Sonntag, 26. Oktober 2014

20. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 02.11.2014

Einleitung: „In den Gottesdiensten dieses Monats wird die Liebe Gottes zum Menschen in unterschiedlichen Facetten beleuchtet, die schließlich Erwiderung durch den Menschen dem Nächsten gegenüber zur Folge hat: Der erste Gottesdienst im November ist der Erlösung der Entschlafenen gewidmet. So leitet der Monat in das zentrale Thema ‚Gottes Liebe‘ ein. Diese Liebe ist universell: Sie umfasst die Sünder aller Zeiten, aller Völker und Nationen, sie wirkt im Diesseits und im Jenseits.“

An diesem Sonntag feiern die neuapostolischen Christen einen sogen. Gottesdienst für die Entschlafenen (zur Sonderlehre des sogen. "Entschlafenenwesen" siehe Post vom 26.10.2014 in diesem Blog und Funkschmidt, 2014, Neuapostolische Forschung zum Entschlafenenwesen und Müller-Bahr, 2014, Sakramentale Handlungen an Toten in der NAK. Beide in: Materialdienst der EZW, 11/2014, 414-416 und 416-427). Als liturgischer Höhepunkt werden in diesen Gottesdiensten in Anwesenheit eines Apostels an lebenden Menschen, in der Regel (höhere) Amtsträger der NAK, sakramentale Handlungen stellvertretend für die bereits Verstorbenen vollzogen. Es "empfangen zwei Amtsträger für die Verstorbenen die Heilige Wassertaufe, die Heilige Versiegelung und das Heilige Abendmahl" (zitiert aus: Katechsimus der Neuapostolischen Kirche, 2012, 423). Als biblische Grundlage hierfür gibt die NAK 1. Kor 15, 29 an: "Was soll es sonst, dass sich einige für die Toten taufen lassen? Wenn die Toten gar nicht auferstehen, was lassen sie sich dann für sie taufen" (LUT)?

Mit Bezug auf die o. g. Bibelstelle attestiert Klauck den Korinthern ein "verzerrtes Taufverständnis: Manche Gemeindemitglieder (...) lassen sich ein zweites Mal taufen, stellvertretend für einen heidnischen Verwandten oder Freund, der ungetauft verstorben ist. Ihm sollen die Wirkungen der Taufe, Geistverleihung, ewige Rettung, Unsterblichkeit nachträglich noch zugute kommen" (Klauck, 1 Kor. In: Die neue Echter Bibel. Kommentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung, 115f).

Die Taufe für die Toten "lässt auf ein magisches Verständnis der Taufe schließen, das Paulus nicht teilt (vergl. 1 Kor 10, 1-5)." Paulus greift an dieser Stelle offenbar nicht strenger ein, um die noch junge "Auferstehungshoffnung" (der Korinther) nicht zu verunsichern, die die Totenauferstehung eigentlich ablehnten (ELB, 1524). Vergl. dazu auch: Wischmeyer, Paulus, 2006, 157f).

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Heil aus dem Glauben an Jesus Christus.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „Apg 10, 42-43: Er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Die Apostel bezeugen Christus als Herrn über die Lebenden und die Toten.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Kornelius beachtete die Gebote des jüdischen Gesetzes, was die Gebete und die Almosen betraf. Jedoch war er kein Jude geworden. Um seinen Willen, den Heiden das Heil zugänglich zu machen, umzusetzen, spendete Gott selbst Kornelius und seinem Haus den Heiligen Geist. Dies geschah in Gegenwart des Apostels, ein Hinweis darauf, dass Geistmitteilung und Apostelamt in enger Verbindung stehen.“

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • „Die Apostel predigen Christus, um Lebende wie Tote zum Glauben an den Herrn zu führen.
  • Mit der Annahme oder der Ablehnung Jesu Christi ist für den Menschen Heil oder Unheil verbunden, daher ist Christus Richter über Tote und Lebende“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: In dem Abschnitt Apg 10, 23b-48, der mit „Die Taufe des Kornelius“ (EU) überschrieben ist, geht es um den sogen. „Heilsuniversalismus: Kein Mensch ist unheilig oder unrein! (…) Er will das Heil aller. (…) Zwar hat Gott das Wort (der Heilsverkündigung) den Israeliten gesandt, nämlich durch den Messias Jesus; aber dieser ist der Herr aller, nicht bloß der Juden, sondern auch der Heiden. Das Verbindungsglied stellt dar: Der Frieden, den Gott durch Jesus verkünden lässt, bringt die Versöhnung der beiden. (…) Der universelle Heilswille Gottes manifestiert sich schließlich durch das Herabkommen des Heiligen Geistes auf alle“ (Mußner, 1985, 65-67).


