Sonntag, 17. August 2014

11. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 31.08.2014

Einleitung: "Die Gottesdienste im August entfalten die unterschiedlichen Aspekte des Themas „Aus dem Wesen Christi handeln“. Diejenigen, die an Jesus Christus glauben und ihn bekennen, haben nicht nur eine bestimmte innere Haltung, sondern zeigen eine entsprechende Handlungsweise. Nachfolge Christi bedeutet, den Herrn zum Vorbild zu nehmen, ihm in Wort und Tat nachzueifern. (…) 

Der letzte Sonntagsgottesdienst im August hat das Gebet zum Schwerpunkt. Wichtige Gebete Jesu werden in den Evangelien überliefert: das Gebet 'Unser Vater' und das hohepriesterliche Gebet. Darüber hinaus, auch das wird in den Evangelien bezeugt, wandte sich Jesus Christus immer wieder an seinen himmlischen Vater. Hierin ist er ein Vorbild für alle, die die Nähe Gottes suchen. Denn göttliche Nähe wird im Alltag vor allem in einem intensiven Gebetsleben erfahren. Ohne Gebet ist christliches Leben undenkbar. Im Gebet wendet sich nicht nur der Gläubige an Gott, auch Gott lässt sich im Gebet vernehmen.“ 

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Beharrlich beten!“ 

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Lk 18, 7-8a: „Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er‘s bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. 

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wir wollen in allen Lebenssituationen beharrlich zu Gott beten, besonders um die Wiederkunft Christi.“ 

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Bei dem Gleichnis 'von der bittenden Witwe' geht es nicht um den Richter, sondern allein um die beharrliche Bitte der Witwe. Wenn sich schon der ungerechte Richter durch Bitten dazu bringen lässt, Recht zu sprechen, wie viel mehr wird dies Gott tun, der ja gerecht ist. Die Gemeinde soll im Bitten um die Wiederkunft Christi nicht nachlassen.“ 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: 
  • Zuweilen werden wir ungerecht behandelt oder gar um unseres Glaubens willen verfolgt. Dann wollen wir beharrlich aufschauen zu Gott.
  • Gottes Auserwählte rufen Tag und Nacht in tiefem Glauben zu Gott. 
  • Gott wird in Kürze Recht schaffen und alle ungöttlichen Mächte in ihre Schranken weisen“ (alle Zitate aus den o. g. LG). 
Kommentar: In den LG wird die Bibelstelle nicht vollständig zitiert, ohne dies jedoch genauer kenntlich zu machen. So wird diese Stelle eindeutiger gemacht, als sie es tatsächlich ist, wenn formuliert wird, dass es bei diesem Gleichnis "allein um die Witwe" (s. o.) gehe  (siehe dazu: Merz, 2007). Liest man diese Stelle in Gänze, dann ergeben sich folgende Fragen: „Entweder wird das Problem angesprochen, dass Gott seine Hilfe für die Auserwählten hinauszögert, dann antwortet V. 8a direkt auf dies Problem der sogen. Parusieverzögerung. Oder es wird angedeutet, dass die ausbleibende Reaktion Gottes auf das anhaltende Gebet der Gemeinde als Zeichen seiner Langmut zu deuten ist. Dem entspräche dann der zweifelnde und mahnende V. 8b, der fragt, ob der Menschensohn bei seinem so dringend erwarteten Kommen dann auch wirklich Glauben auf der Erde vorfinden wird“ (Merz, Die Stärke der Schwachen, 668. In: Zimmermann, 2007, 667ff). 

Dementsprechend nennt Merz diese Parabel eine „der am meisten deutungsoffenen Gleichnisse Jesu“ (ebd., 677), zumal die Wahl der Protagonisten (Witwe – Richter) und die gewählten Formulierungen beinahe übersättigt sind mit Anklängen an alttestamentliche Traditionen. Trotz der (scheinbar) eindeutigen Einleitungsfloskel scheint in diesem Gleichnis nicht das Beten im Mittelpunkt zu stehen, sondern eher die Witwe als Bild der Entrechteten, rechtlich Benachteiligten und Armen (vergl. dazu auch Jeremias, 1996). Es wird darauf aufmerksam gemacht, den Armen und Entrechteten immer wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Es wird aber auch darauf verwiesen, dass unbestechliche und unparteiliche Urteile nur mit und bei Gott möglich sind (sozioökonomische Perspektive).
Einen psychologischen Deutungsvorschlag bietet Anselm Grün in der Tradition von Eugen Drewermann (z. B. 1992 oder auch Tiefenpsychologie und Exegese I+II) und J. G. Jung an. Er verlegt den gesamten Vorgang in das Innerseelische und erkennt in der Witwe und in dem Richter innerpsychische Instanzen (siehe dazu: Grün, Jesus als Therapeut, 2013, 20ff). 
Auch eine kollektive Perspektive und Wahrnehmung ist möglich. Die Witwe wird dann zu einem Bild für das Volk Israels, das sich gegen Ungerechtigkeiten erwehren muss. 
Diese Parabel kann also zurecht als eine „der am meisten deutungsoffenen Gleichnisse Jesu“ angesehen werden. 


