes Element christlicher Lehre ist die Gemeinschaft, zu der der Herr einlädt. Sie wird am ersten Sonntag des Monats zum Schwerpunkt des Gottesdienstes. Wo Jesus Christus anwesend ist, da entsteht das Verlangen, mit ihm und auch mit dem Nächsten Gemeinschaft zu pflegen. Dies erleben die Jünger Jesu sehr eindrücklich. Besonders die Mahlfeiern mit dem Herrn sind Ausdruck des Miteinanders, das sich auch heute beim Heiligen Abendmahl in seiner ganzen Größe erfahren lässt. Nehmen wir deshalb die Einladung zum Tisch des Herrn immer dankbar und verlangend an."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Jesus lädt zur Gemeinschaft."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Joh 21, 12.13: "Spricht Jesus zu ihnen: 'Kommt und haltet das Mahl!' Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: 'Wer bist du?' Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt‘s ihnen, desgleichen auch die Fische."

Die Kernbotschaft lautet: "Wir wollen die Einladung des Herrn annehmen, denn sie schenkt ewigen Reichtum."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Joh 21, 1−13 berichtet von der Erscheinung des Auferstandenen am See Tiberias. Erscheinungen des auferstandenen Jesus in Galiläa werden auch in Mk 16, 7 und Mt 28, 10ff bezeugt. Johannes erzählt, dass Petrus und andere Jünger zum Fischen auf den See hinausfuhren. Der Fischzug bleibt erfolglos. Jesus gibt Petrus den Befehl, erneut zu fischen. Nach der Rückkehr fordert Jesus dazu auf, miteinander zu essen. 'Kommt und haltet das Mahl' (V 12). Die Jünger nehmen die Einladung an und dieses Mahl erinnert sie an das Heilige Abendmahl."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Jesus Christus lädt uns ein und wir wollen diese Einladung annehmen. Wenn wir der Einladung Jesu Christi folgen, können wir heute schon Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott erleben. Die Gemeinschaft mit unserem dreieinigen Gott stärkt, tröstet und schenkt uns Freude in unserem Glaubensleben“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Bei dem Kapitel 21 des Joh handelt es sich um einen Nachtrag, der, aus welchen Stoffen auch immer gebildet, als eine Einheit konzipiert worden ist (siehe dazu ausführlich Wengst 2000 und 2001). "Das Netz 'voll von 153 großen Fischen' (V 11) lässt sich am besten verstehen als Bild für die Kirche, deren Vollständigkeit und Vollkommenheit herausgestellt wird. Da das Netz nicht zerreisst, bleibt die Einheit der aus so vielen bestehenden Kirche gewahrt" (Wengst, 2001, 316).


Am 04.05.2014 "feiern wir den Sonntag Misericordias Domini - Der gute Hirte. Der Name des Sonntags leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: Misericordias Domini plena est terra (Ps 33, 5; deutsch: Die Erde ist voll der Güte des Herrn). Wir hören das Evangelium vom Guten Hirten" (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 59).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 23: 
"Der gute Hirte
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar" (LUT).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Joh 10, 11-16:
"Jesus Christus – der gute Hirte
'Ich bin der gute Hirte. Ein guter Hirte ´ist bereit,` sein Leben für die Schafe herzugeben. Einer, der gar kein Hirte ist, sondern die Schafe nur gegen Bezahlung hütet, läuft davon, wenn er den Wolf kommen sieht, und lässt die Schafe im Stich, und der Wolf fällt über die Schafe her und jagt die Herde auseinander. Einem solchen Mann, dem die Schafe nicht selbst gehören, geht es eben nur um seinen Lohn; die Schafe sind ihm gleichgültig. Ich bin der gute Hirte. Ich kenne meine Schafe, und meine Schafe kennen mich, genauso, wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne. Und ich gebe mein Leben für die Schafe her. Ich habe auch noch Schafe, die nicht aus diesem Stall sind. Auch sie muss ich herführen; sie werden auf meine Stimme hören, und alle werden eine Herde unter einem Hirten sein" (NGÜ).

Kommentar:

Die Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums von Thomas Söding

1. Die sieben Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums sind Spitzensätze neutestamentlicher Christologie. Sie akkumulieren aber keine Hoheitstitel, sondern beschreiben in starken Worten und klaren Symbolen die Heilsbedeutung Jesu.
  • 6, 35 Ich bin das Brot des Lebens (vgl. 6, 41.48.51);
  • 8, 12 Ich bin das Licht der Welt;
  • 10, 7.9 Ich bin die Tür;
  • 10, 11.14 Ich bin der gute Hirt;
  • 11, 25 Ich bin die Auferstehung und das Leben;
  • 14, 6 Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;
  • 15, 1 Ich bin der wahre Weinstock;
  • Überdies findet sich absolutes ego eimi in 6, 20; 8, 24.58; 13, 19; 18, 5.6.8.
2. Die Basis der Ich-bin-Worte ist die alttestamentliche Offenbarungsformel Gottes: „Ich bin“. Sie begegnet entweder in der absoluten Form oder in einer kennzeichnenden Ergänzung. Das Pathos der alttestamentlichen Offenbarungsformel liegt darin, dass
  • Gott sich offenbart (was alles andere als selbstverständlich ist), also sich erkennbar, ansprechbar, auch verwundbar macht und 
  • er sich als er selbst offenbart, also nicht nur etwas von sich zu erkennen gibt, sondern seine Identität.
Die Kernaussage ist Ex 3,14: „Ich bin, der ich bin“. Im griechischen Judentum ist aus der alttestamentlichen Offenbarungsformel abgeleitet worden, dass Gott allein alles Sein gebührt, dass nur er im vollen Sinn des Wortes „Ich“ sagen kann (Philo von Alexandrien).

