Freitag, 26. September 2014

Erntedanktag - Kommentar zu den LG vom 05.10.2014

Einleitung: „In der Themenreihe des Monats Oktober werden nun die 'Wirkungen des Glaubens' angesprochen. In Jak 2, 26 lesen wir: 'Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.' Ein rechtes Glaubensleben, welches keine praktischen Wirkungen zeigt, ist undenkbar. (…) Eine Wirkung des Glaubens wird im ersten Sonntagsgottesdienst beleuchtet: das gemeinsame Lob Gottes für all das Gute, welches er an uns getan hat. Dieses Gotteslob soll Merkmal der Gemeinde Christi sein und in Eintracht und Einmütigkeit erfolgen.“
Auf Grund der thematischen Vorgabe für diesen Sonntag - Erntedank - wird das Gotteslob vor allem aus dieser Perspektive betrachtet werden.

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Lob und Dank dem Schöpfer.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „Psalm 104, 27-28: Es warten alle auf dich, dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Gott sei Lob und Dank gebracht für die irdischen und geistlichen Gaben!“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Psalm 104 ist ein Lob- und Danklied gegenüber Gott, dem Schöpfer. Der Psalmist lenkt den Blick darauf, wie Gott in der Schöpfung alles wunderbar bereitet, wohl geordnet und bedacht hat. Wir erfahren durch die Gaben und Güter der Schöpfung in besonderer Weise die Fürsorge Gottes. Der Mensch vermag es allerdings nicht, diesen Reichtum der Schöpfung allen ausreichend zugänglich zu machen.“

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
„Am Erntedanktag halten wir dankbar inne und schenken den Gaben und Früchten aus Acker und Beet, von Baum und Weinberg unsere Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Nahrungsmittel sind in manchen Gegenden in Hülle und Fülle und zu allen Jahreszeiten verfügbar. Durch die damit oftmals einhergehende Selbstverständlichkeit verlieren diese leicht an Wert und Bedeutung. Da, wo Mangel herrscht, mag das Danken schwerfallen“ (alle Zitate aus den Leitgedanken Sondernummer 1401: „Gottesdienste zu besonderen Anlässen).

Kommentar: Es lohnt sich sehr, Ps 104 vollständig zu lesen:
„Staunen über Gottes Schöpfung
Preise den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, groß und erhaben bist du, mit Herrlichkeit und Pracht hast du dich bekleidet.
In Licht hüllst du dich wie in ein Gewand, den Himmel spannst du wie ein Zeltdach aus.
Er, der die Säulen seiner Wohnung im Wasser ´des Himmelsgewölbes` errichtet, der Wolken zu seinem Wagen macht und auf Flügeln des Windes erscheint, der Winde zu seinen Boten macht und Feuerflammen zu seinen Dienern - er hat der Erde ihr Fundament gegeben, so dass sie für immer und ewig nicht wankt.
Du, ´Gott`, bedecktest sie mit gewaltigen Wassermassen wie mit einem Kleid, selbst über den Bergen standen die Fluten.
Doch auf deinen drohenden Befehl hin flohen sie, vor deiner Donnerstimme wichen sie schnell zurück.
So kamen Berge empor, Täler senkten sich. Die Wassermassen aber zogen sich zurück an den Ort, den du für sie bereitet hattest.
Eine Grenze hast du ihnen gesetzt, die sie nicht überschreiten dürfen; nie mehr sollen sie zurückkehren und die ganze Erde bedecken.
Auf Gottes Befehl hin ergießen sich Quellen in die Flusstäler, zwischen den Bergen schlängeln sich ihre Wasserläufe.
Sie tränken die Tiere des freien Feldes, Wildesel löschen dort ihren Durst.
Da finden auch die Vögel ihre Nistplätze, zwischen den Zweigen lassen sie ihre Stimme ertönen.
Von seinen Wohnungen in der Höhe aus bewässert Gott die Berge. Von der Frucht, die seine Werke hervorbringen, wird die Erde gesättigt.
Gras lässt er hervorsprießen für das Vieh und allerlei Pflanzen für den Bedarf des Menschen, damit dieser aus dem Schoß der Erde sein tägliches Brot gewinnt.
Er schenkt Wein, der das Herz des Menschen erfreut, Öl, mit dem er sein Gesicht pflegt, und Brot, das sein Herz stärkt.
Auch die Bäume des Herrn trinken sich satt, die herrlichen Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat.
Dort wiederum bauen Vögel ihre Nester, auf den Zypressen nistet der Storch.
Die hohen Berge bieten den Steinböcken Lebensraum, die Felsen sind eine Zuflucht für die Klippdachse.
Gott hat den Mond geschaffen zur Festlegung der Zeiten, auch die Sonne weiß, wann sie untergehen soll.
Du bestimmst, wann es finster wird, und schon kommt die Nacht. Da regen sich dann alle Tiere des Waldes.
Die jungen Löwen brüllen nach Beute, sie verlangen von Gott ihre Nahrung.
Geht dann die Sonne auf, so ziehen sich die Tiere wieder zurück und legen sich nieder in ihren Verstecken.
Nun macht sich der Mensch auf und geht an seine Arbeit, an das, was er zu verrichten hat bis zum Abend.
Wie zahlreich sind doch deine Werke, Herr, alle hast du mit Weisheit ausgeführt, die Erde ist erfüllt von dem, was du geschaffen hast!
Da ist das Meer, schier endlos groß und weit, darin wimmelt es von unzählbar vielen Lebewesen, von kleinen wie von großen.
Dort ziehen Schiffe ihre Bahn, auch ´das Ungeheuer` Leviatan, das du geschaffen hast, um mit ihm zu spielen.
Alle Lebewesen hoffen auf dich, dass du ihnen ihre Speise gibst zur rechten Zeit.
Du gibst sie ihnen, sie sammeln alles ein. Du öffnest ´freigebig` deine Hand, und sie werden satt von ´deinen` guten Gaben.
Doch wenn du dein Angesicht verbirgst, dann erschrecken sie. Entziehst du ihnen den Lebensatem, so scheiden sie dahin und werden wieder zu Staub.
Entsendest du deinen Lebensatem, dann werden sie geschaffen. Und so erneuerst du den Anblick der Erde.
Die Herrlichkeit des Herrn währe ewig! Möge der Herr sich freuen an seinen Schöpfungswerken!
Er braucht die Erde nur anzublicken, und schon erbebt sie, rührt er die Berge an, dann rauchen sie. Zur Ehre des Herrn will ich singen mein Leben lang, für meinen Gott musizieren, so lange ich bin. 
Möge mein Denken und Sinnen ihm gefallen! Ja, ich will mich erfreuen am Herrn.
Alle, die sich von Gott abwenden, sollen von der Erde verschwinden - es soll keiner mehr da sein, der Gott verachtet. Preise den Herrn, meine Seele! Halleluja“ (NGÜ)!