„Am 02.11.2014 feiern wir den 20. Sonntag nach Trinitatis – Die Ordnungen Gottes – und hören die Rede Jesu über die Ehe und die Ehescheidung“ (Senftleben, 1988, 82).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 119 („Das güldene ABC“; LUT), 101-108:
„Von jedem bösen Pfad habe ich meine Füße zurückgehalten, damit ich dein Wort bewahre. Von deinen Bestimmungen gewichen bin ich nicht, denn du, du hast mich unterwiesen. Wie süß sind meinem Gaumen deine Worte, mehr als Honig meinem Mund! Aus deinen Vorschriften empfange ich Einsicht. Darum hasse ich jeden Lügenpfad! Eine Leuchte für meinen Fuß ist dein Wort, ein Licht für meinen Pfad. Ich habe geschworen und halte es aufrecht, die Bestimmungen deiner Gerechtigkeit zu bewahren. Ich bin über die Maßen gebeugt. HERR, belebe mich nach deinem Wort! Die Gaben meines Mundes lass dir doch wohlgefallen, HERR! Lehre mich deine Bestimmungen“ (ELB)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mk 10, 2-12:
"Über Ehe und Ehescheidung
Jesus brach von dort auf und ging in das Gebiet von Judäa und auf die andere Seite des Jordans. Wieder kamen die Menschen in Scharen zu ihm, und wieder lehrte er sie, wie es seine Gewohnheit war. Einige Pharisäer kamen zu Jesus und fragten ihn: 'Ist es einem Mann erlaubt, sich von seiner Frau zu scheiden?' Sie wollten ihm damit eine Falle stellen. 'Was für eine Vorschrift hat euch Mose gegeben?', fragte Jesus zurück. Sie erwiderten: 'Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau dann fortzuschicken.' Da sagte Jesus zu ihnen: 'Nur wegen eurer Uneinsichtigkeit hat Mose euch diese Vorschrift gegeben. Am Anfang jedoch, bei der Schöpfung, hat Gott die Menschen als Mann und Frau erschaffen. 'Deshalb wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Leib sein.' Sie sind also nicht mehr zwei, sondern sie sind ein Leib. Darum: Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.' Zu Hause wollten die Jünger noch mehr darüber wissen. Jesus sagte zu ihnen: 'Wer sich von seiner Frau scheidet und eine andere heiratet, begeht Ehebruch gegenüber seiner ersten Frau. Und auch umgekehrt: Wenn eine Frau sich von ihrem Mann scheidet und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch'" (NGÜ).

Kommentar: "Die Ehe ist in den antiken mediterranen Kulturen eine Verbindung zwischen zwei Familien. (...) Die eheliche Verbindung hat ökonomische, politische und verwandtschaftliche Aspekte. Vor allem aber geht es um die Verbindung der Ehre zweier Familien. War die Frau zuvor in die Ehre ihrer Herkunftsfamilie (repräsentiert durch den Patriarchen) eingebettet, so ist sie mit der Heirat in die Ehre der Familie des Ehemannes eingebettet. Nach gemeinsamer Auffassung der mediterranen Gesellschaften kann eine Ehefrau die Ehre ihres Ehemannes verletzen, dass heißt über ihn Schande bringen. Diese Entehrung geschieht in der Regel dann, wenn eine Ehefrau eine sexuelle Beziehung zu einem anderen Mann hat oder sich unzüchtig benimmt (Haare offen und aufgelöst tragen, nicht korrekt gekleidet sein). Die Auflösung einer Ehe wird so betrachtet zu einem hochkomplizierten sozialen Akt, die den zentralen Werte-Code 'Ehre und Schande' paradigmatisch berührt.
Jesus hat die Ehe als eine auf Lebensdauer angelegte neue Verwandtschaftsbindung verstanden, die im Schöpfungswillen Gottes intendiert ist: Die Schöpfung getrennter Geschlechter ist Basis eines in der Ehe neu entstandenen 'Körpers', nämlich einer neuen Familie. Wiederheirat nach Auflösung der Ehe ist Ehebruch, die größtmögliche Form der Ehrverletzung für einen Mann in der antiken mediterranen Kultur" (Stegemann, 2010, 286-288).
Offenbar sieht Jesus die Trennung des Menschen und ein "irgendwie wieder zusammenführen" des Menschen als Ehrverletzung dem Vater, dem Schöpfer gegenüber, an. Hier ist Jesus ganz dem antiken mediterranen Denken verhaftet und tief in dieser Kultur verwurzelt. Dem westlich aufgeklärten Denken ist diese Anschauung heute sehr fremd.