3. Schon vorjohanneisch ist die Ich-bin-Formel – gerade in ihrer absoluten Formchristologisch appliziert worden, so in der Selbstoffenbarung Jesu beim Seewandel Mk 6,52 (im Griechischen steht nicht „ich bin es“, sondern nur ego eimi). Die Pointe: Jesus ist die Epiphanie Gottes. In Jesus offenbart Gott sich selbst. (Gerade die Orthodoxie hat dieses Moment besonders stark betont.)

4. Johannes baut die synoptischen Vorgaben aus. Die „Ich-bin-Worte“ müssen nicht ipsissima verba im historisch-kritischen Sinn des Wortes sein, sondern sind „Herrenworte“, in denen sich die Erinnerung an typische Redeformen, den messianischen Anspruch und signifikante Sprach-Bilder wie Verkündigungsthemen Jesu mit christologisch stimulierter Erinnerungsarbeit mischt. Die Ich-bin-Worte sind eminente Selbst-Identifikationen Jesu, die seine Gottessohnschaft voraussetzen und seine absolute Heilsbedeutung zur Sprache bringen. Sie offenbaren sowohl seine Einheit mit dem Vater (10, 30) als auch die radikale Hingabe seines ganzen Lebens für die Rettung der Verlorenen und, mehr noch: für ihre Anteilgabe am ewigen Leben Gottes.

5. Im Gegensatz zu den Gleichnissen Jesu, die mit einer Fülle farbiger Bilder aus der Alltagswelt arbeiten, konzentriert sich die Metaphorik des Johannesevangeliums und speziell der Ich-bin-Worte auf ganz wenige, aber zentrale Symbole wie „Brot“, „Licht“, „Tür“, „Hirt“, „Weg“, „Weinstock“ und Urworte wie „Leben“ und „Wahrheit“. Diese Symbole sind als Archetypen tief in der Religionsgeschichte verwurzelt, haben aber allesamt auch starke Anklänge in der alttestamentlichen Theologie. Die Archetypik macht die Ich-bin-Worte zu Brücken zwischen Religionsgeschichte und Biblischer Theologie; sie schafft Anknüpfungspunkte zum Verstehen für Menschen, die nicht schon durch die Schule biblischer und neutestamentlicher Theologie gegangen sind, lässt sie aber nicht im „Vorhof der Heiden“ stehen, sondern geleitet sie bis ins „Allerheiligste“ des Neuen Testaments.

6. Die Ich-bin-Worte sind jeweils genau auf den Kontext und in ihrer Abfolge auf das Gesamt des Evangeliums abgestimmt.
  • „Brot“ (6,35.52) nimmt nicht nur die „wunderbare Brotvermehrung“, d.h. die Speisung des Gottesvolkes mit den überreichen Lebensgaben Gottes auf (6,1-15), sondern auch die Brotrede, die beim Hunger des Volkes beginnt und über das Manna (6,49) bei der Eucharistie endet (6,52-58). Jesus gibt nicht nur etwas, sondern sich selbst - zum Leben der Welt. 
  • „Licht“ (8,12) bereitet nicht nur die Offenbarungsrede über die Blindheit des Unglaubens wie der Sünde und die Helligkeit des Glaubens wie der Liebe vor (8,12-59), sondern auch das Wunder der Heilung des Blindgeborenen (Joh 9). Jesus stößt diejenigen, die die Finsternis mehr lieben als das Licht (3,19; vgl. 1,5), nicht in die absolute Dunkelheit zurück, sondern spendet ihnen das Lebens-Licht Gottes. 
  • „Tür“ und „Hirte“ (10,7.9.11) ist Jesus als derjenige, der Juden wie Heiden das Tor zum Reich Gottes öffnet und ihnen seine Gemeinschaft schenkt. Er öffnet nicht nur die Tür, sondern ist diese Tür, weil er das Heil nicht nur zeigt, sondern bringt. 
  • „Auferstehung“ und „Leben“ (11,25) ist Jesus als derjenige, der Lazarus aus dem Grabe holt und damit nicht nur die endzeitliche Auferstehung der Toten antizipiert, sondern die Gegenwart des Heiles mitten im Leben der Glaubenden verheißt: Der Tod hat schon jetzt keine Macht mehr über sie, weil Jesus die Glaubenden und Liebenden auf die Seite des Lebens zieht. 
  • „Weg“ (14,6) ist Jesus als derjenige, der seine irdische Sendung durch den Weg ans Kreuz und über das Kreuz durch seinen Hinübergang zum Vater vollendet (vgl. 13, 1f). Als „Weg“ ist Jesus „Wahrheit“, weil er nicht nur mit seinen Worten, sondern mit seinem ganzen Lebens-Geschick Zeugnis ablegt von der Liebe Gottes; als „Weg“ ist Jesus Leben, weil er zum Vater geht, um die Jünger durch seinen Tod und seiner Auferstehung Anteil nehmen zu lassen an jener Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn, die zur Sendung Jesu geführt hat (3,16) und alles Heil in sich birgt. 
  • „Weinstock“ (15,1) ist Jesus als derjenige, der in Gemeinschaft mit den Jüngern, seinen „Freunden“ lebt (15,1); so wenig die Jünger, losgelöst von Jesus irgend etwas tun können, so sehr gibt Jesus ihnen die Lebenskraft, die sie brauchen. 
7. Die Ich-bin-Worte des Johannesevangeliums sind allesamt einladend und anspruchsvoll zugleich. Sie geben zu erkennen, dass Jesus von Gott her und auf Gott hin mehr als genug, nämlich alles zum Heil der Welt getan und dass er davon in einer klaren, einfachen, verständlichen Sprache handelt, die durch sein Tun gedeckt ist. Sie fordern aber auch heraus, diesem Jesus Folge zu leisten und sich von ihm die Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, schenken zu lassen.