Am 31.08.2014 feiern wir den 11. Sonntag nach Trinitatis – Pharisäer und Zöllner – und hören die Parabel von der „Werbung in eigener Sache (Vom Pharisäer und Zöllner“); Popp, 681ff. In: Zimmermann, 2007). 

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 113: 
"Gottes Hoheit und Huld 
Halleluja! Lobet, ihr Knechte des HERRN, lobet den Namen des HERRN! Gelobt sei der Name des HERRN von nun an bis in Ewigkeit! Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des HERRN! Der HERR ist hoch über alle Völker; seine Herrlichkeit reicht, so weit der Himmel ist. Wer ist wie der HERR, unser Gott, im Himmel und auf Erden? Der oben thront in der Höhe, der herniederschaut in die Tiefe, der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und erhöht den Armen aus dem Schmutz, dass er ihn setze neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volkes; der die Unfruchtbare im Hause zu Ehren bringt, dass sie eine fröhliche Kindermutter wird. Halleluja" (LUT)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk, 18, 9-14: 
"Die Beispielgeschichte von dem Pharisäer und dem Zolleinnehmer 
Dann wandte sich Jesus einigen Leuten zu, die voller Selbstvertrauen meinten, in Gottes Augen untadelig dazustehen, und deshalb für alle anderen nur Verachtung übrig hatten. Er erzählte ihnen folgende Geschichte: 'Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, ein Pharisäer und ein Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich vorne hin und betete leise bei sich: ›Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen, alle diese Räuber, Betrüger und Ehebrecher, oder auch wie dieser Zolleinnehmer hier! Ich faste zwei Tage in der Woche und gebe dir den vorgeschriebenen Zehnten sogar noch von dem, was ich bei anderen einkaufe!‹ Der Zolleinnehmer aber stand ganz hinten und getraute sich nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich zerknirscht an die Brust und sagte: ›Gott, hab Erbarmen mit mir, ich bin ein sündiger Mensch!‹' Jesus schloss: 'Ich sage euch, der Zolleinnehmer ging aus dem Tempel in sein Haus hinunter als einer, den Gott für gerecht erklärt hatte – ganz im Unterschied zu dem Pharisäer. Denn alle, die sich selbst groß machen, werden von Gott gedemütigt, und alle, die sich selbst gering achten, werden von ihm zu Ehren gebracht' (GNB). 

Kommentar: Diese Gleichnis schließt sich unmittelbar an das Gleichnis "Von der bittenden Witwe" an. Bei dieser Parabel hat sich eine anthropologische resp. psychologische Deutung durchgesetzt. Sie verdeutlicht Haltungen von Menschen gegenüber Gott aber auch die immer wieder auch widersprüchlichen Haltungen des Individuums gegenüber Gott. Die Parabel malt mit Worten aus, wie Gott handelt, wer er ist und in welcher Haltung der Mensch ihm begegnen soll: Der Mensch muss in seiner Sünde alles auf das Geschenk des Erbarmens Gottes setzen. In diesem Sinne ist das Gleichnis eine Werbung in Gottes eigener Sache (vergleiche dazu ausführlich: Popp, Thomas, Werbung in eigener Sache. In: Zimmermann, 2007, 681ff).
"Gnade bedeutet nicht Aufhebung der Differenz im Status. Der Sünder wird nicht Gott, wenn er einen gnädigen Gott findet. Aber er traut Gott in seiner Heiligkeit zu dass er nicht nur heilig ist, sondern auch - oder gerade deswegen - gnädig und barmherzig. Dass der heilige Gott zugleich auch der barmherzige und gnädige ist, das ist Hoffnung und Ahnung der Menschen, seit dem es Menschen gibt; (...). Für den Heiligen Gott bedeutet das im Grunde, dass er 'über seinen Schatten springt', dass er so souverän ist, auch den Unheiligen nicht zu vernichten, sondern bestehen zu lassen, ja seine Schuld aufzuheben. Sei mir gnädig, das heißt auch: Rechne mir meine Sünden (meine Gottferne, Gottvergessenheit) nicht an, du kannst darüber hinwegsehen - ich nicht. Der Abstand zwischen Gott und Menschen ist überhaupt nur durch diese Geste Gottes zu überbrücken. (...) solche Gnade, wie sie uns gegenüber nötig ist, kann nur Gott üben" (Berger, 2006, C, 283).




Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Siehe zu, daß deine Gottesfurcht nicht Heuchelei sei (BWV 179); Kantate zum 11. Sonntag nach Trinitatis
Sopran: Helmut Wittek (Tölzer Knabenchor), Tenor: Kurt Equiluz, Baß: Robert Holl
Tölzer Knabenchor - Gerhard Schmidt-Gaden
Concentus musicus Wien - Nikolaus Harnoncourt

Gemälde: La Parabole du Pharisien et du Publicain (Dirk van Delen)

Veröffentlicht am 12.06.2012

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