Donnerstag, 23. Oktober 2014

19. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 26.10.2014

Einleitung: „In der Themenreihe des Monats Oktober werden die 'Wirkungen des Glaubens' angesprochen. In Jak 2, 26 lesen wir: 'Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.' Ein rechtes Glaubensleben, welches keine praktischen Wirkungen zeigt, ist undenkbar. (…) Am letzten Sonntag des Monats bereiten wir uns auf den Gottesdienst für die Entschlafenen vor. Der Gottesdienst trägt den Titel 'Glaubensgewissheit' – ohne Frage eine Wirkung des Glaubens (Hebr 11, 1)! Die im Vorbereitungsgottesdienst erwähnten Freunde des Gelähmten zeigen, dass Glaubensgewissheit bereit ist, etwas zu wagen. An diesen Männern erkennen wir Wirkungen der Glaubensgewissheit. Sie können als: 'Der Mutige', 'der Mitleidende', 'der Kämpfer', 'der wahre Freund' bezeichnet werden.“ Es wird ausdrücklich ein Bezug zum Evangelium des Jahreskreises hergestellt (s. u.).

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Glaubensgewissheit.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Jak 5, 15a: „Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten.“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wir beten für Seelen in der jenseitigen Welt – das Heil aber schenkt Gott!“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Jakobusbrief greift Fragen auf, die unmittelbar die Lebenspraxis betreffen, etwa den Zusammenhang von Glauben und Werken, von Armut und Reichtum, vom Schwören, von der Bedeutung des Gebets und vom Umgang mit Sündern in der Gemeinde.“ 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
Unsere Gebete gelten den „Kranken“, die sich in der jenseitigen Welt in Gottferne, Unglauben, Verbitterung und Enttäuschung befinden. Unsere Gebete sind dabei getragen vom Glauben 
  • an die Allmacht Gottes;
  • an die Liebe Gottes;
  • an die Gnade Gottes. 
Wir sind gewiss: Gott wird helfen “ (alle Zitate aus den o. g. LG)!

Kommentar: „Der Glaube derer, die durch Gottes Wort neu geboren sind, muss sich durch Wort und Tat bewähren. Besonderes Gewicht legt der Jak auf das Wort. In jedem Kapitel wird durchgespielt, was Gottes Wort an den Menschen ist und wie der Mensch sich auch in seinen Worten bewährt (z. B. Gebet, nicht schwören;“ aus: BNÜ, Einleitung zum Jak). So wird den Kranken das Wort Gottes zur Genesung (siehe auch unten das Evangelium zum heutigen Sonntag).

Eine wesentliche Sonderlehre der NAK ist das sogenannte "Entschlafenenwesen." "Dreimal jährlich (...) finden Gottesdienste für Entschlafene statt. In Hinblick darauf beten die neuapostolischen Christen auch dafür, dass unerlöst Verstorbene das Heil in Christus finden. (...) Am Sonntag zuvor bereiten sich die Gemeinden im Gottesdienst darauf vor. Barmherzigkeit und Mitempfinden sollen zur Fürbitte für unerlöst Verstorbene anregen" (zitiert aus: KNK, 423). Ein solcher Gottesdienst findet auch am 26.10.2014 statt. Die Erlösung steht im engen Zusammenhang mit dem Kirchen- und damit Selbstverständnis der NAK, demnach Kirche dort am deutlichsten zutage träte, "wo das Apostelamt, die Spendung der drei Sakramente an Lebende und Tote sowie die rechte Wortverkündigung vorhanden ist. Dort ist das Erlösungswerk des Herrn aufgerichtet" (KNK, 281). Die Erlösungslehre (Seteriologie) der NAK ist also stark an das Apostelamt gebunden, wobei der NAK zwischen dem Apostelamt (gemeint sind die heute aktiven Apostel der NAK = Apostolat), den Aposteln aus den biblischen Erzählungen und dem "apostolischen Prinzip" unterscheidet. Zum Problem der Apostolizität und der apostolischen Sukzession siehe Schneider, 2006, HB der Dogmatik, „Ekklesiologie“, 47ff, insb. 131-134); Obst, 1996; Funkschmidt, Ökumenische Annäherungen und Bickelhaupt, Kirche und christliche Initiation. Beide in: Funkschmidt, 2013.