Prof. Dr. Thomas Söding, geb. 1956, lehrt seit 2008 an der RUB Neues Testament. Zuvor war er von 1993 bis 2008 Professor für Biblische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Seine akademische Ausbildung erhielt er mit dem Studium der Kath. Theologie, Germanistik und Geschichte an der Universität Münster. 1979 legte er das Diplom in Theologie, 1980 das Erste Staatsexamen in Germanistik ab. 1985 wurde seine Dissertation über den Glauben bei Markus, 1991 seine Habilitationsschrift über das Liebesgebot bei Paulus in Münster angenommen. Die Schwerpunkte seiner Arbeit in Forschung und Lehre sind die Exegese der Evangelien, die paulinische Theologie, die Theorie und Praxis der Schriftauslegung sowie die Ökumene. Thomas Söding ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher und kirchlicher Gremien, darunter der Akademie der Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen und der Internationalen Theologenkommission im Vatikan.







Freitag, 18. April 2014

Quasimodogeniti - Kommentar zu den LG vom 27.04.2014

Einleitung: "Nach Ostern beginnt eine neue Themenreihe: 'Der Herr des Lebens.' Sie verweist auf den Auferstandenen und das, was er zur Versorgung seiner Gemeinde schenkt. Die Seinen orientieren sich an seinem Willen und an seinem Wesen. Jesus Christus hat den Tod überwunden und gibt uns, obwohl wir noch nicht das ewige Leben haben, Anteil an seinem Auferstehungsleben und dessen Kraft, die uns Hilfe in unserem täglichen Handeln ist."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Leben im Reich des Sohnes."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Kol 1, 13-14: "Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden."

Die Kernbotschaft lautet: "Wer ins Reich Christi versetzt worden ist, muss auch dessen Kennzeichen an sich tragen."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Kolosserbrief beschreibt die herausragende Stellung, die Jesus Christus in der Schöpfung und in seiner Kirche innehat. In der durch Christus gewirkten Versöhnung und Erlösung kommen der unbedingte Heilswille Gottes und seine Liebe zur gesamten Schöpfung zum Ausdruck."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Wir sind durch den Empfang der Sakramente und den Glauben in das Reich Christi versetzt. Das soll auch durch unser Verhalten deutlich werden:
  • Wir suchen allezeit die Gemeinschaft mit dem Herrn.
  • Unser Leben ist erfüllt von Anbeten und Dienen.
  • Wir leben zukunftsorientiert.
  • Wir wenden uns in Liebe dem Nächsten zu.
So kann das Reich Christi durch unser Verhalten für andere erfahrbar werden“ (alle Zitate aus den o. g. LG).


Kommentar: Die junge christliche Gemeinde musste sich wichtige theologische Fragen beantworten. Sowohl von jüdischer als auch von heidnischer Seite gefährdeten unterschiedlichste Anschauungen den Lebensnerv des noch jungen christlichen Glaubens. Im einzelnen äußert sich Paulus zu Sabbatvorschriften, zur Beschneidung und den Reinheitsgesetzen. Von griechischer Seite forderten die Lehren der Gnosis Raum in der Gemeinde. Paulus stellt in den Mittelpunkt seiner Argumentation die Größe und Erhabenheit Jesu Christi. Dieser bildet den Mittelpunkt, das Zentrum des Glaubens und des Denkens. Von diesem Zentrum aus, müssen alle Fragen beantwortet werden (vergl. ELB, Einleitung zum Brief an die Kolosser, 1563). "Das Wort 'Erlösung' (V 13) meint im griechischen die gewaltsame oder durch Loskauf erfolgte Befreiung aus Gefangenschaft oder Sklaverei. Der Zusatz 'die Vergebung der Sünden' (V 14) als Anspielung auf die Taufe zeigt, dass die Befreiung aus der Sklaverei der Unheilsmächte avisiert ist. Der von Gott bewirkte Herrschaftswechsel ist bei der Taufe grundsätzlich erfolgt" (Pfammatter, 1987, 61).


Am 27.04.2014 "feiern wir den Sonntag Quasimodogeniti - Die neue Geburt. Der Name des Sonntags leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: Quasi modo geniti infantes, Halleluja, rationabile, sine dolo lac concupiscite (1. Petr 2, 2; deutsch: Wie die neugeborenen Kindlein seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch). Wir hören die Geschichte des 'ungläubigen Thomas''" (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 58).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 116, 1-9:
"Ich liebe den HERRN, denn er hörte meine Stimme, mein Flehen. Ja, er hat zu mir geneigt sein Ohr; und an allen meinen Tagen werde ich ihn anrufen. Es umfingen mich die Fesseln des Todes, die Ängste des Scheols erreichten mich. Ich geriet in Not und Kummer. Da rief ich den Namen des HERRN an: 'Bitte, HERR, rette meine Seele!' Gnädig ist der HERR und gerecht, und unser Gott ist barmherzig. Der HERR behütet die Einfältigen. Ich war schwach, doch er hat mich gerettet. Kehre zurück, meine Seele, zu deiner Ruhe! Denn der HERR hat dir Gutes erwiesen. Denn du hast meine Seele vom Tod gerettet, meine Augen von Tränen, meinen Fuß vom Sturz. Ich werde wandeln vor dem HERRN in den Landen der Lebendigen" (ELB).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Joh 20, 19-29: 
"Jesus zeigt sich seinen Jüngern
Es war Abend geworden an jenem Sonntag. Die Jünger waren beisammen und hatten aus Angst vor den führenden Juden die Türen abgeschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: 'Frieden sei mit euch!' Dann zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Als die Jünger den Herrn sahen, kam große Freude über sie. Noch einmal sagte Jesus zu ihnen: 'Frieden sei mit euch! Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich nun euch.' Dann hauchte er sie an und sagte: 'Empfangt den Heiligen Geist! Wenn ihr jemand die Vergebung seiner Schuld zusprecht, ist die Schuld auch von Gott vergeben. Wenn ihr die Vergebung verweigert, bleibt die Schuld bestehen.'
Jesus zeigt sich Thomas
Als Jesus kam, war Thomas, genannt der Zwilling, einer aus dem Kreis der Zwölf, nicht dabei gewesen. Die anderen Jünger erzählten ihm: 'Wir haben den Herrn gesehen!' Thomas sagte zu ihnen: 'Niemals werde ich das glauben! Da müsste ich erst die Spuren von den Nägeln an seinen Händen sehen und sie mit meinem Finger fühlen und meine Hand in seine Seitenwunde legen – sonst nicht!' Eine Woche später waren die Jünger wieder im Haus versammelt und Thomas war bei ihnen. Die Türen waren abgeschlossen. Jesus kam, trat in ihre Mitte und sagte: 'Frieden sei mit euch!' Dann wandte er sich an Thomas und sagte: 'Leg deinen Finger hierher und sieh dir meine Hände an! Streck deine Hand aus und lege sie in meine Seitenwunde! Hör auf zu zweifeln und glaube!' Da antwortete Thomas: 'Mein Herr und mein Gott!' Jesus sagte zu ihm: 'Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Freuen dürfen sich alle, die mich nicht sehen und trotzdem glauben" (GNB)!



