Sonntag, 13. März 2016

Palmarum; mit einem Kommentar zu den Leitgedanken der NAK vom 20. März 2016


Der Schmerzensmann (Einzug in Jerusalem)


Heute ist der 6. Sonntag der Passionszeit - Palmsonntag. „Der Name des Sonntags Palmarum leitet sich ab von dem Brauch, den König oder Feldherrn bei seinem Einzug in die Stadt Palmzweige schwingend und jubelnd zu begrüßen. Dieser Brauch wurde auch geübt, als Jesus in Jerusalem einzog. Allerdings erwartete man in ihm einen anderen König, nicht den, der sich am Kreuz offenbaren würde“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 88:
Ein Schrei zu Gott in schwerer Krankheit
Herr, mein Gott und Retter, Tag und Nacht komme ich vor dich und schreie zu dir. Lass mein Gebet zu dir dringen! Schenk meinem Flehen ein offenes Ohr! Denn meine Seele hat schon mehr als genug Leid erfahren. Ich bin an der Schwelle des Todes angelangt. Man hält mich für einen, der dem Grab schon nahe ist, ich bin ein Mensch ohne jede Lebenskraft. Dem Tod bin ich ausgeliefert wie einer der Gefallenen, die im Grab liegen, an die du schon nicht mehr denkst. Deine helfende Hand ist nicht mehr für sie da. Du hast mich in eine abgrundtiefe Grube gelegt, in die tiefsten Tiefen des Meeres, wo finstere Nacht herrscht. Dein Zorn lastet schwer auf mir, mit all deinen Wellen und Wogen drückst du mich nieder. Meinen vertrauten Freunden hast du mich entfremdet, du hast mich zu jemandem gemacht, den sie verabscheuen. Ich bin gefangen und weiß keinen Ausweg mehr. Vor lauter Elend werden meine Augen schwächer, tagtäglich rufe ich zu dir, Herr, und strecke meine Hände zu dir aus. Willst du denn an den Toten Wunder tun? Oder werden die Gestorbenen aufstehen, um dich zu preisen? Erzählt man sich etwa im Grab von deiner Gnade, in der Totenwelt von deiner Treue? Werden im Reich der Finsternis deine Wunder bekannt gemacht und deine Gerechtigkeit in jenem Land, wo alles vergessen ist? Ich aber – ich schreie zu dir, Herr, und schon am Morgen kommt mein Gebet vor dich. Warum, Herr, hast du mich verstoßen? Warum verbirgst du dein Angesicht vor mir? Von Jugend auf bin ich vom Leid gebeugt und dem Tode nah. Ich trage schwer an den Schrecken, die du über mich kommen lässt; ich bin völlig verzweifelt. Dein Zorn überrollte mich wie ein Flammenmeer, deine schrecklichen Angriffe haben mich vernichtet. Wie gefährliche Wellen schlagen sie über mir zusammen – den ganzen Tag, sie bedrängen mich von allen Seiten. Meinen Freunden und Nachbarn hast du mich entfremdet, mein einziger Vertrauter ist die Finsternis. (NGÜ)

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Joh 12, 12-19:
Jesus zieht in Jerusalem ein
Am nächsten Tag hörte die große Menge, die zum Passafest gekommen war, Jesus sei auf dem Weg nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen ihm entgegen vor die Stadt und riefen laut: »Gepriesen sei Gott! Heil dem, der in seinem Auftrag kommt! Heil dem König Israels!« Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, so wie es schon in den Heiligen Schriften heißt: »Fürchte dich nicht, du Zionsstadt! Sieh, dein König kommt! Er reitet auf einem jungen Esel.« Damals verstanden seine Jünger dies alles noch nicht; aber als Jesus in Gottes Herrlichkeit aufgenommen war, wurde ihnen bewusst, dass dieses Schriftwort sich auf ihn bezog und dass die Volksmenge ihn dementsprechend empfangen hatte. Als Jesus Lazarus aus dem Grab gerufen und vom Tod auferweckt hatte, waren viele dabei gewesen und hatten es als Zeugen weitererzählt. Aus diesem Grund kam ihm jetzt eine so große Menschenmenge entgegen. Sie alle hatten von dem Wunder gehört, das er vollbracht hatte. Die Pharisäer aber sagten zueinander: »Da seht ihr doch, dass wir so nicht weiterkommen! Alle Welt läuft ihm nach!« (GNB)

