Samstag, 5. Dezember 2015

Zum 3. Advent (mit einem Kommentar zu den Leitgedanken der NAK vom 13. Dezember 2015)

Der Vorläufer des Herrn (Johannes der Täufer)


Heute ist der dritte Sonntag des Kirchenjahres - 3. Advent: Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe und seinen Schritten folge.

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Ps 85:
Bitte um neue Gnade für Gottes Volk
Herr, du hattest Gefallen an deinem Land, die Nachkommen Jakobs hast du aus der Gefangenschaft befreit. Du hast die Schuld deines Volkes vergeben und alle ihre Sünden zugedeckt. Deinen Groll hast du beendet, hast abgelassen von deinem glühenden Zorn. Richte uns nun wieder auf, Gott, der uns Rettung schenkt! Setz deinem Unwillen gegen uns doch ein Ende! Oder willst du ewig aufgebracht sein über uns? Willst du zornig auf uns sein – jetzt und in allen künftigen Generationen Willst du uns nicht wieder neues Leben schenken, damit dein Volk sich über dich freuen kann? Lass uns deine Gnade erfahren, Herr, und schenke uns Rettung. Ich will hören, was Gott, der Herr, sagt. Frieden verspricht er seinem Volk, all denen, die ihm treu sind. Nur sollen sie nicht wieder in ihre verhängnisvollen Fehler zurückfallen! Ja, nahe ist seine Rettung denen, die in Ehrfurcht vor ihm leben. Seine Herrlichkeit soll wieder Wohnung nehmen in unserem Land. Dann begegnen einander Gnade und Wahrheit, dann küssen sich Gerechtigkeit und Friede. Treue wird aus der Erde sprießen und Gerechtigkeit herabschauen vom Himmel. Der Herr wird uns mit allem Guten beschenken, und unser Land wird seinen Ertrag bringen. Gerechtigkeit wird vor unserem Gott hergehen, und er wird sie Schritt um Schritt zu seinem Weg ´für uns` machen. (NGÜ)

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Mt 11, 2-10
Die Anfrage des Täufers Johannes
Der Täufer Johannes hatte im Gefängnis von den Taten gehört, die Jesus als den versprochenen Retter auswiesen; darum schickte er einige seiner Jünger zu ihm. »Bist du wirklich der, der kommen soll«, ließ er fragen, »oder müssen wir auf einen anderen warten?« Jesus antwortete ihnen: »Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr hört und seht: Blinde sehen, Gelähmte gehen, Aussätzige werden gesund, Taube hören, Tote stehen auf und den Armen wird die Gute Nachricht verkündet. Freuen darf sich, wer nicht an mir irrewird!«
Jesus spricht über Johannes
Als die Abgesandten des Täufers wieder weggegangen waren, fing Jesus an, zu der Menge über Johannes zu sprechen: »Als ihr in die Wüste zu ihm hinausgezogen seid, was habt ihr da erwartet? Etwa ein Schilfrohr, das jedem Wind nachgibt? Oder was sonst wolltet ihr sehen? Einen Menschen in vornehmer Kleidung? Solche Leute wohnen in Palästen! Also, was habt ihr erwartet? Einen Propheten? Ich versichere euch: Ihr habt mehr gesehen als einen Propheten! Johannes ist der, von dem es in den Heiligen Schriften heißt: ›Ich sende meinen Boten vor dir her, sagt Gott, damit er den Weg für dich bahnt.‹ (GNB)

Meine Bachkantate (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag ist:
Ärgre dich, o Seele, nicht (BWV 186a; Musik verschollen) mit Texten von S. Franck aus den Evangelischen Sonn- und Feiertags-Andachten (Weimar 1717)

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet:
Mit Ernst, o Menschenkinder (Melodie: Lyon 1557; Geistlich Erfurt 1563; Text: Valentin Thilo 1642; Strophe 4 Lüneburg 1657)

Die Lesung und gleichzeitig Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK am 3. Advent ist aus Jes 11, 2–4a : Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. [...] Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten. (LUT)

Kommentar: In dem ausgewählten Bibelabschnitt, der die Predigtgrundlage für die Gottesdienste in der NAK ist, kündigt Jesaja den Messias an, der für die Christenheit Jesus von Nazareth ist. Somit findet ein thematischer Rückbezug auf den 2. Advent des Kirchenjahres statt, der mit „der kommende Herr“ überschrieben war (siehe Post vom 6. Dezember 2015 in diesem Blog).