Johann Hermann Schein (1586-1630): "Das ist mir lieb" (Psalm 116)
Live performance by the Cantores Musicæ Antiquæ, Jeffery Kite-Powell, director, on April 8, 1999, at the Co-Cathedral, Tallahassee, Fl.
This work comes from the collection of motets commissioned by Burckhard Grossman entitled "Angst der Höllen und Fried der Seelen." Sixteen composers were invited to submit works beginning in 1616.
The Ensemble: Lori Seitz, Courtney Malone, sopranos 1; Laura Moore, Tina Stringfellow, sopranos 2; Bard Fugate, countertenor; Charles Witmer, Adam Ackerman, Matthew Roberson, tenors; Richard Swann, John Deal, basses
Veröffentlicht am 21.12.2013

Donnerstag, 17. April 2014

Ostern - Kommentar zu den LG vom 20.04.2014

Einleitung: "Mit der Auferstehung Jesu verbinden wir im Ostergottesdienst den tröstlichen Gedanken, dass sich auch mit unserer 'Auferstehung' alles ändern wird. Auferstehung bedeutet, dass wir in einem geistlichen Leib in der vollkommenen Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott leben."
An diesem Sonntag findet zudem eine Lesung aus dem Evangelium statt: "Bibellesung: Joh 20, 1−10.19−23."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Gott wird uns auferwecken."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist 1 Kor 6, 14: "Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft." 

Die Kernbotschaft lautet: "Gott hat Jesus Christus von den Toten auferweckt. Er wird auch uns auferwecken."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Offensichtlich gab es in Korinth Gläubige, die das Wort 'Alles ist mir erlaubt' nutzten, um damit allerlei Zügellosigkeit zu rechtfertigen, auch den Umgang mit Dirnen (1 Kor 6, 12.13). Apostel Paulus schreibt dagegen, dass der Leib ein Tempel des Heiligen Geistes sein soll (1 Kor 6, 19). Der Hinweis auf die Auferweckung durch Gott geschieht eher beiläufig, um diese Argumentation zu unterstützen; denn Gott ist Herr über den Leib, d. h. der Glaubende hat auch eine Verantwortung seinem Leib gegenüber. Wenn von der 'Auferstehung des Leibes' die Rede ist, meint dies auch, dass der Mensch als Person vor Gott steht und sich verantworten muss."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Als Gott seinen Sohn auferweckt hat, war plötzlich alles anders. Wenn der Herr wiederkommt und wir von Gott auferweckt werden, wird auch für uns alles anders sein:
  • Sorge und Nöte werden in Trost und Freude verwandelt.
  • Statt Belastungen und Unruhe wird Friede Gottes herrschen.
  • Krankheit wird durch Freiheit von Beschwerden ersetzt“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Der "Kontext der Bibelstelle" ist dem Kommentar aus ELB entnommen. Hier trägt dieser Absatz die Überschrift "Warnung vor Unzucht!"
Paulus breitet in 1 Kor drei Dimensionen der christlichen Existenz aus:

  • die leibliche, weltliche Dimension: hier sind der Leib Christi, der Körper des Einzelnen und die Körper (-schaft) der (Gesamt-) Kirche zu nennen. Paulus versteht die Heiligkeit der "ecclesia" (Kirche) nahezu körperlich: "Die heilige 'ecclesia' muss vor Entheiligung durch Sünde geschützt werden" (Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? (LUT, 1 Kor 3, 16)),
  • die Dimension der Nächstenliebe (vergl. dazu auch Fromm, 1956/1983, 58ff), die immer in der Doppel-Gestalt der Gottes- und Nächstenliebe gedacht werden muss und nach Paulus in der Geistesgabe der Agape ihren Ausdruck findet und
  • die eschatologische, himmlische Dimension, die bei Paulus in einer eschatologisches Distanz zur Welt besteht, die der Endzeitsituation der Welt entspricht (vergl. dazu Wischmeyer, 2006, 138 ff vor allem 151ff).