Demgegenüber ist die Seteriologie der Katholischen Kirche klar auf Christus bezogen. Christus wir als "Ort der Seteriologie" bezeichnet. Christologie und Erlösungslehre sind nicht voneinander zu trennen (vergl. Schneider, 2006, HB der Dogmatik, "Christologie", 241ff). In der evangelischen Dogmatik wird die Erlösung im Zusammenwirken des Dreieinigen Gottes betrachtet und als "das befreiende Heilswerk in Jesus Christus" bezeichnet. Die Seteriologie wird eng mit dem Gnadenbegriff, dem Gerechtigkeitsbegriff und mit der Rechtfertigungslehre verknüpft. "Gnade ist nach biblischen Verstehen ein Geschehen ohne menschliches Zutun und nicht von Gott trennbar (auch nicht im Sinne treuhänderischer Verfügbarkeit durch Menschen), (...). Gottes Gerechtigkeit ist ein Handeln, das Heil und Errettung schafft“ (Thiele, 1996, 286ff). 


„Am 26.10.2014 feiern wir den 19. Sonntag nach Trinitatis – Heilung an Leib und Seele – und hören die Erzählung von der Heilung eines Gelähmten ('Der Gichtbrüchige'“; Senftleben, 1988, 81).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 31: 
"Glücklich der Mensch, dessen Schuld vergeben ist!
Glücklich zu preisen ist der Mensch, dem seine Treulosigkeit Gott gegenüber vergeben und dessen Sünden zugedeckt sind. 
Ja, der ist wahrhaft glücklich zu nennen, dem der Herr die Schuld nicht anrechnet und der durch und durch aufrichtig ist. 
Solange ich meine Schuld verschwieg, wurde ich von Krankheit zerfressen, den ganzen Tag habe ich nur gestöhnt. 
Tag und Nacht lastete deine Hand auf mir. Da verging mir aller Lebensmut, ich verlor jede Kraft wie unter stechender Sonnenglut.
Dann endlich bekannte ich dir meine Sünde, meine Schuld verschwieg ich nicht länger vor dir6. Ich sagte: »Ich will dem Herrn alle meine Vergehen bekennen.« Und du – ja, du befreitest mich von der Last meiner Sünde.
Darum soll jeder, der dir treu ist, zu dir beten, solange du dich finden lässt. Und er darf erleben: Selbst wenn die Not ihn bedrängt wie eine gewaltige Flut – sie wird ihm nicht schaden können.
Du, ´Gott`, bist mein sicherer Zufluchtsort, mein Schutz in Zeiten der Not. Wohin ich mich auch wende – deine Hilfe kommt nie zu spät. Darüber juble ich vor Freude. ´Du hast zu mir gesagt:`»Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst. Ich will dich beraten und immer meinen Blick auf dich richten.« 
Seid nicht wie Pferde oder Maultiere, denen der Verstand fehlt und deren Schmuck aus Zaum und Zügel besteht. Damit muss man sie zähmen, denn sonst gehorchen sie ja nicht. 
Viele Schmerzen muss erleiden, wer sich von Gott abwendet, doch wer auf den Herrn vertraut, den umgibt er mit seiner Gnade. 
Freut euch über den Herrn und jubelt laut, die ihr nach seinem Willen lebt! Ihr alle, deren Herz aufrichtig ist, singt vor Freude" (NGÜ)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mk 2, 1-12:
"Jesus heilt einen Gelähmten 
Einige Tage später kam Jesus nach Kafarnaum zurück, und bald wusste jeder, dass er wieder zu Hause war. Die Menschen strömten so zahlreich zusammen, dass kein Platz mehr blieb, nicht einmal draußen vor der Tür. Jesus verkündete ihnen die Botschaft Gottes. Da brachten vier Männer einen Gelähmten herbei, aber sie kamen wegen der Menschenmenge nicht bis zu Jesus durch. Darum stiegen sie auf das flache Dach, gruben die Lehmdecke auf und beseitigten das Holzgeflecht, genau über der Stelle, wo Jesus war. Dann ließen sie den Gelähmten auf seiner Matte durch das Loch hinunter. Als Jesus sah, wie groß ihr Vertrauen war, sagte er zu dem Gelähmten: 'Mein Kind, deine Schuld ist vergeben!' Da saßen aber einige Gesetzeslehrer, die dachten bei sich: 'Was nimmt der sich heraus! Das ist eine Gotteslästerung! Nur Gott kann den Menschen ihre Schuld vergeben, sonst niemand!' Jesus erkannte sofort, dass sie das dachten, und fragte sie: 'Was macht ihr euch da für Gedanken? Was ist leichter – diesem Gelähmten zu sagen: ›Deine Schuld ist dir vergeben‹, oder: ›Steh auf, nimm deine Matte und geh umher‹? Aber ihr sollt sehen, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Schuld zu vergeben!' Und er sagte zu dem Gelähmten: 'Ich befehle dir: Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause!' Der Mann stand auf, nahm seine Matte und ging vor aller Augen weg. Da waren sie alle außer sich; sie priesen Gott und sagten: 'So etwas haben wir noch nie erlebt'" (GNB)!