Kommentar: „Ps 104 vereint unterschiedliche schöpfungstheologische Aussagen, Vorstellungen, Aspekte, die man mit der theologischen Tradition einerseits einer creatio prima (einer Gründung und in-Gang-Setzung der Welt), anderseits aber besonders einer creatio contunua (einer beständigen Erhaltung der Geschöpfe und einer Erneuerung der Schöpfung) zuordnen kann. (…) Die Schöpfung wird also nicht einfach als eine einmalige Tat Gottes beschrieben, sondern es geht um eine umfassende Wahrnehmung und Deutung der Welt, ihrer verschiedenen Räume, Zusammenhänge und Rhythmen und zwar im preisenden Gespräch mit Gott selbst. Das Ziel des Psalm auf menschlicher Seite ist eine Haltung des Staunens und des lobenden Einstimmens angesichts dieser Sicht auf die Welt“ (Schnocks, 2014, 131-138).


„Seit dem 5 Jh. feiert die Kirche einen Erntedanktag. (…) Das Erntedankfest lässt den Menschen dankbar auf die Schöpfung blicken, die ihm gegeben ist, sein irdisches Leben zu erhalten. Am Erntedanktag danken wir Gott für die Gaben seiner Schöpfung, die er uns so reichlich gibt, und werden daran erinnert, dass der Ertrag unserer Arbeit nicht uns gehört, sondern von Gott kommt und sein Eigentum ist. So können wir auch die nicht vergessen, die in unserer Welt Hunger leiden müssen, und sind froh, dass wir ihnen durch unseren Überfluss helfen können, damit auch sie teilhaben an den Gaben der Schöpfung Gottes“ (Senftleben, 1988, 111).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 104. Aufgrund der Schönheit des Textes, gebe ich eine weitere Übersetzung wider:
Ein Loblied auf den Schöpfer
Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, wie groß bist du! Du bist mit Hoheit und Pracht bekleidet.
Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, du spannst den Himmel aus wie ein Zelt. Du verankerst die Balken deiner Wohnung im Wasser. Du nimmst dir die Wolken zum Wagen, du fährst einher auf den Flügeln des Sturmes. Du machst dir die Winde zu Boten und lodernde Feuer zu deinen Dienern.
Du hast die Erde auf Pfeiler gegründet; in alle Ewigkeit wird sie nicht wanken.
Einst hat die Urflut sie bedeckt wie ein Kleid, die Wasser standen über den Bergen. Sie wichen vor deinem Drohen zurück, sie flohen vor der Stimme deines Donners. Da erhoben sich Berge und senkten sich Täler an den Ort, den du für sie bestimmt hast.
Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt, die dürfen sie nicht überschreiten; nie wieder sollen sie die Erde bedecken. Du lässt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, sie eilen zwischen den Bergen dahin.
Allen Tieren des Feldes spenden sie Trank, die Wildesel stillen ihren Durst daraus.
An den Ufern wohnen die Vögel des Himmels, aus den Zweigen erklingt ihr Gesang.
Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, aus deinen Wolken wird die Erde satt. Du lässt Gras wachsen für das Vieh, auch Pflanzen für den Menschen, die er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit sein Gesicht von Öl erglänzt und Brot das Menschenherz stärkt.
Die Bäume des Herrn trinken sich satt, die Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat. In ihnen bauen die Vögel ihr Nest, auf den Zypressen nistet der Storch. Die hohen Berge gehören dem Steinbock, dem Klippdachs bieten die Felsen Zuflucht.
Du hast den Mond gemacht als Maß für die Zeiten, die Sonne weiß, wann sie untergeht. Du sendest Finsternis und es wird Nacht, dann regen sich alle Tiere des Waldes. Die jungen Löwen brüllen nach Beute, sie verlangen von Gott ihre Nahrung. Strahlt die Sonne dann auf, so schleichen sie heim und lagern sich in ihren Verstecken.
Nun geht der Mensch hinaus an sein Tagwerk, an seine Arbeit bis zum Abend.
Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.
Da ist das Meer, so groß und weit, darin ein Gewimmel ohne Zahl: kleine und große Tiere. Dort ziehen die Schiffe dahin, auch der Leviátan, den du geformt hast, um mit ihm zu spielen.
Sie alle warten auf dich, dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein; öffnest du deine Hand, werden sie satt an Gutem.
Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen und du erneuerst das Antlitz der Erde. Ewig währe die Herrlichkeit des Herrn; der Herr freue sich seiner Werke. Er blickt auf die Erde und sie erbebt; er rührt die Berge an und sie rauchen.
Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe, will meinem Gott spielen, solange ich da bin. Möge ihm mein Dichten gefallen. Ich will mich freuen am Herrn.
Doch die Sünder sollen von der Erde verschwinden und es sollen keine Frevler mehr da sein. Lobe den Herrn, meine Seele! Halleluja" (EU)!

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 12, 13-21:
"Das Beispiel von der falschen Selbstsicherheit des reichen Mannes
Einer aus der Volksmenge bat Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen.
Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht? Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.
Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freu dich des Lebens! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist" (EU).