Am 20.04.2014 "feiern wir den Ostersonntag und freuen uns über die Auferstehung Jesu von den Toten. Er ist der Erstling der Auferstehung, dem wir nachfolgen werden, wenn er kommen wird. Aber die Auferweckung gibt uns nicht nur Hoffnung für die Zukunft - auch heute, in unserer Welt, können wir nicht schweigen von unserer Freude und beten, dass das Evangelium unter uns wirksam werde und diese Welt verändere" (Senftleben, 1988, 56).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 118, 14-24:
"Eine Dankliturgie
Meine Stärke und mein Lied ist der Herr; er ist für mich zum Retter geworden. Frohlocken und Jubel erschallt in den Zelten der Gerechten: 'Die Rechte des Herrn wirkt mit Macht! Die Rechte des Herrn ist erhoben, die Rechte des Herrn wirkt mit Macht!' Ich werde nicht sterben, sondern leben, um die Taten des Herrn zu verkünden. Der Herr hat mich hart gezüchtigt, doch er hat mich nicht dem Tod übergeben. Öffnet mir die Tore zur Gerechtigkeit, damit ich eintrete, um dem Herrn zu danken. Das ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte treten hier ein. Ich danke dir, dass du mich erhört hast; du bist für mich zum Retter geworden. Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden. Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder. Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen" (EU).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mk 16, 1-8:
"Die Frauen am leeren Grab
Am Abend, als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um den Toten damit zu salben. Ganz früh am Sonntagmorgen, als die Sonne gerade aufging, kamen sie zum Grab. Unterwegs hatten sie noch zueinander gesagt: 'Wer wird uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?' Denn der Stein war sehr groß. Aber als sie hinsahen, bemerkten sie, dass er schon weggerollt worden war. Sie gingen in die Grabkammer hinein und sahen dort auf der rechten Seite einen jungen Mann in einem weißen Gewand sitzen. Sie erschraken sehr. Er aber sagte zu ihnen: 'Habt keine Angst! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der ans Kreuz genagelt wurde. Er ist nicht hier; Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Hier seht ihr die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten. Und nun geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: 'Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, genau wie er es euch gesagt hat.'' Da verließen die Frauen die Grabkammer und flohen. Sie zitterten vor Entsetzen und sagten niemand ein Wort. Solche Angst hatten sie" (GNB).

Kommentar: Nach den ältesten Handschriften endet das Evangelium nach Markus mit dieser Furcht der Frauen. Die nachfolgende "Erscheinngsgeschichte", "die Aussendung der Jünger" und "die Himmelfahrt" sind erst im 2. Jahrhundert dazu gekommen. An Ostern leuchtet die himmlische Botschaft aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas wieder auf: "Fürchtet euch nicht!" (Lk, 2, 10), denn der Tod hat nicht das letzte Wort - Credo!




Johann Sebastian Bach (1685-1750): Christ lag in Todesbanden (BWV 4)
Soprano: Emily Van Evera; Alto: Caroline Trevor; Tenor: Charles Daniels; Bass: David Thomas
Performed by Andrew Parrott and the Taverner Consort & Players.
Veröffentlicht am 30.04.2012

Freitag, 11. April 2014

Karfreitag - Kommentar zu den LG vom 18.04.2014

Einleitung: "Das Bibelwort für den Gottesdienst am Karfreitag beschreibt den Opfertod des Herrn in seiner ganzen Dramatik. Im Aufschrei Jesu kommen das Leid der gesamten Menschheit sowie auch der Wille Gottes zu ihrer Erlösung zum Ausdruck. Die begleitenden Zeichen: Zerreißen des Vorhangs im Tempel, Beben der Erde, Zerbersten der Felsen und Auftun der Gräber unterstreichen die einzigartige heilsgeschichtliche Bedeutung des Opfertodes Jesu – Jesus hat den Sieg über Hölle und Tod errungen! Das Zerreißen des Vorhangs im Tempel verweist auch auf den Übergang vom Alten zum Neuen Bund: Nun hat jeder Mensch Zugang zum Heil durch das einmal für alle Mal gebrachte Opfer (Hebr 9, 12.16; 10, 10).

An diesem Sonntag findet zudem eine Lesung aus dem Evangelium statt: "Bibellesung: Joh 19, 16−30."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Für dich gestorben!"

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Mt 27, 50−52: "Jesus schrie abermals laut und verschied. Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf."

Die Kernbotschaft lautet: „Mit seinem Opfertod hat Jesus der Menschheit ewiges Heil gebracht."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Mt 27 berichtet vom Leiden. Das Bibelwort beginnt mit dem Hinweis darauf, dass Jesus schrie und dann starb. Das vertrauensvolle Gebet in Mt 26, 39 macht deutlich, wie Jesus zu seinem Vater stand. Der Tod Jesu hat dramatische, heilsgeschichtliche Auswirkungen. Das Zerreißen des Vorhangs erscheint wie eine Vorwegnahme der Zerstörung des Tempels, die dann später auch geschah."

Zusammenfassung der LG:
  • "Jesus Christus ist der Heilsbringer der Menschheit.
  • Der laute Schrei vor dem Tod Jesu ist ein Aufschrei zu Gott, und bringt das Leid der Menschen zum Ausdruck.
  • Der Opfertod hat eine herausragende und alles verändernde Bedeutung.
  • Kreuzigung und Tod sind als Sieg Gottes zu sehen“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: "Die Phänomene im Zusammenhang des Todes Jesu tragen alle endzeitlichen und heilsgeschichtlichen Charakter. Der zerrissene Vorhang zwischen Heiligem und Allerheiligstem im Tempel signalisiert den durch Jesu Sühnetod nun freien, nicht an andere Mittler gebundenen Zugang zu Gott. Die bebende Erde erinnert an Gottes Erscheinen, insb. beim Bundesschluss am Sinai" (ELB).


Am 18.04.2014 feiern wir den "Karfreitag. An diesem Tag hören wir, wie der Sohn Gottes gekreuzigt und zu Tode gebracht wurde. Die christliche Gemeinde verstummt, lässt nur das Wort Gottes reden. Die liturgische Farbe des Karfreitags ist schwarz, mit einer vollkommenen Schmucklosigkeit des Altars. Schwarz ist die Farbe des Todes, der Finsternis, der Verneinung allen Lebens" (Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 51).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 22. Ich zitiere an dieser Stelle lediglich Ps 22, 2 in der Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Fern bleiben meiner Befreiung die Worte meines Notschreis. 'Meine Gottheit!' rufe ich tags und du antwortest nicht, nachts, und nicht wird mir Stillung."

