Der Schmerzensmann - Jesu Einzug in Jerusalem
Wochenspruch: Joh 3, 14-15:
„Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (LUT)
„Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.“ (EU)
Wochenpsalm: Psalm 69:
In Schmach, Schande und Scham
Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen. Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott. Die mich ohne Grund hassen, sind mehr, als ich Haare auf dem Haupt habe. Die mir ohne Ursache feind sind / und mich verderben wollen, sind mächtig. Ich soll zurückgeben, was ich nicht geraubt habe. Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen. Lass nicht zuschanden werden an mir, die deiner harren, Herr, HERR Zebaoth! Lass nicht schamrot werden an mir, die dich suchen, Gott Israels! Denn um deinetwillen trage ich Schmach, mein Angesicht ist voller Schande. Ich bin fremd geworden meinen Brüdern und unbekannt den Kindern meiner Mutter; denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen. Ich weine bitterlich und faste, und man spottet meiner dazu. Ich habe einen Sack angezogen, aber sie treiben ihren Spott mit mir. Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und beim Zechen singt man von mir. Ich aber bete, HERR, zu dir zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe. Errette mich aus dem Schlamm, dass ich nicht versinke, dass ich errettet werde vor denen, die mich hassen, und aus den tiefen Wassern; dass mich die Wasserflut nicht ersäufe / und die Tiefe nicht verschlinge und das Loch des Brunnens sich nicht über mir schließe. Erhöre mich, HERR, denn deine Güte ist tröstlich; wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knecht, denn mir ist angst; erhöre mich eilends. Nahe dich meiner Seele und erlöse sie, erlöse mich um meiner Feinde willen. Du kennst meine Schmach, meine Schande und Scham; meine Widersacher sind dir alle vor Augen. Die Schmach bricht mir mein Herz und macht mich krank. Ich warte, ob jemand Mitleid habe, aber da ist niemand, und auf Tröster, aber ich finde keine. Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken für meinen Durst. Ihr Tisch werde vor ihnen zur Falle, zur Vergeltung und zum Strick. Ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht sehen, und ihre Hüften lass immerfort wanken. Gieß deine Ungnade über sie aus, und dein grimmiger Zorn ergreife sie. Ihre Wohnstatt soll verwüstet werden, und niemand wohne in ihren Zelten. Denn sie verfolgen, den du geschlagen hast, und reden gern von dem Schmerz derer, die du hart getroffen hast. Lass sie aus einer Schuld in die andre fallen, dass sie nicht kommen zu deiner Gerechtigkeit. Tilge sie aus dem Buch des Lebens, dass sie nicht geschrieben stehen bei den Gerechten. Ich aber bin elend und voller Schmerzen. Gott, deine Hilfe schütze mich! Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will ihn hoch ehren mit Dank. Das wird dem HERRN besser gefallen als ein Stier, der Hörner und Klauen hat. Die Elenden sehen es und freuen sich. Die ihr Gott sucht, euer Herz lebe auf! Denn der HERR hört die Armen und verachtet seine Gefangenen nicht. Es lobe ihn Himmel und Erde, die Meere und alles, was sich darin regt. Denn Gott wird Zion helfen / und die Städte Judas bauen, dass man dort wohne und sie besitze. Und die Kinder seiner Knechte werden sie erben, und die seinen Namen lieben, werden darin bleiben. (LUT)
Die Predigtgrundlage der NAK vom 09.04.2017 ist aus „Mk 11, 17: Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: ‚Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker?‘ Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“ (LUT1984)
Die Predigtgrundlage der NAK ist in den folgenden Kontext eingebettet: Mk 11, 12-26:
Der verdorrte Feigenbaum. Jesus im Tempel
Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn. Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das. Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an, hinauszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trüge. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. Und es kam vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre. Und am Abend gingen sie hinaus vor die Stadt. Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis zur Wurzel. Und Petrus erinnerte sich und sprach zu ihm: Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt Glauben an Gott! Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen würde, was er sagt, so wird's ihm geschehen. Darum sage ich euch: Alles, was ihr betet und bittet, glaubt nur, dass ihr's empfangt, so wird's euch zuteilwerden. Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen. (LUT)
Kommentar: Der Palmsonntag leitet die Karwoche ein. Der biblische Hintergrund ist durch die Evangeliumslesung vom Einzug Jesu in Jerusalem beschrieben (vergl. Mt 21, 1-9; Mk 11, 1-10; Lk 19, 28-38; Joh 12, 12-19).
- In der katholischen Tradition wird vor der Messe zur „Feier des Einzugs Christi in Jerusalem“ eine Prozession zur Kirche begleitet durch liturgische Gesänge durchgeführt.
- In der evangelischen Tradition wird eine gemeinsamer Einzug nicht durchgeführt.
- Der neuapostolischen Ordnung ist der Gedanke eines gemeinsamen Einzugs mit Chor oder Gemeinde gänzlich fremd.