Kommentar: „Die biblische Naturwahrnehmung hat ihren leuchtendsten Ausdruck in dem Wort der Bergpredigt gefunden (Mt 6, 28f: „Seht die Lilien....“). Das griechische Wort, das wir mit Schönheit, Pracht oder Herrlichkeit übersetzen, ist das Äquivalent eines hebräischen Ausdrucks, der die Ehre, oder besser: die Aura bezeichnet, die Gott selbst umgibt. Ihre Wahrnehmung greift auf ein Sehen voraus, das erst am Ende aller Zeit möglich sein wird. So stellen die Lilien des Feldes ungeachtet ihrer Vergänglichkeit schon jetzt ein Stück jener Zukunft Gottes dar, die sich uns noch entzieht. Das begründet die Transparenz ihrer Schönheit, macht sie durchsichtig für sein Licht, das, nach Rö 1, 20, als Reflex des 'unsichtbaren Wesen Gottes seit der Erschaffung der Welt' an den Werken der Schöpfung wahrgenommen werden kann, weil es – so darf man Paulus interpretieren – deren Kreatürlichkeit begründet“ (Link, 2007, 197f. In: Hübener & Orth: Stichwort: „Schöpfung“, 195-199).
„Das sog. Dominium terrae – der Auftrag, sich die Erde untertan zu machen (Gen 1, 26 und 28) – ist kein Freibrief zu ihrer Ausbeutung, sondern Mandat zur Selbstwahrnehmung der Sonderstellung des Menschen im Kosmos. Der Auftrag lautet, die Erde zu 'bebauen und bewahren' (Gen 2, 15). Die Schöpfung zielt nicht auf eine Selbstverherrlichung der Kreatur, sondern auf Gottes Herrlichkeit im ewigen Lob der Kreatur“ (Dietz, 2007, 282. In: Lexikon Theologie: Stichwort: „Schöpfungslehre“, 280-283):

Zum Weiterlesen:
Sattler, Dorothea & Schneider, Theodor: Schöpfungslehre. In: Schneider, 2006, 120-238.
Kollmann, Bernd: Das letzte Hemd hat keine Taschen (Vom reichen Kornbauern). In: Zimmermann, 2007, 564-572.
Harnisch, Wolfgang (2001): Die Gleichniserzählungen Jesu.

Der musikalische Ausdruck einer überbordenden, schönen, phantasievollen, prächtigen Schöpfung ist das Orgelkonzert a-moll (BWV 593) von J. S. Bach (1685-1750) hier in einer Aufnahme mit Paolo Crivellaro an der Cathédrale de Bruxelles im August 1994. Hochgeladen am 24.08.2011.




Sonntag, 21. September 2014

15. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 28.09.2014

Einleitung: „Die Themenreihe des Monats September 'Das Glaubensleben' zeigt Aspekte auf, die jeder für sich in Betracht ziehen soll, um seine Glaubenshaltung Gott gegenüber zu überprüfen. Der heutige Sonntagsgottesdienst beschreibt als Schwerpunkt 'Stille-sein' (…). Dieser Schwerpunkt am Ende der Themenreihe erscheint vielleicht außergewöhnlich oder nicht in die Reihe gehörend. Jedoch: Wir erleben zum einen Gott in der Stille und müssen zum anderen dazu auch selbst stille sein. Dieser Gottesdienst soll dazu verhelfen, Gottesbegegnungen noch mehr zum Segen nutzen zu können. 
Unser Leben im Glauben zu führen, dient uns selbst, aber auch anderen: 'Gott erwählt Menschen zu deren eigenem und zum Heil anderer; sie sind ausersehen, in seinem Heilsplan mitzuwirken. Wenn Gott erwählt, ist damit Aufgabe oder Bestimmung verbunden. So sind diejenigen herausgerufen und zum Christsein erwählt, die getauft sind und sich zu Jesus Christus als Herrn und Heiland bekennen. Sie sollen das Evangelium weitertragen. Solche Christen, die wiedergeboren sind aus Wasser und Geist, haben darüber hinaus die Voraussetzung zur Erstlingsschaft erhalten. Aus dieser Schar wird die Braut Christi bereitet, um im Reich des Friedens die königliche Priesterschaft zu bilden' (KNK 4.5.3)."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Stille sein!“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist "Sach 2, 17: Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte!"

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wir wollen in der Stille Gott suchen und in der Begegnung mit ihm stille sein.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Das Buch des Propheten Sacharja enthält wichtige Verheißungen für die Zukunft Israels. Die Juden waren in Babylon gefangen, einige waren inzwischen nach Jerusalem zurückgekehrt. Diejenigen, die in Babylon blieben, werden aufgerufen, ebenfalls nach Jerusalem zurückzukehren. Denn Jerusalem ist der Ort, an dem Gott sich offenbart.“ 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • Gottesbegegnung und Stille gehören zusammen. In der Stille können wir Gott erfahren.
  • Es möge stille in uns sein, wenn uns Gott begegnet: beim Gebet, beim Hören des Wortes Gottes, bei der Sündenvergebung und dem Heiligen Abendmahl.
  • Konzentration auf die Begegnung mit Gott ist Ausdruck von Gottesfurcht'“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: „Am Anfang der Botschaft Sacharjas steht der Aufruf zur entschiedenen Hingabe an Gott. Daran schließt sich - unter anderem in der Gestalt von 8 Visionen - die Verkündigung des Anbruchs einer neuen Zeit an. Als Schwerpunkte der Verkündigung ragen heraus:
die Zusage, dass Gott sein Volk wieder angenommen hat und dass er selbst seinem Volk im Land wieder eine Heimat gibt;
die Ankündigung des Gerichts über die Feinde Israels;
der Hinweis auf Gotts zukünftiges Heilshandeln, für das die Gegenwart nur Zeichen ist“ (ELB, 1213).


