Samstag, 11. Juli 2015

7. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 19. Juli 2015

Einleitung: „Am dritten Sonntag im Juli wird Weitherzigkeit thematisiert. Die Begegnungen Gottes mit uns sollen uns zu einer inneren Erneuerung bestärken und bewegen. In 2 Kor warb Paulus darum, ihn als Apostel anzuerkennen und seinen Auftrag, den er von Jesus Christus erhalten hatte, zu achten. Vorbehalte kennen wir alle: Man sieht einen Menschen, und obwohl man ihn gar nicht kennt, meint man schon zu wissen, wie er sich verhalten wird. Vielleicht hat er aber sein Denken und Handeln unter zahlreichen Begegnungen mit Gott bereits erneuert! Gestehen wir doch auch unserem Nächsten zu, dass er sich in Gott erneuern will. Dabei stellt sich auch die Gegenfrage: Erkennt eigentlich unser Nächster, dass wir in der Erneuerung gewachsen sind?“

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Ein weites Herz.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „2 Kor 6, 13b: Macht auch ihr euer Herz weit.“ (LUT)

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „In einem weiten Herzen ist viel Raum für Gott und für den Nächsten.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Paulus wirbt um die Gemeinde in Korinth, die ihm mit Vorbehalten begegnet."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: „Ein weites Herz hat Raum für Gott und den Nächsten; es
  • gibt aus lauter Liebe.
  • freut sich mit dem anderen.
  • öffnet sich dem Fremden mit Verständnis.
  • zeichnet sich durch Großmut und Nachsicht aus.
  • reduziert den anderen nicht auf Äußerlichkeiten“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Verschränkt man die Predigtgrundlage mit dem Thema des heutigen Kirchensonntags, dann gibt Ps 119 eine Antwort, was es für den einzelnen Menschen bedeutet, ein „weites Herz“ zu haben. Es bedeutet letztlich in der von Gott dem Menschen zugedachten Freiheit zu leben. An dieser Stelle sei noch einmal auf das Gedicht des Theologen Ernst Lange hingewiesen, der bereits 1958 in seinem Buch "Die zehn großen Freiheiten" versucht hat, die Zehn Gebote nicht als Zwangsjacke, sondern als Orientierungshilfen für ein freies Leben zu interpretieren. Darin veröffentlichte er auch eine Fassung unter dem Titel "Du sollst frei sein.“ Du sollst frei sein, das ist die heimliche Überschrift, die über allen Geboten steht. Hört man sie mit, dann fangen die Gebote an, ganz neu zu uns zu sprechen. Dieses Gedicht ist in diesem Blog im Post zum 6. Sonntag nach Trinitatis zu finden. Und auch die Wundererzählung gibt Antworten und ist gleichzeitig Anleitung für eine lebendige Predigt.

An diesem Sonntag feiern wir den 7. Sonntag nach Trinitatis - „Ich behalte dein Wort in meinem Herzen.“
„Der 7. Sonntag nach Trinitatis geht nun auch auf die körperlichen Bedürfnisse des Menschen ein, wobei die Symbolhandlung des Abendmahls allerdings auch eine wichtige Rolle spielt. Jesu Handeln in unserem Leben macht uns frei von irdischen Bedürfnissen dadurch, dass wir sie immer erfüllt bekommen, indem wir teilhaben am Brot des Lebens. Der 6. und der 7. Sonntag nach Trinitatis könnten auch als "Sakramentssonntage" bezeichnet werden, denn an ihnen wird der Taufe und des Abendmahls in ihrer Bedeutung für das Leben des Christen gedacht. Durch die Erzählung von der Speisung der 5000 erfahren wir am 7. Sonntag nach Trinitatis, wie wunderbar Gott für uns Menschen durch die Gaben seiner Schöpfung sorgt. So können wir auch getrost darauf sehen, dass unser Nächster genug zu essen hat, und von unserem Reichtum abgeben, weil wir wissen, dass der Herr uns speisen wird, wenn wir selbst einmal Not leiden“ (www.daskirchenjahr.de).

Die Bachkantaten (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag sind:
  • Was willst du dich betrüben (BWV 107)
  • Ärgre dich, o Seele, nicht (BWV 186)
  • Es wartet alles auf dich (BWV 187)

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 119, 9-16:
Das große Loblied auf Gottes Wort
Wodurch hält ein junger Mensch seinen Lebensweg frei von Schuld? Indem er sich nach deinem Wort, ´Herr`, richtet. Von ganzem Herzen habe ich dich gesucht, lass mich nicht von deinen Geboten abirren! Auch bewahre ich im Herzen, was du gesagt hast, um nicht gegen dich zu sündigen. Gepriesen seist du, Herr! Lehre du mich, deinen Bestimmungen zu folgen! Ich selbst will weitererzählen, welche Rechtsentscheidungen du ausgesprochen hast. Es erfüllt mich mit Freude, den Weg zu gehen, den du als richtig bezeugst; darüber bin ich glücklicher als über alles, was man besitzen kann. Gerne denke ich über deine Ordnungen nach, achten will ich auf die Wege, die du vorgegeben hast. An deinen Bestimmungen habe ich große Freude, dein Wort will ich niemals vergessen. (NGÜ)

Die Epistel steht in Apg 2, 41-47.