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Joh 19, 16-30:
"Jesus am Kreuz
Da lieferte Pilatus ihnen Jesus aus und gab ihn frei zur Kreuzigung. Die Soldaten übernahmen Jesus. Er trug selber sein Kreuz aus der Stadt hinaus, bis zum so genannten Schädelplatz – auf Hebräisch heißt er Golgota. Dort nagelten sie Jesus ans Kreuz und mit ihm noch zwei andere, den einen links, den anderen rechts und Jesus in der Mitte. Pilatus ließ ein Schild am Kreuz anbringen; darauf stand: 'Jesus von Nazaret, der König der Juden'. Der Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nicht weit von der Stadt entfernt, deshalb lasen viele Juden diese Aufschrift. Sie war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache abgefasst. Die führenden Priester sagten zu Pilatus: 'Schreib nicht: ›Der König der Juden‹, sondern dass dieser Mann behauptet hat: ›Ich bin der König der Juden.‹' Pilatus sagte: 'Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.' Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz genagelt hatten, nahmen sie seine Kleider und teilten sie in vier Teile. Jeder erhielt einen Teil. Das Untergewand aber war in einem Stück gewebt und hatte keine Naht. Die Soldaten sagten zueinander: 'Wir wollen es nicht zerreißen; das Los soll entscheiden, wer es bekommt.' So traf ein, was in den Heiligen Schriften vorausgesagt war: 'Sie haben meine Kleider unter sich verteilt. Mein Gewand haben sie verlost.' Genau das taten die Soldaten. Nahe bei dem Kreuz, an dem Jesus hing, standen seine Mutter und deren Schwester sowie Maria, die Frau von Klopas, und Maria aus Magdala. Jesus sah seine Mutter dort stehen und neben ihr den Jünger, den er besonders lieb hatte. Da sagte er zu seiner Mutter: 'Frau, er ist jetzt dein Sohn!' Und zu dem Jünger sagte er: 'Sie ist jetzt deine Mutter!' Von da an nahm der Jünger sie bei sich auf.
Jesus stirbt
Jesus wusste, dass nun alles zu Ende gebracht war. Aber damit die Voraussagen der Heiligen Schriften vollends ganz in Erfüllung gingen, sagte er: 'Ich habe Durst!' In der Nähe stand ein Gefäß mit Essig. Die Soldaten tauchten einen Schwamm hinein, steckten ihn auf einen Ysopstängel und hielten ihn Jesus an die Lippen. Jesus nahm davon und sagte: 'Jetzt ist alles vollendet.' Dann ließ er den Kopf sinken und gab sein Leben in die Hände des Vaters zurück" (GNB).

Kommentar: "Schlimm war aber vor allem, wie man zu den Verhören gebracht wurde. Man bekam Beinfesseln und Handfesseln angelegt, und man wurde vorüber gebeugt abgeführt, die Hände auf dem Rücken, und wenn man stolperte, konnte man nicht wieder aufstehen, sondern wurde einfach weitergeschleift" (113).
"Ja, sie haben mich gequält. Sie haben mich gezwungen, mit gefesselten Händen auf den Knien zu hocken. Manchmal habe ich auf einem Bein stehen müssen, manchmal haben sie mich mit den Händen an die Eisentür gebunden. Manchmal bin ich 24 Stunden lang mit gefesselten Händen und Beinen in einem Raum gesperrt worden. Wir durften Nachts nur 2 Stunden schlafen, und wenn einer sitzend einschlief, wurde er geweckt und gezwungen, aufzustehen. Wenn sich jemand wegen der Müdigkeit an die Gitter lehnen wollte, befahlen sie ihm, Abstand von den Gittern zu halten" (80).
"Beispielesweise hat man im ganzen Block das Wasser abgestellt, wegen irgendwelcher Verstöße. Oder man wurde in den Isolierraum, den Karzer, gesteckt. Dort wurde einem alles fortgenommen, und man musste auf dem nackten Eisen schlafen. Einmal habe ich 15 Tage so verbracht."
"Das war mein Platz. Die ganze Zeit über war ich im Käfig. Am Anfang durfte ich nur einmal wöchentlich für 15 Minuten den Käfig verlassen. Nach zwei bis drei Monaten wurden es zweimal wöchentlich dreißig Minuten" (216).
"Ich wäre glücklich gewesen und hätte es begrüßt, wenn sie mich hingerichtet hätten. Die Hinrichtung wäre für mich die größte Freude gewesen" (215).

Alle Zitate sind entnommen aus: Hier spricht Guantanamo. Roger Willemsen interviewt Ex-Häftlinge. Frankfurt: Verlag Zweitausendeins, 2006.


Dienstag, 8. April 2014

Palmarum - Kommentar zu den LG vom 13.04.2014

Einleitung: "Im April befinden wir uns in einem besonderen Abschnitt des Kirchenjahres, der Passionszeit (...). An Palmsonntag wird unsere Haltung zu Jesus Christus thematisiert. Wir wollen ihn als unseren Herrn annehmen und zeigen dies in unserer Bereitschaft zum Dienst an ihm und im Wachstum in der neuen Kreatur."

An diesem Sonntag findet zudem eine Lesung aus dem Evangelium statt: "Bibellesung Joh 12, 12−19."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Jesus kommt!"

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist "Mk 11, 13-14: Er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. Da fing Jesus an und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit!"

Die Kernbotschaft lautet: „Jesus will in unsere Herzen einziehen, wir wollen ihm den Weg bereiten und Früchte des Glaubens bringen." 