„Am 28.09.2014 feiern wir den 15. Sonntag nach Trinitatis - Irdische Güter  -  und unser Blick wird fortgelenkt von den irdischen Gütern. Sie sollen nicht unsere erste und alleinige Sorge sein. So werden wir frei zu einem Leben in der Nachfolge Jesu“ (Senftleben, 1988, 78).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 127: 
"Ohne den Segen des Herrn ist alles vergeblich
Ein Wallfahrtslied, gesungen auf dem Weg hinauf nach Jerusalem. Von Salomo. Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann mühen sich alle, die daran bauen, vergeblich. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, dann hält der Wächter vergeblich Wache. Vergeblich ist es, dass ihr so früh aufsteht und euch erst spät wieder hinsetzt, um dann euer mühsam erarbeitetes Brot zu essen – denn genauso viel gibt der Herr den Seinen im Schlaf! Auch Kinder sind eine Gabe des Herrn, ja, Fruchtbarkeit ist ein großes Geschenk! Wie Pfeile in der Hand eines starken Mannes, so sind Kinder, die man in jungen Jahren bekommen hat. Glücklich zu nennen ist der Mensch, der einen vollen Köcher davon hat! Seine Kinder werden nicht unterliegen, wenn sie mit ihren Gegnern einen Rechtsstreit führen müssen (NGÜ).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mt 6, 25-34:
"Gottes Reich und irdische Sorgen
'Deshalb sage ich euch: Macht euch keine Sorgen um das, was ihr an Essen und Trinken zum Leben und an Kleidung für euren Körper braucht. Ist das Leben nicht wichtiger als die Nahrung, und ist der Körper nicht wichtiger als die Kleidung? Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte, und euer Vater im Himmel ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann dadurch, dass er sich Sorgen macht, sein Leben auch nur um eine einzige Stunde verlängern? Und warum macht ihr euch Sorgen um eure Kleidung? Seht euch die Lilien auf dem Feld an und lernt von ihnen! Sie wachsen, ohne sich abzumühen und ohne zu spinnen ´und zu weben`. Und doch sage ich euch: Sogar Salomo in all seiner Pracht war nicht so schön gekleidet wie eine von ihnen. Wenn Gott die Feldblumen, die heute blühen und morgen ins Feuer geworfen werden, so herrlich kleidet, wird er sich dann nicht erst recht um euch kümmern, ihr Kleingläubigen? 
Macht euch also keine Sorgen! Fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um diese Dinge geht es den Heiden, ´die Gott nicht kennen`. Euer Vater im Himmel aber weiß, dass ihr das alles braucht. Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles dazugegeben. Macht euch keine Sorgen um den nächsten Tag! Der nächste Tag wird für sich selbst sorgen. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Last mit sich bringt" (GNB).

Kommentar: Am 28.9.1859 ist der Theologe und Dichter Carl Johann Philipp Spitta verstorben. Diverse Gedichte sind von ihm überliefert und haben Eingang in unterschiedliche Kirchengesangbücher gefunden. Die Texte, die in das Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche (NGB) eingegangen sind, sind z. T. erheblich redigiert worden, um sie den Sonderlehren der NAK anzupassen.

Bei Dir, Jesu, will ich bleiben (EKG 406, NGB 282)
Bleibt bei dem, der euretwillen (NGB 364)
Ein lieblich Los ist uns gefallen (NGB 232)
Es kennt der Herr die Seinen (EG 358, NGB 335) 
Freuet euch der schönen Erde (EG 510) 
Geist des Glaubens, Geist der Stärke (EG 137) 
Gottes Stadt steht fest gegründet (EKG Rheinland-Westfalen-Lippe 477, NGB 336) 
Herzenkündiger (NGB 117)
Ich steh in meines Herren Hand (EG 374) 
Ich und mein Haus, wir sind bereit (EKG 173) 
O du, den meine Seele liebt (NGB 288)
O Jesu, meine Sonne (NGB 289)
O komm, du Geist der Wahrheit (EG 136) 
O selig Haus (NGB 338)
O Vaterhand, die mich so treu geführet (NGB 182)
O, wie freun wir uns der Stunde (NGB 118)
Was macht ihr, daß ihr weinet (Bremer Gesangbuch 1925) 
Wie wird uns sein (NGB 404)
Wo ist ein Vater, Gott, wie Du 
Wort des Lebens, laut're Quelle (NGB 183)

Als "Wochenlied", passend zum Evangelium und zu Ehren dieses Dichters, sei an dieser Stelle, als Kommentar, ein Gedicht von Spitta vollständig wiedergegeben:

Carl Johann Philipp Spitta (1801-1859): O Jesu, meine Sonne

1. O Jesu, meine Sonne,
vor der die Nacht entfleucht,
o Jesu meine Wonne,
die alle Not verscheucht!
Im Herzen klingt mir täglich
der eine helle Ton:
Wie hast Du so unsäglich
geliebt, o Gottessohn!

2. Es faßt mich so ein tiefes,
ein himmlisches Gefühl;
Es ist mir stets, als rief es:
Hier ist dein einzig Ziel!
Ja, wenn mir gar nichts bliebe,
ich gäb´ mit frohem Sinn
um Jesu Christi Liebe
auch noch das letzte hin.

3. Um diese Perle wäre
mir alles andre feil,
selbst Hab und Gut und Ehre,
mein ganzes Erdenteil:
Wie gerne will ich meiden
das alles froh und still,
wenn´s von dem Herrn mich scheiden
und Ihn mir rauben will!

4. Ich kenn´ auch gar kein Leben,
von Dir, mein Herr, getrennt;
Du bist mein einzig Leben
und Lebenselement!
Ich kenne gar kein Sterben,
seitdem ich leb´ in Dir;
Denn was mich konnt´ verderben,
die Sünde, nimmst Du mir.

Samstag, 20. September 2014

14. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 21.09.2014

Einleitung: „Die Themenreihe des Monats September 'Das Glaubensleben' zeigt Aspekte auf, die jeder für sich in Betracht ziehen soll, um seine Glaubenshaltung Gott gegenüber zu überprüfen. Der heutige Sonntagsgottesdienst beschreibt den folgenden Schwerpunkt: (...)
Das Salz des Evangeliums – Das Evangelium gibt unserem Glaubensleben 'Geschmack'; wir 'würzen' unser Reden und Tun, indem wir uns vom Evangelium leiten lassen. (...)
Unser Leben im Glauben zu führen, dient uns selbst, aber auch anderen: 'Gott erwählt Menschen zu deren eigenem und zum Heil anderer; sie sind ausersehen, in seinem Heilsplan mitzuwirken. Wenn Gott erwählt, ist damit Aufgabe oder Bestimmung verbunden. So sind diejenigen herausgerufen und zum Christsein erwählt, die getauft sind und sich zu Jesus Christus als Herrn und Heiland bekennen. Sie sollen das Evangelium weitertragen. Solche Christen, die wiedergeboren sind aus Wasser und Geist, haben darüber hinaus die Voraussetzung zur Erstlingsschaft erhalten. Aus dieser Schar wird die Braut Christi bereitet, um im Reich des Friedens die königliche Priesterschaft zu bilden'“ (KNK 4.5.3).

