Samstag, 15. März 2014

Okuli - Kommentar zu den LG vom 23.03.2014

Einleitung: An diesem Sonntag wird die Themenreihe, die mit „Die Seligpreisungen“ überschrieben ist, fortgesetzt.  Heute wird der Hunger nach Gerechtigkeit gepriesen, weil in ihm zum Ausdruck kommen kann, dass Gott allein die Quelle der Gerechtigkeit ist. Er schafft Gerechtigkeit und macht den Menschen gerecht.

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Gerechtigkeit."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist "Mt 5, 6: Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden."

Die Kernbotschaft lautet: "Den Hunger nach Gerechtigkeit kann nur einer stillen: Jesus Christus, der gerechte Herr."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Die Seligpreisungen stehen am Anfang der Bergpredigt. Sie bringen die Botschaft der Bergpredigt in aller Kürze zum Ausdruck. Die vierte Seligpreisung thematisiert die Gerechtigkeit und spricht ein Grundproblem der Gesellschaft an, das auch den christlichen Glauben angeht. 'Hunger' und 'Durst' bezeichnen ein starkes Verlangen nach Gerechtigkeit. Schon im Irdischen kämpfen Menschen für gerechte Verhältnisse. Hier geht es aber um den Stand des Menschen vor Gott (siehe auch: KNK 3.1.7)."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • "Das Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit wird erst im zukünftigen Reich Gottes vollkommen gestillt werden.
  • Mit dem Sohn Gottes ist dieses Reich schon angebrochen.
  • Im gegenwärtigen Reich Gottes werden Sünder aus dem Verdienst Christi gerecht gemacht“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Die "Botschaft der Bergpredigt" (LG) besteht darin, dass Mt Jesus konsequent als Messias vorstellt und sein Wirken immer wieder auf Mose bezieht und somit auf die Thora (die fünf Bücher Mose). "Die (Wieder-) Herstellung des Rechts und Gerechtigkeit ist ja die fundamentale Aufgabe des Messias (z. B. Jes 42, 1-4). Es macht ja also gerade seine Hoheit aus, die Thora in der Welt zu verwirklichen, die Gott dem Mose geoffenbart hat. Und die Weisheit, womit die messianische Gestalt ausgestattet ist, besteht in ihrer Ausrichtung auf die Thora. Deshalb spielen 'Recht' und 'Gerechtigkeit' im Christusbild des MT und in seiner Jüngerbelehrung eine so bedeutend Rolle. Und eben darum lässt Mt Jesus die Anerkennung der Tora ohne Wenn und Aber erklären" (5, 17f; Fiedler, 2006, 105f).
Diese "Seligpreisung" (andere Übersetzungen sprechen von "Glückseligpreisungen" (NGÜ; Übersetzung von H. Menge) scheint eher etwas abstrakt formuliert zu sein. Beim Hungern und Dursten (nach Gerechtigkeit) geht es um drei Aspekte: erstens natürlich um die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse zur Existenzsicherung, zweitens um den Willen Gottes im Sinne seines Heilswirkens (eschatologische Perspektive) und drittens um den Willen Gottes im Sinne einer Forderung oder einer Erwartung an den Menschen, ein Leben gemäß dieses göttlichen Willens zu führen (vergl. ebd., 113f). "Wer nach Gerechtigkeit und Güte strebt, findet Leben, Gerechtigkeit und Ehre" (Spr 21, 21; Übersetzung nach H. Menge; ähnlich auch ELB).


Am 23.03.2014 feiern wir den Sonntag "Oculi - Bereit zum Verzicht. Der Name des Sonntags leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: Oculi mei semper ad Dominum, quoniam ipse evellet de laqueo pedes meos (Meine Augen blicken ständig auf den Herrn, denn er, er wird meine Füße aus dem Fangnetz ziehen; Ps 25, 15; NGÜ).
Durch das Evangelium hören wir, dass die Nachfolge Jesu auch Verzicht auf die Reichtümer bedeutet, deren Gebrauch uns so selbstverständlich ist. Nachfolge bedeutet auch Einsamkeit, wenn das Wort, das wir befolgen, uns zwingt, gegen den Strom zu schwimmen" (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 44).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 34, 16-23:
"Gott rettet, die zu ihm rufen
Denn der Blick des Herrn ruht freundlich auf denen, die nach seinem Willen leben; er hat ein offenes Ohr für sie, wenn sie um Hilfe rufen. Mit vernichtendem Blick aber schaut der Herr auf alle, die Böses tun. Er wird sie von der Erde wegnehmen und jede Erinnerung an sie auslöschen. Die aber nach dem Willen des Herrn leben, rufen zu ihm, und er hört sie. Er befreit sie aus all ihrer Not. Nahe ist der Herr denen, die ein gebrochenes Herz haben. Er rettet alle, die ohne Hoffnung sind. Wer nach Gottes Willen lebt, der8 erfährt viel Leid, aber der Herr wird ihn aus allem Unglück befreien. Er bewahrt alle seine Glieder, nicht ein Knochen soll ihm gebrochen werden. Wer Gott verachtet, findet durch seine Bosheit den Tod. Und wer die hasst, die nach Gottes Willen leben, wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Der Herr aber erlöst die Seele derer, die ihm dienen; und wer bei ihm Zuflucht sucht, muss keine Strafe fürchten" (NGÜ).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 9, 57-62:
"Von der Nachfolge
Als sie auf ihrem Weg weiterzogen, redete ein Mann Jesus an und sagte: 'Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.' Jesus antwortete ihm: 'Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann' [GSB schlägt an dieser Stelle folgende Übersetzung vor: "... aber wir haben keinen Ort, an dem wir uns ausruhen können." Gemeint sind damit all jene Menschen, die Jesus bereits nachfolgen; vergl. dazu GSB, 2361].

Zu einem anderen sagte er: 'Folge mir nach!' Der erwiderte: 'Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben.' Jesus sagte zu ihm: 'Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh' und verkünde das Reich Gottes!'
Wieder ein anderer sagte: 'Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich von meiner Familie Abschied nehmen.' Jesus erwiderte ihm: 'Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes'" (EU).

In dieser Stelle werden vier radikal ethische Anforderungen an diejenigen gestellt, die Jesus nachfolgen wollen, was ja historisch (auf Grund des geographischen Raumes) zunächst einmal "lediglich" ein "Mitwandern" bedeutete:
das Ethos der Heimatlosigkeit - das Ethos der Familienlosigkeit - das Ethos der Besitzlosigkeit - das Ethos der Schutzlosigkeit.

Eine dauerhaft heimatlose, familienlose, besitzlos und schutzlose Existenz kann jedoch aus Stellen wie oben nicht abgeleitet werden, sondern es ist eher von vorübergehenden Lebensabschnitten, im Sinne von Missions- oder Verkündigungsreisen, auszugehen, die unter diesen Anforderungen standen (vergl. zur Soziologie der Jesubewegung Stegemann, 2010, 257ff). 
Die nachösterliche Entsendungsbotschaft hat hier ihren Ursprung (vergl. Mk 16, 15).

Was kann "Nachfolge" heute bedeuten? Nachfolge bedeutet heute eine aktive Nächstenliebe, ein entschiedenes Einlassen auf eine Beziehung. Es geht dann nicht mehr um die Bewahrung der Traditionen (Beerdigungsriten oder Abschiedstraditionen), sondern um ein selbstbestimmtes Einlassen auf das Gegenüber - und das kann dann die Riten, Gebräuche und Traditionen wieder einschließen (vergl. dazu Buber, 1995).

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