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Die Verfluchung des Feigenbaums ist eine prophetische Zeichenhandlung Jesu. Jesus, der kurz darauf den Tempel reinigt, kündigt damit das Gericht Gottes über das verstockte Volk Israel an, das ihn nicht als Gottessohn und Messias annehmen will. Jesus Christus zeigt durch die Verfluchung seine Schöpfer macht: Er versagt dem Baum die Fruchtbarkeit, etwas, was nur Gott, der Schöpfer, tun kann."
Zusammenfassung der LG: "Jesus Christus will in unsere Herzen einziehen. Er soll in uns Frucht vorfinden: 
  • einen lebendigen Glauben, 
  • den Gehorsam gegenüber dem Evangelium in allen Lebenslagen,
  • die Liebe, die sich im Maß unserer Mitarbeit und unseres Opfers zeigt, 
  • das Wachstum der neuen Kreatur“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: "Die kleine Geschichte von der Verfluchung des Feigenbaums steht unmittelbar nach nach Jesu Einzug in Jerusalem. (...) Sie ist eng mit der Tempelaktion verzahnt, in dem Jesus die Verkäufer im Tempel hinaustreibt und die Tische der Geldwechsler umstößt (vergl. Mk 11, 15). (...) In der Antike allgemein verbreitet ist die Verbindung von Bäumen mit Herrschern und deren Einflussbereich, für Sicherheit, Frieden, Segen und Wohlstand. (...) Insofern Auftreten und Basileia [Reich-Gottes]-Verkündigung Jesu im Markusevangelium fast durchgängig vor der Folie römischer Machtansprüche lesbar sind, macht es daher Sinn, den Fluch über den Feigenbaum als eschatologischen Herrschaftswechsel zu lesen" (Zimmermann, 2013, 373). Frieden, Sicherheit, Segen und Wohlstand kann kein irdischer Herrscher schaffen, sondern Gott allein.
Wendet man die Geschichte ins individualpsychologische, so steht der Feigenbaum für das Leben und Wirken Jesu. Er erkennt, dass seine Mühen, seine Predigten und seine Botschaft "fruchtlos" geblieben sind und resigniert. Nicht das Volk ist "verstockt", obwohl hoffnungsvolle Anzeichen ("Blätter") da waren, sondern er selbst ist gescheitert. Der Frust und die Enttäuschung entlädt sich in der "Reinigung des Tempels." "Das Hoffnungspotential der Feigenbaum-Geschichten wird dann (erst) in der mystischen Tradition wirksam: Im Hintergrund mancher Darstellungen des Schmerzensmannes ist ein fruchttragender Feigenbaum zu sehen" (Zimmermann, 2007, 585). Siehe dazu z. B. Ernest Renan: Christus in der Kunst.
Um den Feigenbaum-Geschichten in den Evangelien gerecht zu werden, sollten diese synoptisch betrachtet werden (vergl. dazu Lk 13, 6-9; Mk 13, 28f; Mt 21, 18-22; Mk 11, 12-14 und 20-25) und immer auch in der Tradition des AT (vergl. z. B. Joel 1, 7; Am 4, 9; Hos 2, 14; Jer 5, 17 und 8, 13 Jes 28, 4).
Der Feigenbaum als "Baum des Lebens" bietet sich als weitere Interpretationsfolie an (vergl. Gen 3).