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Das Salz des Evangeliums.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Mk 9, 50b: „Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander!“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Unser Wesen und unser Leben müssen vom Evangelium durchdrungen sein.“ 

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Herr greift etliche Male auf das Bild vom Salz zurück. Die Deutung ist nicht immer einfach und variiert je nach Kontext. Im zweiten Teil von Markus 9, 50 können wir deutlich einen Bezug zum Evangelium erkennen. Wie immer müssen wir bei der Auslegung angemessen vorgehen. Zum Beispiel warnen Ärzte in vielen Ländern vor übermäßigem Salzgenuss. Es wäre unangemessen, dies auf die geistige Ebene zu übertragen.“ 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • Salz ist ein Bild für das Evangelium Jesu Christi. In Anwendung des Evangeliums bleiben wir bewahrt vor geistlichen Mangelerscheinungen. 
  • Wenn wir dem Herrn in uns genügend Raum geben, laufen wir nicht Gefahr, in unserem Glaubensleben Mangel zu erleiden. 
  • Gottesfurcht schützt vor Verunreinigung des Wortes Gottes durch menschliche Gedanken. 
  • Das Evangelium gibt unserem Leben 'Geschmack.' 
  • Wir wollen unser Reden mit Salz 'würzen'“ (alle Zitate aus den o. g. LG). 

Kommentar: An dieser Stelle wird der Kontext der o. g. Bibelstelle wiedergegeben (Mk 9, 42-50): Dieser ist überschrieben mit
„Warnung vor Verführung zur Sünde
Und wer einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anlass zur Sünde gibt, für den wäre es besser, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde. Und wenn deine Hand dir Anlass zur Sünde gibt, so hau sie ab! Es ist besser für dich, als Krüppel in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das unauslöschliche Feuer. Und wenn dein Fuß dir Anlass zur Sünde gibt, so hau ihn ab! Es ist besser für dich, lahm in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, so wirf es weg! Es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes hineinzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, 'wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.' Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden. Das Salz ist gut; wenn aber das Salz salzlos geworden ist, womit wollt ihr es würzen? Habt Salz in euch selbst, und haltet Frieden untereinander“ (ELB)!

„Jesus überspitzt hier, damit jeder versteht, wie wichtig diese Informationen sind und wie es sich mit der Sünde verhält: Niemand soll sich von seinen eigenen Neigungen zur Sünde überwältigen lassen. Denn Sünde hindert die Menschen daran, bei Gott zu sein. Sie hält sie ab vom Leben und führt zum ewigen Tod. In den Versen 49-50 liegt ein Wortspiel vor: Zunächst redet Jesus davon, dass die Jünger mit Feuer gesalzen werden sollen, womit er wohl die Verfolgungen meint, die später über die Nachfolger Jesu hereinbrechen. Salz ist gut, lebensnotwendig und kultisch rein: Es wurde bei Opfern im Tempel verwendet. Salz, dass salzlos geworden ist, ist unbrauchbar. So steht hier das Salz offenbar für die Beziehung zu Gott, welche die Jünger in sich selbst haben sollen“ (ELB, 1318).

Das Salz kann als Symbol der Verbundenheit verstanden werden, es wurde zu allen Gaben gereicht, auch zu denjenigen, die als Opfer für JHWH bestimmt waren (s. o.). Die Funktion des Salzes als Würze hat es auch zu einer Metapher für Esprit, Weisheit, Derbheit oder Schwung werden lassen.

Salz wird symbolisch dem Feuer (brennend, scharf, bitter, giftig (Salzwasser des Meeres) als auch dem Wasser zugeordnet (Salzwasser der Weltmeere, Tränenflüssigkeit). Durch seine hygroskopische Eigenschaft entzieht es den Speisen aber auch Wasser und macht sie so halt- und lagerbar.

Berger weist in seinen Meditationen zu den Sonntagsevangelien darauf hin, dass Jesus in dieser Stelle das Innenleben einer Gemeinde reflektiert. „Anlass zur Sünde geben“ meint dann Worte oder Taten oder Gedanken, die ein Gemeindemitglied zum Anlass nehmen könnte, sich von der Gemeinde abzuwenden oder Worte, Taten und Gedanken, die ein Gemeindemitglied aus der Gemeinde heraus drängen könnte: „Das Schlimmste ist, wenn ein Christ dem anderen Grund zum Austritt aus der Gemeinde wird (…). Ärgernis zu geben ist so schlimm, weil ein Glied der Gemeinde zu schädigen, Gotteszerstörung ist. Gott ist der Eine, durch Ärgernis aber entsteht Abspaltung. Jeder Austritt ist Verletzung dessen, was Paulus Leib Christi nennt. Wer andere heraus drängt, greift Gott physisch an, denn Gott hat die Gemeinde, paulinisch gesprochen, als Leib Christi gestiftet; (…).“ Aus: Berger, 2008, B.


„Am 21.09.2014 feiern wir den 14. Sonntag nach Trinitatis – Kinder Gottes – und hören die Erzählung von der Heilung der 10 Aussätzigen“ (Senftleben, 1988, 78).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 146: 
"Gottes ewige Treue 
Halleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin. Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen. Denn des Menschen Geist muss davon, und er muss wieder zu Erde werden; dann sind verloren alle seine Pläne. Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, der seine Hoffnung setzt auf den HERRN, seinen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, das Meer und alles, was darinnen ist; der Treue hält ewiglich, der Recht schafft denen, die Gewalt leiden, der die Hungrigen speiset. Der HERR macht die Gefangenen frei. Der HERR macht die Blinden sehend. Der HERR richtet auf, die niedergeschlagen sind. Der HERR liebt die Gerechten. Der HERR behütet die Fremdlinge und erhält Waisen und Witwen; aber die Gottlosen führt er in die Irre. Der HERR ist König ewiglich, dein Gott, Zion, für und für. Halleluja" (LUT)! 

Schnocks zu folge bildet das Schlusshalleluja Ps 146-150, auch Kleines Halleluja genannt, zusammen mit dem Ps 1-2, die der ersten Sammlung der Davidpsalmen vorangestellt sind, einen Rahmen um das Buch der Psalmen. 