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Joh 6, 1-15:
Jesus macht mehr als fünftausend Menschen satt
Danach fuhr Jesus über den See von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menge Menschen folgten ihm, weil sie seine Wunder an den Kranken gesehen hatten. Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich mit seinen Jüngern. Es war kurz vor dem jüdischen Passafest. Jesus blickte auf und sah die Menschenmenge auf sich zukommen. Er wandte sich an Philippus: »Wo können wir Brot kaufen, damit alle diese Leute zu essen bekommen?« Das sagte er, um Philippus auf die Probe zu stellen; er selbst wusste schon, was er tun würde. Philippus antwortete: »Zweihundert Silberstücke wären nicht genug, um so viel zu kaufen, dass jeder auch nur einen Brocken abbekommt.« Andreas, ein anderer Jünger, der Bruder von Simon Petrus, sagte: »Hier ist ein Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon bei so einer Menschenmenge?« »Sorgt dafür, dass die Leute sich setzen«, sagte Jesus. Es gab viel Gras an dem Ort. Sie setzten sich; ungefähr fünftausend Männer waren da. Jesus nahm die Brote, sprach darüber das Dankgebet und verteilte sie an die Menge. Mit den Fischen tat er dasselbe, und alle hatten reichlich zu essen. Als sie satt waren, sagte er zu seinen Jüngern: »Sammelt die Brotreste auf, damit nichts verdirbt.« Sie taten es und füllten zwölf Körbe mit den Resten. So viel war von den fünf Gerstenbroten übrig geblieben. Als die Leute das Wunder sahen, das Jesus vollbracht hatte, sagten sie: »Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll!« Jesus merkte, dass sie drauf und dran waren, ihn mit Gewalt zu ihrem König zu machen. Deshalb zog er sich wieder auf den Berg zurück, ganz für sich allein. (GNB)

Kommentar: Claußen (2013) bietet drei Deutungshorizonte oder Verstehensmöglichkeiten für diese Wundererzählung an: eine
  • eucharistische,
  • sozial-ethische und
  • rezeptionsästhetisch-symbolische.
Eine eucharistische Deutung wird vor allem durch die Wortwahl nahegelegt. So nutzt Johannes gleich zweifach den Begriff "eucharisteo" - Dank sagen für die Danksagung Jesu. Die am Ende des Mehles aufgesammelten Brotreste werden als "klasma" - Bruchstücke, Brocken bezeichnet. Dieser terminus technicus wird andernorts verwendet, wenn von dem gebrochenen Abendmahlsbrot die Rede ist. Allerdings wird bei Johannes ein "Brot brechen" gar nicht beschrieben. Und auch das kurz erwähnte Dankgebet entspricht ganz dem Gebet des Hausvaters zu Beginn einer Mahlzeit. Bei der beschriebenen Speisung handelt es sich auch nicht um ein rituelles Mahl und ein ein Abendmahl mit Brot und Fisch ist im frühen Christentum auch nicht nachweisbar. Eine eucharistische Deutung dieser Wundererzählung kann also nicht uneingeschränkt als gültig betrachtet werden.

Eine sozial-ethische Deutung nimmt den existierenden Hunger in der Welt und andere reale Mangelsituationen in den Blick und interpretiert die Wundergeschichte als Aufruf zum Teilen. Damit wird der Finger in die Wunde der nach wie vor ungerechten Verteilung der weltweiten Nahrungsmittelressourcen gelegt, der nicht einfach mit Wohltätigkeit, sondern allenfalls mit echtem Teilen zu begegnen ist. Erschreckend ist, dass jeder von uns im Durchschnitt 82 kg Lebensmittel pro Jahr weg wirft - das entspricht etwa zwei vollgepackten Einkaufswagen. Auf's ganze Land hochgerechnet ergibt das einen gewaltigen Berg von 6,7 Millionen Tonnen (Studie der Universität Stuttgart, 2012).



Eine rezeptionsästhetisch-symbolische Deutung schlägt vor, das Brot und die Fische durch Zeit, Zuhören, Phantasie und andere seltene menschliche Ressourcen zu ersetzen. So lässt sich auch eine Brücke zu den LG der NAK schlagen. In den "Ich-bin-Worten" stellt Johannes Jesus als das Brot des Lebens vor. Jesus kann, will und wird den Hunger der an ihn Glaubenden stillen (vergl. Claußen, Carsten, Mehr als ein Prophet und Brotkönig - Die Speisung der Fünftausend. In: Zimmermann, 2013, 705-715).

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