Montag, 4. Dezember 2017

2. Advent - Wie soll ich dich empfangen

Der kommende Erlöser (Gericht und Erlösung)


Das Lied "Wie soll ich dich empfangen" ist die Nr. 11 im Evangelischen Kirchengesangbuch (EKG) und die Nr. 3 im Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche (NGB).

Lieder, die auch zu diesem Sonntag gehören wie "O Heiland, reiß die Himmel auf" (EKG 7) und "Nun komm, der Heiden Heiland" (EKG 4) befinden sich gar nicht im NGB.

"Wie soll ich dich empfangen" wurde 1653 von Paul Gerhardt geschrieben.

Paul Gerhardt (* 12.3.1607 in Gräfenhainichen; † 27.5.1676 in Lübben) war ein evangelisch-lutherischer Theologe und gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlieddichter. Zum Weiterlesen: Christian Brunners (2007): Paul Gerhardt. Weg-Werk-Wirkung. 4. Auflage.

1. Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.

2. Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin,
und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis
und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.

3. Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.

4. Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott [Sünd] und Schanden, du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut.

5. Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt
als das geliebte Lieben, damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.

6. Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.

7. Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen, die ihm an euch bewusst.

8. Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern zu Trost und wahrem Heil,
schafft, dass bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.

9. Was fragt ihr nach dem Schreien der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen in einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König, dem wahrlich alle Feind
auf Erden viel zu wenig zum Widerstande seind.

10. Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.


Das Lied ist in den ersten 4 Strophen nahezu unverändert in das NGB aufgenommen worden. Lediglich das Wort "Spott" wurde durch das Wort "Sünde" ersetzt. Diese Änderung erschließt sich mir nicht. Die Strophen 5-10 haben keinen Eingang in das NGB gefunden.

"Die 2. Liedhälfte beginnt mit ernsten Tönen. Der Mensch wird sein Leben vor der Zukunft Gottes zu verantworten haben. Dennoch herrschen Ermunterung und Tröstung vor. Menschen und Gemeinde dürfen, sollen ihre von Gott her gewandelte Situation erkennen und ausleben" (Brunners, 2007, 142).

Die Eschatologie der NAK kennt einen klaren Zeit- und Ablaufplan (vergl. dazu KNK). Darin ist für die "Braut Christi" ein "Weltgerichte" nicht vorgesehen. Neuapostolische Christen glauben, dass sie zur "Braut Christi" gehören werden. Strophen, die sich mit dem "Weltgerichte" beschäftigen, bleiben darum unberücksichtigt. Auch eine zu starke Verschränkung der Weihnachtsbotschaft mit der Passionsgeschichte trübt sowohl die Weihnachtsstimmung als auch die endzeitliche Freude.

1 Kommentar:

  1. Diese Diskrepanz hat schon ein gewisser Heinz Ehrhardt erkannt:

    Feste

    Der Karpfen kocht, der Truthahn brät,
    man sitzt im engsten Kreise
    und singt vereint den ersten Vers
    manch wohlvertrauter Weise.

    Zum Beispiel “O, du fröhliche”,
    vom “Baum mit grünen Blättern” –
    und aus so manchem Augenpaar
    sieht man die Tränen klettern.

    Die Traurigkeit am Weihnachtsbaum
    ist völlig unverständlich;
    man sollte lachen, fröhlich sein,
    denn ER erschien doch endlich!

    Zu Ostern – da wird jubiliert,
    manch buntes Ei erworben!
    Da lacht man gern – dabei ist er
    erst vorgestern gestorben.

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