„Das 'Schlusshalleluja' ist eine Gruppe von überschriftslosen, imperativischen Hymnen, die jeweils von Halleluja gerahmt werden und nach dem letzten Davidpsalter das Psalmbuch mit einer 5-teiligen Halleluja-Kantate abschließen. Sie sind so angeordnet, 'dass im jeweils nachfolgenden Psalm ein im Schluss des vorangegangenen Psalms angesprochenes Motiv bzw. Thema aufgegriffen und entfaltet wird“ (Schnock, Psalmen, 2014, 59). 

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 17, 11-19:
"Der dankbare Samariter 
Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in gehörigem Abstand stehen und riefen laut: 'Jesus! Herr! Hab Erbarmen mit uns!' Jesus sah sie und befahl ihnen: 'Geht zu den Priestern und lasst euch eure Heilung bestätigen!' Und als sie unterwegs waren, wurden sie tatsächlich gesund. Einer aus der Gruppe kam zurück, als er es merkte. Laut pries er Gott, warf sich vor Jesus nieder, das Gesicht zur Erde, und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus sagte: 'Sind nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind dann die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu erweisen, nur dieser Fremde hier?' Dann sagte er zu dem Mann: 'Steh auf und geh nach Hause, dein Vertrauen hat dich gerettet' (GNB). 

Kommentar: Die Wundererzählung lässt sich auf unterschiedlichsten Ebenen und unter verschiedenen Perspektiven deuten: sie kann als Teil des theologischen Programms des Lukas verstanden werden, messianisch-christologisch, rationalistisch, tiefenpsychologisch oder mit Hinblick auf die medizinische Perspektive gedeutet werden. Dazu ausführlich Ostmeyer, Wandel auf dem Weg des Heils (Die zehn Aussätzigen). In: Zimmermann, 2013, 638-649.

An dieser Stelle möchte ich gerne die sprachlich-narratologische Analyse aus dem o. g. Aufsatz in Teilen wiedergeben. Sie erscheint mir für eine aktuelle Interpretation am ergiebigsten. 

Die überwiegende Zahl der finiten Verbformen in Lk 17, 11-19 wird im Aorist geboten. Dadurch fällt ein besonderes Augenmerk auf die finiten Verben in anderen Tempora. 

Der Aorist (griechisch ἀόριστος ahoristos ‚unbestimmte ⟨Zeit⟩‘) ist in einigen indogermanischen Sprachen ein Tempus der Vergangenheit. Im Gegensatz zu anderen Vergangenheitstempora wie beispielsweise dem Imperfekt oder dem Perfekt beschreibt er Vorgänge in der Vergangenheit, die als individuelle einmalig abgeschlossene Handlungen, also punktuell, betrachtet werden. Er beinhaltet damit den perfektivenVerbalaspekt. Diese Aspektbedeutung des Aorist kann in einigen Formen die zeitliche verdrängen. Der grammatische Terminus Aorist wird für andere Sprachen uneinheitlich und teilweise widersprüchlich benutzt. So bezeichnet er im Türkischen ein Tempus, das etwas ausdrückt, das eher dem imperfektiven Aspekt nahekommt (Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie. Download vom 20.09.2014).

Jesus wird als der dargestellt, der sich bewegt und der in Bewegung setzt. Der Eingangsvers (V 11) verortet die Handlung auf dem Weg und Jesus wird als der geschildert, der Unterwegs und auf der Durchreise ist. Auch der Ort ist unbestimmt. Dies wird sprachlich durch unterschiedliche grammatikalische Formen ausgedrückt. Im Unterschied zum wandelnden Jesus werden die zehn Aussätzigen als statisch beschrieben. Das erste Wort, das Jesus an sie richtet hat, ist die Aufforderung, sich in Bewegung zu setzten und sich dann den Priestern zu zeigen. Um den Aufbruch aus der starren Haltung zu betonen heißt es: „indem sie weggingen, wurden sie gereinigt“ (ELB, V 14c). Analog zu Jesus, der die Aussätzigen sah, sieht jetzt der Samaritaner, dass er geheilt ist. Er sieht, dass er gesehen ist. Als einziger der Geheilten kehrt er um. Lukas benutzt hier das Wort „Umkehren“ oder „Rückkehren.“ Jesus sendet schließlich den Samaritaner auf einen neuen Weg und hat so gleichsam durch die Heilung (die Bewegung) dem Samaritaner die Rückkehr in seine Gemeinschaft ermöglicht.

Die sprachlich-narrative Ebene ist auch deswegen so beachtenswert, da sie dadurch den Blick für den sozial- und realgeschichtlichen Kontext schärft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Lepra-Kranken um die „eigentliche, echte“ chronisch bakterielle Infektionskrankheit gehandelt hat. Diese war in diesem Landstrich gar nicht verbreitet. Es geht eher um die mit Krankheiten verbundene soziale Ausgrenzung der „Aussätzigen.“ Existenzbedrohend ist nicht der Gesundheitszustand, sondern die Ausgrenzung und der Ausschluss vom Opferkult. Hier setzt Jesus an und überwindet durch Zuwendung (Empathie) Ausgrenzung.

Interessant sind auch die Überlegungen von Berger zu dieser Wunderheilung, die er mit den Worten: „Der Dank verwandelt auch den Dankenden“ überschrieben hat (vergl. Berger, 2006, C, 270-274).




Johann Sebastian Bach (1685-1750): "Wer dank opfert, der preiset mich." Kantate am 14. Sonntag nach Trinitatis, BWV 17. Amsterdam Baroque Orchestra & Choir - Leitung: Ton Koopman

Donnerstag, 4. September 2014

13. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 14.09.2014

Einleitung: "Die Themenreihe des Monats September 'Das Glaubensleben' zeigt Aspekte auf, die jeder für sich in Betracht ziehen soll, um seine Glaubenshaltung Gott gegenüber zu überprüfen. Der Sonntagsgottesdienst hat folgenden Schwerpunkt: Gottesfurcht haben – Wir ehren Gott.
Seine Heiligkeit und Majestät übersteigen unser Vorstellungsvermögen. Der Gottesfürchtige erahnt die Größe des Opfers Christi, bemüht sich, die Sünde zu meiden und hat herzliches Verlangen nach der Gemeinschaft mit Gott. (...) Unser Leben im Glauben zu führen, dient uns selbst, aber auch anderen: „Gott erwählt Menschen zu deren eigenem und zum Heil anderer; sie sind ausersehen, in seinem Heilsplan mitzuwirken. Wenn Gott erwählt, ist damit Aufgabe oder Bestimmung verbunden. So sind diejenigen herausgerufen und zum Christsein erwählt, die getauft sind und sich zu Jesus Christus als Herrn und Heiland bekennen. Sie sollen das Evangelium weitertragen. Solche Christen, die wiedergeboren sind aus Wasser und Geist, haben darüber hinaus die Voraussetzung zur Erstlingsschaft erhalten. Aus dieser Schar wird die Braut Christi bereitet, um im Reich des Friedens die königliche Priesterschaft zu bilden" (KNK 4.5.3). 