Am 13.04.2014 feiern wir den Sonntag "Palmarum - Der Einzug des Königs. Mit diesem Sonntag beginnt die 'Kar'-Woche. Diese Bezeichnung stammt vom alten deutschen Wort 'Kara' = Trauer her; die Kirche trauert um ihren Herrn und trägt Reue und Leid um ihre Sünde. Der Name des Sonntags leitet sich von dem Brauch ab, dass Könige und Feldherren beim Einzug in die Stadt durch das Winken mit Palmenzweigen begrüßt und willkommen geheißen wurden. So wurde nun auch Jesus begrüßt, beim Einzug in Jerusalem (Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 48).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 69:
"In schwerer Not
Rette mich, Gott, denn das Wasser steht mir bis zum Hals! Ich versinke in tiefem Schlamm und finde keinen Halt. Das Wasser reißt mich in die Tiefe, die Flut überschwemmt mich. Erschöpft bin ich durch mein ständiges Rufen, meine Kehle brennt, meine Augen erlöschen – ich aber warte weiter sehnsüchtig auf meinen Gott. So viele Menschen hassen mich ohne Grund, sie sind zahlreicher als die Haare auf meinem Kopf. Ihre Macht ist groß, und sie wollen mich zum Schweigen bringen, verlogene Feinde sind sie allesamt. Ich soll ihnen ersetzen, was ich gar nicht gestohlen habe. Du allein, mein Gott, weißt, wo ich unverständig bin; meine Schuld ist dir nicht verborgen. Lass es mit mir nicht so weit kommen, allmächtiger Herr, du Herr über alles, dass sich nun alle, die auf dich hoffen, meinetwegen schämen müssen! Lass nicht zu, dass durch mich Schimpf und Schande die trifft, die deine Nähe suchen, du Gott Israels! Denn weil ich zu dir gehöre, werde ich mit Hohn und Spott überschüttet, die Scham ist mir ins Gesicht geschrieben. Selbst meinen Brüdern bin ich fremd geworden, meine eigenen Geschwister begegnen mir, als gehörte ich nicht zum selben Volk wie sie. Denn die Leidenschaft für dein Haus hat meine ganze Kraft verzehrt, gegen mich richten sich die Beschimpfungen derer, die sonst dich beschimpfen. Als ich weinte und fastete, selbst dann haben sie mich noch verhöhnt. Legte ich in Trauer ein Gewand aus Sackleinen an, so dichteten sie Spottverse auf mich. Beim Stadttor, ´wo die Leute sich treffen`, ziehen sie über mich her, und die Betrunkenen verhöhnen mich in ihren Saufliedern. Ich aber bete zu dir, Herr, jetzt zur gelegenen Zeit. Gott, antworte mir doch in deiner großen Gnade, rette mich, so wie du es in deiner Treue schon immer getan hast! Zieh mich heraus aus dem Schlamm, damit ich nicht versinke! Rette mich vor dem Zugriff meiner Feinde, die mich hassen, lass mich dem tiefen Wasser entkommen! Sorge dafür, dass die Flut mich nicht überschwemmt und die tiefen Strudel mich nicht verschlingen, möge der Brunnen mich nicht für immer in seinem Schlund begraben! Antworte mir, Herr, denn deine Gnade ist wohltuend! Wende dich mir zu in der ganzen Fülle deines Erbarmens. Verbirg dein Gesicht nicht vor mir, deinem Diener, denn mir ist angst und bange. Antworte mir doch rasch! Schenk meiner Seele deine Nähe und erlöse mich, befreie mich meinen Feinden zum Trotz! Du weißt, wie viel Spott und Verachtung ich ernte, welche Schande ich ertragen muss. Alle meine Widersacher sind dir vor Augen. Der Hohn hat mir das Herz gebrochen, ich verzweifle. Ich hoffte auf Mitleid – es gab keins. Ich sah mich um nach Tröstern – es waren keine zu finden. Man gab mir Galle zur Speise, und Essig reichte man mir zu trinken, als ich durstig war. Dafür sollen ihnen ihre Opferfeste zur Falle werden, ja, zum Fangnetz für diese gleichgültig dahinlebenden Menschen! Lass es finster werden vor ihren Augen, so dass sie nichts mehr sehen können! Ihre Hüften sollen so schwach sein, dass sie nie mehr sicher auf den Beinen sind! Überschütte sie mit deinem Grimm, ja, dein glühender Zorn soll sie treffen. Ihr Wohngebiet soll öde und verlassen sein, und in ihren Zelten soll niemand mehr wohnen. Denn eigenmächtig verfolgen sie den, der von dir bereits gestraft wurde; und leichtfertig erzählen sie vom Schmerz derer, die du verwundet hast. Füge ihrer Schuld neue Schuld hinzu, und lass sie nicht teilhaben an deinem Heil. Ihre Namen sollen aus dem Buch des Lebens gestrichen werden, damit sie nicht darin stehen zusammen mit denen, die nach deinem Willen leben. Ich aber bin vom Leid gebeugt und voller Schmerzen, greif ein, o Gott, und bring mich in Sicherheit! Rühmen will ich den Namen Gottes mit einem Lied, voller Dank will ich ihn preisen. Das gefällt dem Herrn viel besser als ein Opferstier, besser als das vorzüglichste Jungtier mit Hörnern und gespaltenen Hufen. Alle, die wie ich Unrecht geduldig ertragen, werden es sehen und sich freuen. Ihr alle, die ihr Gottes Nähe sucht – euer Herz lebe auf! Denn der Herr gibt acht auf Menschen, die seine Hilfe brauchen. Er verachtet keinen, der gefangen ist und zu ihm gehört. Himmel und Erde sollen ihn loben, auch die Meere und alle Lebewesen darin! Denn Gott wird die Stadt Zion retten und die Städte in Juda wieder aufbauen, damit sein Volk in ihnen wohnt und das Land besitzt. Ja, die Nachkommen derer, die ihm dienen, werden es als Erbe erhalten. Alle, die seinen Namen lieben, werden dort wohnen" (NGÜ).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Joh 12, 12-19:
"Jesus zieht in Jerusalem ein
Am nächsten Tag hörte die große Menge, die zum Passafest gekommen war, Jesus sei auf dem Weg nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen ihm entgegen vor die Stadt und riefen laut: 'Gepriesen sei Gott! Heil dem, der in seinem Auftrag kommt! Heil dem König Israels!' Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, so wie es schon in den Heiligen Schriften heißt: 'Fürchte dich nicht, du Zionsstadt! Sieh, dein König kommt! Er reitet auf einem jungen Esel' (vergl. Sach 9, 9). Damals verstanden seine Jünger dies alles noch nicht; aber als Jesus in Gottes Herrlichkeit aufgenommen war, wurde ihnen bewusst, dass dieses Schriftwort sich auf ihn bezog und dass die Volksmenge ihn dementsprechend empfangen hatte. Als Jesus Lazarus aus dem Grab gerufen und vom Tod auferweckt hatte, waren viele dabei gewesen und hatten es als Zeugen weitererzählt. Aus diesem Grund kam ihm jetzt eine so große Menschenmenge entgegen. Sie alle hatten von dem Wunder gehört, das er vollbracht hatte. Die Pharisäer aber sagten zueinander: 'Da seht ihr doch, dass wir so nicht weiterkommen! Alle Welt läuft ihm nach'" (GNB)!

Kommentar: Johannes verknüpft die Lebensgeschichte Jesu auch hier wieder mit den entsprechenden stellen des AT. Konsequent wird unter Bezugnahme des AT das Leben Jesu komponiert mit dem Ziel der Verherrlichung Jesu als Messias. Vergl. dazu Wengst (2000) oder auch die Einleitungen zum Joh-Ev in den angegebenen Bibelübertragungen. Der Wochenpsalm steht in einem scharfen Kontrast zu dem bejubelten Einzug in Jerusalem und nimmt die kommenden Leiden und die mit dem Tode Jesu verknüpfte Verheißung vorweg. Dadurch entsteht auch eine Verknüpfung zur "Feigenbaumgeschichte" (s. o.) und somit zu der Aussage, dass Sicherheit, Frieden, Segen und Wohlstand kein irdischer Herrscher schaffen kann, sondern Gott allein.