Die vollständige Kapitel 11 lautet in der Übertragung durch die Einheitsübersetzung (EU):
Die Ankündigung des messianischen Reiches
Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht. [Er erfüllt ihn mit dem Geist der Gottesfurcht.] Er richtet nicht nach dem Augenschein und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er, sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes. Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften, Treue der Gürtel um seinen Leib. Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist. An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen ihn auf; sein Wohnsitz ist prächtig. An jenem Tag wird der Herr seine Hand von neuem erheben, um den übrig gebliebenen Rest seines Volkes zurückzugewinnen, von Assur und Ägypten, von Patros und Kusch, von Elam, Schinar und Hamat und von den Inseln des Meeres. Er stellt für die Völker ein Zeichen auf, um die Versprengten Israels wieder zu sammeln, um die Zerstreuten Judas zusammenzuführen von den vier Enden der Erde. Dann hört der Neid Efraims auf, die Feinde Judas werden vernichtet. Efraim ist nicht mehr eifersüchtig auf Juda und Juda ist nicht mehr Efraims Feind. Sie stoßen nach Westen vor wie im Flug, den Philistern in die Flanke; vereint plündern sie die Völker des Ostens aus. Sie ergreifen Besitz von Edom und Moab, die Ammoniter müssen ihnen gehorchen. Der Herr trocknet die Bucht des ägyptischen Meeres aus; er schwingt in glühendem Zorn seine Faust gegen den Eufrat und zerschlägt ihn in sieben einzelne Bäche, sodass man in Sandalen hindurchgehen kann. So entsteht eine Straße für den Rest seines Volkes, der übrig gelassen wurde von Assur, eine Straße, wie es sie für Israel gab, als es aus Ägypten heraufzog.

In den Kap. 1-12 wird das Thema Gericht und Heil präsentiert. Dabei ist eine Spannung zwischen sündiger Gegenwart und gottgefälliger Zukunft auffällig. Im Zentrum des prophetischen Buches stehen die Abschnitte Jes 6,1-8,18, die sogenannte Immanuelschrift. Im oben zitierten Abschnitt wird beschrieben, dass die Herrschaft des Messias nicht durch Gewalt, sondern durch die göttlichen Geistesgaben zur Sicherung des Weltfriedens geprägt ist. In der kommenden Welt lebt ein Friede, der alle tödlichen Feindschaften in ein einträchtiges Zusammenleben verwandelt. Nicht Frieden und Gerechtigkeit , sondern das Böse und die Gewalt werden zu einer Denkfigur des Unmöglichen, zu einer Utopie, für die kein Platz mehr ist (vergl. Ulrich Berges, 2014, Jesaja, 61-71).

Wenden wir uns nun dem Evangelium für den heutigen Sonntag und damit der Anfrage des Johannes zu.
Wer kennt sie nicht, diese Zweifel von denen Johannes spricht? Heute ist diese Frage des Johannes jedoch absoluter, radikaler zu stellen: Kommt der Herr überhaupt erneut? Gilt der Abschnitt aus dem Apostolischen Glaubensbekenntnis "von dort wird er wiederkommen" noch? Kann der moderne Mensch dies denn heute noch glauben? Dürfen wir auf eine Wiederkunft des Messias heute noch hoffen? Was bedeutet dies heute für uns? Dieses Problem wird in der Theologie als "Parusieverzögerung" bezeichnet.Unstrittig ist, dass der Kosmos auf einen "Punkt Omega" zugeht, dass das Sonnensystem, so wie wir es heute kennen, endlich ist. Astronomen gehen davon aus, dass unser Sonnensystem etwa 4,46 Milliarden Jahre alt ist und ungefähr noch die gleiche Zeit vor sich hat. Das gesamte Weltall ist demgegenüber etwa 13,8 Milliarden Jahre alt (vergl. dazu: Stephen Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit, 1988/2015). Wer wollte angesichts dieser Dimensionen von einer "Verzögerung" sprechen? Diese Antwort wird jedoch dem Menschen nicht gerecht.

Wie kann dann eine Antwort der Seelsorge auf diese drängende Frage aussehen?
Wir können zu dem Evangelium des heutigen Sonntags zurückkehren. Jesus verweist in seiner Antwort an Johannes explizit auf die sogen. "Seligpreisungen:
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet (EU, Mt 5, 3-12).

Ich verstehe die "Seligpreisungen" so: Jesus Christus weiß, dass der Reichtum ungerecht verteilt ist und dass es zwischen Menschen Unterschiede gibt; Jesus Christus kennt Trauer und lebt in einem Umfeld, dass von Gewalt und Unfrieden geprägt ist. Er weiß von Ungeduld und Unsicherheit und kennt Zweifel. Dem setzt er sein "Programm" der Barmherzigkeit, der Zuversicht und Friedfertigkeit entgegen. Wenn wir Menschen es schaffen, "reinen Herzens" zu leben, dann schauen wir Gott oder, um in dem Thema der Parusie zu bleiben, dann kommt Gott - täglich neu.
Diese Antwort gibt Jesus von Nazareth auch Johannes: Gott ist da, der Messias ist gekommen.
Diese Antwort gibt der Glaube uns auch heute: Gott ist da, der Messias kommt täglich wieder, in den gerechten, barmherzigen, tröstenden, friedvollen Taten des Menschen am Menschen ereignet er sich täglich neu, "denn das Reich Gottes ist mitten unter euch (oder besser: innerhalb von euch oder inwendig in euch)" (Lk 17, 21). Zu den "Seligpreisungen" siehe auch die Ausführungen von Fiedler, 2006, 107-109.

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