Die Leitgedanken tragen die Überschrift: „Der Gottesfürchtige.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Ps 147, 11: „Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wir achten und schätzen die Güte Gottes.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Psalm 147 ist ein Loblied auf Gottes Walten in der Schöpfung und in der Geschichte Israels. Gott lenkt die Schöpfung und die Geschichte durch sein Wort (Verse 15.19). Der Psalm stammt aus der Zeit, nachdem das Volk aus dem Babylonischen Exil zurückgekehrt ist und dankbar auf die Wohltaten Gottes zurückblickt (Vers 2). Wie so oft in den Psalmen werden auch hier das Wohlgefallen Gottes am Gottesfürchtigen und die Güte Gottes betont.“ 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Der Gottesfürchtige erkennt 
  • die Majestät Gottes und wendet sich ihm im Glauben zu; 
  • die Liebe Gottes und vertraut ihr; 
  • die göttliche Hilfe und ist dankbar; 
  • die Größe des Opfers Christi und meidet die Sünde; 
  • die Gnade, Gemeinschaft mit Gott haben zu dürfen, und schätzt sie;
  • die Warnungen des Geistes und nimmt sie ernst“ (alle Zitate aus den o. g. LG). 

Kommentar: Wie bereits im Kontext der LG oben mitgeteilt, besingt der Psalm „Gottes Walten in der Schöpfung und in Israels Geschichte" und war im Ablauf des Kirchenjahres der Wochenpsalm des 12. Sonntages nach Trinitatis (siehe dazu den Post vom 07.09.2014).

Die Liedsammlung ist in 5 Abschnitte gegliedert. Die Gliederung erinnert an die Tora und kann als fünfstimmige Antwort der Gemeinde auf Gottes Wort angesehen werden. Der Ps 147 ist dem 5. Buch entnommen und verweist so auf Deut, „in dem das vorherrschende Thema das Bundesverhältnis zwischen Israel und seinem Gott ist. (…) Bei dem Ps 147 handelt es sich um einen Lobgesang ('Halleluja-Psalm'), der die Allmacht Gottes besingt, die Gott zum Wohle seines Volkes einsetzt. Gott bringt sein Volk wieder ins Land der Verheißung und zur Stadt seiner Gegenwart und kümmert sich um die Notleidenden (V 1-6). Er versorgt die, die in Demut und Ehrfurcht alles von ihm erwarten (V 7-11). Von Gott erhofft sich sein Volk sichere Wohnung, gesegnete Familien, befriedete Verhältnisse, eine Natur die, ein sorgenfreies Leben ermöglicht und Gottes direkte Gegenwart (V 12-15). Dankbar erinnert der Sänger an die Erwählung durch Gott (V 20). Hintergrund dieses Ps ist vermutlich die Zeit Esras und Nehemias und das Weihefest für die neu gebaute Mauer um Jerusalem“ (ELB).

Am 14.09.2014 feiern wir den 13. Sonntag nach Trinitatis – Die Liebe Gottes – und hören die Erzählung vom barmherzigen Samariter“ (Senftleben, 1988, 77).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 112:
„Das Glück des Menschen, der Gott die Treue hält
Halleluja! Glücklich zu preisen ist, wer dem Herrn in Ehrfurcht begegnet, wer Gottes Gebote mit Freude befolgt. Seine Nachkommen werden im ganzen Land einflussreich sein. Ja, sie alle, die aufrichtig vor Gott leben, werden von ihm gesegnet. Wohlstand und Reichtum sind im Haus eines solchen Menschen zu finden, das Gute, das er tut, hat für immer Bestand. Aufrichtigen Menschen strahlt in der Finsternis ein helles Licht auf, gnädig, barmherzig und gerecht ´ist Gott.` Gut steht es um den, der barmherzig ist und anderen etwas leiht. Vor Gericht wird er sein Recht behaupten können. Ja, niemals wird er ins Stolpern geraten; in ewig guter Erinnerung wird der bleiben, der nach Gottes Willen lebt. Vor einem schlimmen Gerücht hat er keine Angst; sein Herz ist zuversichtlich, voll Vertrauen auf den Herrn. Gefestigt ist sein Herz, er fürchtet sich nicht – bis er schließlich herabblicken darf auf alle, die ihn angegriffen haben. Er teilt mit vollen Händen aus und beschenkt die Bedürftigen; das Gute, das er tut, hat für immer Bestand. Er behauptet sich und genießt hohes Ansehen. Der Gottlose sieht es und ärgert sich, voller Wut knirscht er mit den Zähnen – und geht doch unaufhaltsam seinem Ende entgegen! Ja, die Wünsche der Gottlosen werden mit ihnen untergehen“ (NGÜ). 

Dieser Psalm ist ebenso wie der Ps 147 dem 5. Buch der Psalmen entnommen und gehört auch in die Kategorie der sogen. „Halleluja-Psalmen (s. o.).“

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 10, 25-37:
"Das wichtigste Gebot 
Da kam ein Gesetzeslehrer und wollte Jesus auf die Probe stellen; er fragte ihn: 'Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?' Jesus antwortete: 'Was steht denn im Gesetz? Was liest du dort?' Der Gesetzeslehrer antwortete: 'Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller deiner Kraft und deinem ganzen Verstand! Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!' 'Du hast richtig geantwortet', sagte Jesus. 'Handle so, dann wirst du leben.'
Das Beispiel des barmherzigen Samariters 
Aber dem Gesetzeslehrer war das zu einfach, und er fragte weiter: 'Wer ist denn mein Mitmensch?' Jesus nahm die Frage auf und erzählte die folgende Geschichte: 'Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs überfielen ihn Räuber. Sie nahmen ihm alles weg, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halb tot liegen. Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg. Er sah den Mann liegen und ging vorbei. Genauso machte es ein Levit, als er an die Stelle kam: Er sah ihn liegen und ging vorbei. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien. Als er den Überfallenen sah, ergriff ihn das Mitleid. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier und brachte ihn in das nächste Gasthaus, wo er sich weiter um ihn kümmerte. Am anderen Tag zog er seinen Geldbeutel heraus, gab dem Wirt zwei Silberstücke und sagte: ›Pflege ihn! Wenn du noch mehr brauchst, will ich es dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.‹' 'Was meinst du?', fragte Jesus. 'Wer von den dreien hat an dem Überfallenen als Mitmensch gehandelt?' Der Gesetzeslehrer antwortete: 'Der ihm geholfen hat!' Jesus erwiderte: 'Dann geh und mach du es ebenso' (GNB). 