Kommentar: "Die Krankheit des Gelähmten impliziert von der Wortbedeutung her den Gedanken der Auflösung (paralysis). Dieser Art der Krankheit rührt nach antiker Vorstellung an die Spähre des Todes. Die Bewegungsunfähigkeit aufgrund von Lähmung steht im Altertum für den Verlust von Kraft und Empfindungen. (...) Sie resultiert in diesem Kontext aus Sünde, d. h. einer spirituellen Verfehlung, und verweist auf die Schuld vor Gott. Als Strafe begriffen macht sie die Notwendigkeit der Vergebung sichtbar. Gesundung setzt die Wiederherstellung einer heilen Gottesbeziehung voraus bzw. geht mit ihr einher." Die Heilung nach der Sündenvergebung dient dem Gelähmten und der Umgebung dazu, die Rückkehr in die bleibende Gottesgemeinschaft zu verdeutlichen. Die Wunderheilung macht also "nur" das Wunder der Sündenvergebung sichtbar (Dazu ausführlich: Klumbies, Die Heilung eines Gelähmten und vieler Erstarrter (Die Heilung eines Gelähmten). In: Zimmermann, 2013, 235-247).




Dieterich Buxtehude (1637-1707): Wo soll ich fliehen hin (BuxWV 112).Veröffentlich am 02.07.2014.

Montag, 13. Oktober 2014

18. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 19.10.2014

Einleitung: „In der Themenreihe des Monats Oktober werden die 'Wirkungen des Glaubens' angesprochen. In Jak 2, 26 lesen wir: 'Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.' Ein rechtes Glaubensleben, welches keine praktischen Wirkungen zeigt, ist undenkbar. (...) Als eine Wirkung des Glaubens wird uns am dritten Sonntag im Oktober der 'Glaubensgehorsam' vermittelt. Selbst wenn wir einmal Verhaltensweisen in der Kirche oder des Nächsten nicht verstehen, so bemühen wir uns dennoch, dem Willen Gottes gehorsam zu sein. Wenn Maria, die Mutter Jesu, den Dienern empfahl: 'Was er euch sagt, das tut', dann zeigte sich darin Weisheit und Erfahrung der Glaubenden. Glaubensgehorsam ist nichts Erzwungenes, sondern Wirkung eines bewährten Glaubens! Im Befolgen des Willens Gottes konnten die Menschen das Wunder erleben, das Jesus unter ihnen tat."

Die Überschrift der LG lautet: "Tun, was Jesus sagt!"

Die Predigtgrundlage für die Gottesdienste steht bei: "Joh, 2, 5: Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut."

Als Kernbotschaft wird formuliert: "Wer die Weisungen des Herrn befolgt, erlebt die Wirkungen der göttlichen Macht."

Das Bibelwort wird in den folgenden Kontext gestellt: "Das Wunder zu Kana wird als das erste Zeichen Jesu (V 11) bezeichnet. Es ist kein Selbstzweck, sondern Zeugnis seiner Vollmacht und Göttlichkeit. Jesus zeigt gegenüber seiner Mutter Maria eine ungewöhnliche Distanz. Er begründet dies mit der Feststellung: 'Meine Stunde ist noch nicht gekommen' (V 4). Die Mutter tritt zurück und weist die Diener an, auf Jesu Wort zu hören. Obwohl Jesus nur Gast ist, gibt er Anweisungen. Dies kann als Hinweis seiner Besonderheit und Vollmacht verstanden werden. Das ganze Geschehen macht deutlich, dass es darauf ankommt, das zu tun, was Jesus sagt." 

Schließlich werden die LG wie folgt zusammengefasst:
  • Gott redet durch seinen Geist zu den Menschen und tut so seinen Willen kund.
  • Die göttlichen Weisungen gilt es uneingeschränkt umzusetzen.
  • Glaubensgehorsam führt zum Erleben der Allmacht Gottes und zum ewigen Heil. 

Kommentar: Es handelt sich hier um die erste Wundererzählung, die von Johannes berichtet wird. Zur weiteren Kommentierung siehe den Post "2. Sonntag nach Epiphanias - Kommentar zu den LG vom 19.01.2014."


"An diesem Sonntag feiern wir den 18. Sonntag nach Trinitatis und wir hören das Evangelium über das 'höchste Gebot', das sowohl von der Gottesliebe als auch der Nächstenliebe redet. Dies gibt uns erneut Gelegenheit, über das Verhältnis der Christen zum jüdischen Volk nachzudenken, denn dieses höchste Gebot stammt in seiner zweifachen Ausrichtung vollständig aus der jüdischen Tradition. (...) Wir hören die Antwort Jesu auf die Frage, was das höchste Gebot sei, als das Gebot, nach dem wir unser Leben ausrichten sollen. Es ist nicht leicht, diesem Gebot in jeder Situation zu folgen, und wir erfahren oft, dass wir an Gott und unserem Nächsten schuldig werden. Um so wichtiger ist für uns, dass einer dieses Gebot vollständig erfüllt hat: Jesus Christus" (Senftleben, 1988).

Der Wochenpsalm für diese Woche ist der "Psalm 1:
Zwei Wege zur Wahl
Glücklich zu preisen ist, wer nicht dem Rat gottloser Menschen folgt, wer nicht denselben Weg geht wie jene, die Gott ablehnen, wer keinen Umgang mit den Spöttern pflegt. 'Glücklich zu preisen ist', wer Verlangen hat nach dem Gesetz des Herrn und darüber nachdenkt Tag und Nacht. Er gleicht einem Baum, der zwischen Wasserläufen gepflanzt wurde: zur Erntezeit trägt er Früchte, und seine Blätter verwelken nicht. Was ein solcher Mensch unternimmt, das gelingt. Ganz anders ist es bei den Gottlosen: Sie gleichen der Spreu, die der Wind wegweht. Darum können sie auch nicht bestehen, wenn Gott Gericht hält. Wer Gott ablehnt, hat keinen Platz in der Gemeinde derer, die nach seinem Willen leben! Der Herr wacht schützend über dem Weg der Menschen, die seinen Willen tun. Der Weg aber, den die Gottlosen gehen, führt ins Verderben"(NGÜ).

Das Evangelium steh bei "Mk 12, 28-34:
Die Frage nach dem höchsten Gebot
Und es trat zu ihm einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: 'Welches ist das höchste Gebot von allen?' Jesus aber antwortete ihm: 'Das höchste Gebot ist das: 'Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften'. Das andre ist dies: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst' (Lev 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.' Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: 'Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur 'einer', und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.' Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: 'Du bist nicht fern vom Reich Gottes.' Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen"(LUT).

Kommentar: In seiner Antwort und Auslegung bezieht sich Jesus wieder auf das Grundgebet des auserwählten Volkes: "Höre, Israel." Es wird deutlich, dass Jesus fest im jüdischen Glauben verankert ist. Zur Weiteren Kommentierung siehe den Post "Sexagesimae - Kommentar zu den LG vom 23.02.2014."

Freitag, 3. Oktober 2014

17. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 12.10.2014

Einleitung: „In der Themenreihe des Monats Oktober werden die 'Wirkungen des Glaubens' angesprochen. In Jak 2, 26 lesen wir: 'Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.' Ein rechtes Glaubensleben, welches keine praktischen Wirkungen zeigt, ist undenkbar.
Am zweiten Sonntag im Oktober wird eine heilsnotwendige Wirkung des Glaubens deutlich: das Einssein in Jesus Christus! Die geeinte Gemeinde hat mehr aufzuweisen als nur eine gute Stimmung. Sie hat Jesus Christus in ihrer Mitte und damit haben alle Mitglieder das gleiche Ziel, die gleiche Verheißung und den gleichen Auftrag, dem Herrn zu dienen. Die Gemeinde sieht sich aber auch dem gleichen Feind gegenübergestellt, der in 1Petr 5, 8 als Widersacher erkannt und als 'brüllender Löwe' bezeichnet wird.

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Gegenwart Jesu Christi.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „Mt 18, 19-20: Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wenn wir uns im Namen Jesu Christi versammeln und gemeinsam beten, ist der Herr in unserer Mitte.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Das Gebet 'Unser Vater' ist ein Gebet, das die Gemeinde miteinander spricht. Es ist von daher nicht nur ein persönliches Gebet, sondern eine gemeinschaftliche Fürbitte, wo jeder für den anderen betet.“

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:

  • Jesus ist in der Mitte der Gemeinschaft derer, die ihn zum Mittelpunkt ihres Lebens machen.
  • Eine Gemeinde, deren Mitglieder eins sind im Gebet, ist eine starke und gesegnete Gemeinde.
  • Eine Gemeinde, die an die Wirkung des gemeinsamen Gebetes 'Herr, komme bald' glaubt, bereitet sich aktiv auf die Wiederkunft Christi vor“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Bereits an dieser Stelle sei auf den zweiten Kommentar (s. u.) hingewiesen, der sich mit der Universalität der Sendung Christi auseinandersetzt.

Die oben angegebene Bibelstelle, und somit Predigtgrundlage, ist, zum besseren Verständnis, in einem größeren Wortzusammenhang einzubetten. Hier zunächst Mt 18, 15-20:
 „Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde
Sündigt aber dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.
Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde.
Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und Zöllner.
Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.
Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel.
Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen (LUT).

Dieser Abschnitt (Die Sorge für den sündigen Bruder und die sündige Schwester)* ist zwischen der Geschichte „Vom verlorenen Schaf“ (Die Verantwortung für die „Kleinen“ in der Gemeinde)* und dem Abschnitt „Von der Vergebung“ (Die Pflicht zu schrankenloser Vergebung)* platziert.

*) Diese Überschriften sind aus Fiedler, 2006 entnommen.


„Um dem Text gerecht zu werden, der mit 'Jesus setzt Grenzen, um die Gemeinde zu erhalten' überschrieben ist, muss man zweierlei wissen: erstens, dass er der Auslegung des Liebesgebotes (Lev 19, 17f) dient (…). Beim Liebesgebot geht es nicht um ein 'universales Umarmen der Menschheit', sondern sehr konkret um den Umgang mit Fehlern des Nächsten und zweitens, dass hier eine Auslegung der Regel von den zwei bis drei Zeugen (Dtn 19, 15) vorliegt; für jeden 'Fall' sollen zwei, wenn nicht drei Zeugen gehört werden.“ Es geht um ein Zurechtweisen, Zurückbringen (das verlorene Schaf), Erhalten und Neu-Anfangen (von der Vergebung) ohne Gesichtsverlust und ohne „Vorführ-Effekt.“ Die Forderung nach den zwei bis drei Zeugen, kann heute durch drei Instanzen erfüllt werden: „unter vier Augen – vor Zeugen – vor der Gemeinde“ (Berger, 2007, A, 224-227).


Am 12.10.2014 feiern wir den 17. Sonntag nach Trinitatis – Sieghafter Glaube – und wir hören die Geschichte von der kanaanäischen Frau, deren Glaube Jesus zum Handeln bewegt“ (Senftleben, 1988, 80).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 25:
„Die Bitte um Vergebung und Leitung
Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, auf dich vertraue ich. Lass mich nicht scheitern, lass meine Feinde nicht triumphieren! Denn niemand, der auf dich hofft, wird zuschanden; zuschanden wird, wer dir schnöde die Treue bricht. Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade! Führe mich in deiner Treue und lehre mich; denn du bist der Gott meines Heiles. Auf dich hoffe ich allezeit. Denk an dein Erbarmen, Herr, und an die Taten deiner Huld; denn sie bestehen seit Ewigkeit. Denk nicht an meine Jugendsünden und meine Frevel! In deiner Huld denk an mich, Herr, denn du bist gütig. Gut und gerecht ist der Herr, darum weist er die Irrenden auf den rechten Weg. Die Demütigen leitet er nach seinem Recht, die Gebeugten lehrt er seinen Weg. Alle Pfade des Herrn sind Huld und Treue denen, die seinen Bund und seine Gebote bewahren. Um deines Namens willen, Herr, verzeih mir; denn meine Schuld ist groß. Wer ist der Mann, der Gott fürchtet? Ihm zeigt er den Weg, den er wählen soll. Dann wird er wohnen im Glück, seine Kinder werden das Land besitzen. Die sind Vertraute des Herrn, die ihn fürchten; er weiht sie ein in seinen Bund. Meine Augen schauen stets auf den Herrn; denn er befreit meine Füße aus dem Netz. Wende dich mir zu und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und gebeugt. Befrei mein Herz von der Angst, führe mich heraus aus der Bedrängnis! Sieh meine Not und Plage an und vergib mir all meine Sünden! Sieh doch, wie zahlreich meine Feinde sind, mit welch tödlichem Hass sie mich hassen! Erhalte mein Leben und rette mich, lass mich nicht scheitern! Denn ich nehme zu dir meine Zuflucht. Unschuld und Redlichkeit mögen mich schützen, denn ich hoffe auf dich, o Herr. O Gott, erlöse Israel aus all seinen Nöten“ (EU)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mt 15, 21-28:
„Das Vertrauen einer nichtjüdischen Frau
Jesus verließ die Gegend und zog sich in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Eine kanaanitische Frau, die dort wohnte, kam zu ihm und rief: 'Herr, du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Meine Tochter wird von einem bösen Geist sehr geplagt.' Aber Jesus gab ihr keine Antwort. Schließlich drängten ihn die Jünger: 'Sieh zu, dass du sie los wirst; sie schreit ja hinter uns her!' Aber Jesus sagte: 'Ich bin nur zum Volk Israel, dieser Herde von verlorenen Schafen, gesandt worden.' Da warf die Frau sich vor Jesus nieder und sagte: 'Hilf mir doch, Herr!' Er antwortete: 'Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden (besser: (Haus-) Hündchen) vorzuwerfen.' 'Gewiss, Herr', sagte sie; 'aber die Hunde (besser: (Haus-) Hündchen) bekommen doch wenigstens die Brocken, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen.' Da sagte Jesus zu ihr: 'Du hast ein großes Vertrauen, Frau! Was du willst, soll geschehen.' Im selben Augenblick wurde ihre Tochter gesund“ (GNB).

Kommentar: Aus heilsuniversalistischer Perspektive ist die Wundererzählung geradezu programmatisch komponiert: Jesus ist nur zu den Schafen des Hauses Israels gesandt (V 15, 24). Diese Exklusivität wird durch die Argumentation einer kanaanäischen Frau mit einer kranken Tochter, ohne patriarchale Familienstrukturen im Hintergrund, durchbrochen. Die Krankheit der Tochter symbolisiert ein in religiöser, ethnischer und kultureller Hinsicht außenstehendes Paar,  da die als dämonische Besessenheit (Mt 15, 23) bezeichnete Erkrankung mit Ausgrenzung, Unreinheit und Stigmatisierung verbunden ist. Trotzdem entsteht ein Dialog "auf Augenhöhe" und ein Heilungswunder. Dadurch wird vorweg genommen, was Jesus später, als Auferstandener, kundtun wird: das Heil ist offen für alle Völker (Mt 28, 19f). In der Wundergeschichte ist entscheidend, dass die Kanaanäerin Jesus zwar als den Messias Israels erkennt und die heilsgeschichtliche Vorrangstellung Israels anerkennt, aber zugleich argumentiert, dass dieses Heil auch auf die Heiden ausstrahlt. Damit akzeptiert sie, dass der Messias Israels auch den Heiden Heil bringt.
Parallel zu dieser Wundererzählung kann die Erzählung vom Hauptmann von Kafarnaum (Mt 5, 5-13) gelesen werden. 
Beide Figuren durchbrechen die eng gezogenen Grenzen religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit, indem sie als Außenstehende erkennen und anerkennen, dass Jesus der davidische Messias ist. Zwar impliziert diese Erkennt noch keine Nachfolge, aber sie weist voraus auf den offenen Schluss des Evangeliums, nämlich die eschatologische Vollendung und die universale Mission (Mt 28, 19f; vergl. Uta Poplutz, Das Heil an den Rändern Israels, 471f. In: Zimmermann, 2013, 465-473).