Allen gemeinsam ist jedoch, dass, mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und Liturgie, am heutigen Sonntag der Einzug Jesu in Jerusalem gedacht wird (siehe dazu ausführlich Bieritz, 2014, 199-203).
Die Predigtgrundlage für die Gottesdienste in der NAK ist derjenigen Begebenheit entnommen, die unmittelbar nach der Geschichte vom „Einzug in Jerusalem“ folgt. Diese Episode ist die Evangeliumslesung für den heutigen Palmsonntag (Mt 21, 1-11).
Die Auswahl der Predigtgrundlage in der NAK für diesen Sonntag wird so begründet: „Am zweiten Sonntag des Monats, dem Palmsonntag, gedenken wir des Einzugs Jesu in Jerusalem. Der Gottesdienst handelt von der Tempelreinigung, die Jesus in diesem Zusammenhang vollzieht. Hat Jesus damals den Tempel von den Dingen befreit, die einen geschäftlichen Charakter hatten und so den Zugang zum Heil behinderten, so veranlasst uns heute dieses Geschehen darauf zu achten, dass das Haus Gottes in uns als Bethaus geheiligt und offen für Gottes Erlösungswirken bleibt“ (zitiert aus den Leitgedanken zum Gottesdienst 3/17, 3).
"Die kleine Geschichte von der Verfluchung des Feigenbaums steht unmittelbar nach nach Jesu Einzug in Jerusalem. (...) Sie ist eng mit der Tempelaktion verzahnt, in dem Jesus die Verkäufer im Tempel hinaustreibt und die Tische der Geldwechsler umstößt (vergl. Mk 11, 15). (...) In der Antike allgemein verbreitet ist die Verbindung von Bäumen mit Herrschern und deren Einflussbereich, für Sicherheit, Frieden, Segen und Wohlstand. (...) Insofern Auftreten und Basileia [Reich-Gottes]-Verkündigung Jesu im Markusevangelium fast durchgängig vor der Folie römischer Machtansprüche lesbar sind, macht es daher Sinn, den Fluch über den Feigenbaum als eschatologischen Herrschaftswechsel zu lesen" (Zimmermann, 2013, 373). Frieden, Sicherheit, Segen und Wohlstand kann kein irdischer Herrscher schaffen, sondern Gott allein.
Wendet man die Geschichte ins individualpsychologische, so steht der Feigenbaum für das Leben und Wirken Jesu. Er erkennt, dass seine Mühen, seine Predigten und seine Botschaft "fruchtlos" geblieben sind und resigniert. Nicht das Volk ist "verstockt", obwohl hoffnungsvolle Anzeichen ("Blätter") da waren, sondern er selbst ist gescheitert. Der Frust und die Enttäuschung entlädt sich in der "Reinigung des Tempels." "Das Hoffnungspotential der Feigenbaum-Geschichten wird dann (erst) in der mystischen Tradition wirksam: Im Hintergrund mancher Darstellungen des Schmerzensmannes ist ein fruchttragender Feigenbaum zu sehen." Siehe dazu z. B. Ernest Renan: Christus in der Kunst (SR. Margareta Gruber (2007): Gerichtskonsequenz oder Gnadenchance? (Der unfruchtbare Feigenbaum). In: Zimmermann, Ruben: Kompendium der Gleichnisse Jesu, 579-585). Der Feigenbaum als "Baum des Lebens" bietet sich als weitere Interpretationsfolie an (vergl. Gen 3).
Um den Feigenbaum-Geschichten in den Evangelien gerecht zu werden, sollten diese synoptisch betrachtet werden (vergl. dazu Lk 13, 6-9; Mk 13, 28f; Mt 21, 18-22; Mk 11, 12-14 und 20-25) und immer auch in der Tradition des AT (vergl. z. B. Joel 1, 7; Am 4, 9; Hos 2, 14; Jer 5, 17 und 8, 13 Jes 28, 4).
Johannes verknüpft die Lebensgeschichte Jesu auch hier wieder mit den entsprechenden stellen des AT. Konsequent wird unter Bezugnahme des AT das Leben Jesu komponiert mit dem Ziel der Verherrlichung Jesu als Messias. Vergl. dazu Wengst (2000) oder auch die Einleitungen zum Joh-Ev in den angegebenen Bibelübertragungen. Der Wochenpsalm steht in einem scharfen Kontrast zu dem bejubelten Einzug in Jerusalem und nimmt die kommenden Leiden und die mit dem Tode Jesu verknüpfte Verheißung vorweg. Dadurch entsteht auch eine Verknüpfung zur "Feigenbaumgeschichte" (s. o.) und somit zu der Aussage, dass Sicherheit, Frieden, Segen und Wohlstand kein irdischer Herrscher schaffen kann, sondern Gott allein.