Kommentar: Die Parabel hat eine "immense Wirkungsgeschichte." Der Text bietet in seiner Prägnanz und Apellstruktur Auslegungspotenziale in ganz unterschiedliche Richtungen (christologisch-theologisch, anthropologisch-psychologisch, ethisch, ethnologisch-anthropologisch, diakonisch. "So klar der Text als Beispiel für Hilfshandeln beim ersten Lesen erscheint, so doppeldeutiger, rätselhafter und verwirrender wird er, je tiefer man in ihn eindringt" (541; siehe dazu ausführlich Zimmermann, "Berührende Liebe (Der barmherzige Samariter). In: Zimmermann, 2007, 538-555). Wie lässt sich die Ungeheuerlichkeit, die in dieser Parabel steckt, für unsere Ohren hörbar machen? 

Hierzu 2 Beispiele: Bei dem 1. Beispiel bleibt es bei einem Hilfehandeln, in einem schwierigen Umfeld (zu den Schwierigkeiten von Hilfehandlungen ließen sich viele Untersuchungen anführen. An dieser Stelle verweise ich auf grundlegende Überlegungen zu sogen. "Prosozialen Handeln" in Witte, 1989, Sozialpsychologie, 84-136). Denken wir zunächst einmal ein Fußballspiel zwischen 2 Mannschaften, bei denen die sogen. Fangruppen verfeindet sind (St. Pauli - Hansa Rostock oder Schalke 04 - Borussia Dortmund). Auf dem Weg zum Stadion treffen einzelne Fans auf einen Schwerverletzten. Es lässt sich nicht erkennen, ob er "einer von uns ist oder einer von denen." Der 1. Fan der Heimmanschaft denkt vielleicht sogar: "Geschieht ihm ganz recht, schließlich ist er kein Borusse/Knappe!" Und geht vorbei. Der 2. Fan denkt vielleicht: "Wenn ich jetzt helfe, verpasse ich das 'Spiel des Jahres!'" Und geht vorbei. Der 3. Fan lässt sich "berühren" (V 33b) und hilft. Vielleicht muss er den Spott der anderen aushalten, weil er das Spiel verpassen könnte oder gar wird. Vielleicht droht man ihm mit Ausschluss aus einer Fansubgruppe, weil er einem "feindlichen Fan" hilft. Vielleicht wird er verunglimpft, beschimpft, gemieden. Oder muss mit Gewalt gegen ihn rechnen. Er hilft, weil er nicht anders kann, weil er es für ethisch geboten hält.

Denken wir uns ein 2. Beispiel und verlegen es in den Kontext der NAK. Wir denken uns einen Priester, der vor einer neuapostolischen Hörerschaft die o. g. Parabel auslegt. Er würde vielleicht "Priester" durch "Stammapostel" ersetzen und statt "Levit" "Apostel" sagen. Der Helfer wird vielleicht zu einem "einfachen Gemeindemitglied", zu einem "Aussteiger" oder gar zu einem Menschen, der nicht Mitglied in dieser Sondergemeinschaft ist und ihr vielleicht sogar kritisch-distanziert gegenüber steht. Würden die Hörer nicht automatisch Partei für "ihre Geistlichen" ergreifen? Würden sie nicht mit Verständnis reagieren, weil die Apostel vielleicht gerade einen Auftrag zu erfüllen haben (z. B. die Weihung eines neuen Kirchengebäudes oder die Durchführung von sogen. Versiegelungen)? Würden sie nicht vielleicht genauso denken, wie die sogen. Fans im ersten Beispiel ("Geschieht ihm ganz recht?") oder gar ein strafendes Eingreifen Gottes vermuten? Plötzlich befindet sich die Hörerschaft in einem greifbaren Konflikt. Einerseits muss der geglaubte Auftrag Gottes muss erfüllt werden, die kultischen/religiösen/sakramentalen Handlungen vollzogen werden, die sehr wohl als Erfüllung des Doppelgebotes der Liebe angesehen und interpretiert werden können andererseits steht demgegenüber die ethische Verpflichtung zur Hilfe, die sich ebenso aus dem Gebot der Nächstenliebe ableiten lässt. Plötzlich wird die Vielschichtigkeit der Parabel in diesem Kontext erlebbar und der neuapostolische Hörer kann sich eben nicht so einfach wie bisher auf die Seite des Samariters schlagen. Auch wird greifbarer, dass es eine gehörige Portion Mut erfordert, einer neuapostolischen Hörerschaft diese Interpretation resp. diese Anwendung anzubieten. Auch für die Hörer ist es eine eine Zumutung. "So klar der Text als Beispiel für Hilfshandeln beim ersten Lesen erscheint, so doppeldeutiger, rätselhafter und verwirrender wird er, je tiefer man in ihn eindringt."

Aus mindestens zwei unterschiedlichen Perspektiven lässt sich die Frage, wer denn nun mein nächster ist, beantworten: 
  • aus Sicht des Samariters ist derjenige, der "unter die Räuber" gefallen ist, der Nächste - der Gestrandete, der Verletzte, der Gekränkte. Aus christologisch-theologischer Perspektive wird aus dem Samariter "Christus" als derjenige, der der einzige Helfer ist;
  • aus Sicht des Opfers, ist der Helfer der Nächste. Aus christologisch-theologischer Perspektive wird dann Christus resp. Gott zum Nächsten für den Menschen.
Auf diese Weise fällt das Doppelgebot der Liebe dann ineinander.