Die Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK an diesem Sonntag ist aus dem für heute gültigen Evangelium entnommen: „Joh 12, 14–16: Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht: Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen. Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte." (LUT)

Am heutigen Sonntag findet zudem eine Lesung statt. Sie ist aus Sacharja 9, 9 und Psalm 118, 22-26 entnommen: „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen. Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. O Herr, hilf! O Herr, lass wohlgelingen! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid.“ (LUT)

Begründung: „Im Gottesdienst zum Palmsonntag erinnern wir uns, wie Jesus unter großem Jubel der Menschen in Jerusalem eingezogen ist. Wie die Menschen zu Zeiten Jesu haben auch wir Erwartungen an Gott. Oft verstehen wir sein Handeln nicht. Der Heilige Geist ist es, der uns in die Erkenntnis Jesu Christi führt“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Die Bachkantate (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag ist: Himmelskönig, sei willkommen (BWV 182). Die Kantate ist mit großer Wahrscheinlichkeit in Bachs Weimarer Zeit entstanden. Als Textdichter wird aufgrund des Stils Salomon Franck angenommen, der zu dieser Zeit hauptsächlich für den Weimarer Hof tätig war, wenn es auch hierfür keinen eindeutigen Beleg gibt. Vermutlich wurde die Kantate am Palmsonntag, 25. März 1714 in der Weimarer Schlosskapelle uraufgeführt.

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet:
Herr, stärke mich, ein Leiden zu bedenken (T: Christian Fürchtegott Gellert 1757; M: Johann Crüger 1640 nach Guillaume Franc 1543)

Kommentar: Wie können wir uns dieser 2000 Jahre alten Jubelgeschichte aus dem Orient annähern?
Die NAK setzt den Schwerpunkt in der heutigen Sonntagspredigt auf die Erwartungen, die die damaligen Menschen an Jesus Christus hatten und nimmt zunächst die Perspektive der jubelnden Menge ein. Aus dieser Perspektive heraus wird der Gläubige heute nach seinen Erwartungen an Gott gefragt. Diese Frage wird mit der Jenseitshoffnung beantwortet. Bei gläubiger Nachfolge dürfen wir "den Himmel" erwarten. 
Die Begeisterung der Menge wird jedoch nicht durch die Erwartungen des Einzelnen oder des Volkes anstößig, sondern durch die unmittelbar bevorstehen Untaten - Folter, Schmerz und Tod. Dieser scharfe Kontrast zwischen dem Jubel und der Folter, der Begeisterung und dem Schmerz, der Lebensfreude und dem Tod, dem "Hosianna!" und dem "Kreuzigt ihn!" gehört in den Mittelpunkt der Predigt.
Existenzielle Fragen nach Leben und Sterben, nach Hoffnung und Angst, nach Verantwortung, Freiheit, Isolation, Sinn und Sinnlosigkeit sind Themen der heute beginnenden Heiligen Woche.
Der Schauspieler Roberto Guerra sagte einmal: "Ich bin zur Hälfte ein Himmelswesen und zur anderen Hälfte ein Erdgeschöpf. Ich denke, das ist human."
Gerade Predigt als Rede von Gott muss immer beide Perspektiven berücksichtigen, damit sie den Menschen erreichen kann und im oben zitierten Sinne "human" genannt werden kann. Diese Gleichzeitigkeit ist auch im Doppelgebot der Liebe angelegt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen