Samstag, 20. September 2014

14. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 21.09.2014

Einleitung: „Die Themenreihe des Monats September 'Das Glaubensleben' zeigt Aspekte auf, die jeder für sich in Betracht ziehen soll, um seine Glaubenshaltung Gott gegenüber zu überprüfen. Der heutige Sonntagsgottesdienst beschreibt den folgenden Schwerpunkt: (...)
Das Salz des Evangeliums – Das Evangelium gibt unserem Glaubensleben 'Geschmack'; wir 'würzen' unser Reden und Tun, indem wir uns vom Evangelium leiten lassen. (...)
Unser Leben im Glauben zu führen, dient uns selbst, aber auch anderen: 'Gott erwählt Menschen zu deren eigenem und zum Heil anderer; sie sind ausersehen, in seinem Heilsplan mitzuwirken. Wenn Gott erwählt, ist damit Aufgabe oder Bestimmung verbunden. So sind diejenigen herausgerufen und zum Christsein erwählt, die getauft sind und sich zu Jesus Christus als Herrn und Heiland bekennen. Sie sollen das Evangelium weitertragen. Solche Christen, die wiedergeboren sind aus Wasser und Geist, haben darüber hinaus die Voraussetzung zur Erstlingsschaft erhalten. Aus dieser Schar wird die Braut Christi bereitet, um im Reich des Friedens die königliche Priesterschaft zu bilden'“ (KNK 4.5.3).

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Das Salz des Evangeliums.“

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Mk 9, 50b: „Habt Salz bei euch und habt Frieden untereinander!“

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Unser Wesen und unser Leben müssen vom Evangelium durchdrungen sein.“ 

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Herr greift etliche Male auf das Bild vom Salz zurück. Die Deutung ist nicht immer einfach und variiert je nach Kontext. Im zweiten Teil von Markus 9, 50 können wir deutlich einen Bezug zum Evangelium erkennen. Wie immer müssen wir bei der Auslegung angemessen vorgehen. Zum Beispiel warnen Ärzte in vielen Ländern vor übermäßigem Salzgenuss. Es wäre unangemessen, dies auf die geistige Ebene zu übertragen.“ 

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • Salz ist ein Bild für das Evangelium Jesu Christi. In Anwendung des Evangeliums bleiben wir bewahrt vor geistlichen Mangelerscheinungen. 
  • Wenn wir dem Herrn in uns genügend Raum geben, laufen wir nicht Gefahr, in unserem Glaubensleben Mangel zu erleiden. 
  • Gottesfurcht schützt vor Verunreinigung des Wortes Gottes durch menschliche Gedanken. 
  • Das Evangelium gibt unserem Leben 'Geschmack.' 
  • Wir wollen unser Reden mit Salz 'würzen'“ (alle Zitate aus den o. g. LG). 

Kommentar: An dieser Stelle wird der Kontext der o. g. Bibelstelle wiedergegeben (Mk 9, 42-50): Dieser ist überschrieben mit
„Warnung vor Verführung zur Sünde
Und wer einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anlass zur Sünde gibt, für den wäre es besser, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde. Und wenn deine Hand dir Anlass zur Sünde gibt, so hau sie ab! Es ist besser für dich, als Krüppel in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das unauslöschliche Feuer. Und wenn dein Fuß dir Anlass zur Sünde gibt, so hau ihn ab! Es ist besser für dich, lahm in das Leben hineinzugehen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, so wirf es weg! Es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes hineinzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, 'wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.' Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden. Das Salz ist gut; wenn aber das Salz salzlos geworden ist, womit wollt ihr es würzen? Habt Salz in euch selbst, und haltet Frieden untereinander“ (ELB)!

„Jesus überspitzt hier, damit jeder versteht, wie wichtig diese Informationen sind und wie es sich mit der Sünde verhält: Niemand soll sich von seinen eigenen Neigungen zur Sünde überwältigen lassen. Denn Sünde hindert die Menschen daran, bei Gott zu sein. Sie hält sie ab vom Leben und führt zum ewigen Tod. In den Versen 49-50 liegt ein Wortspiel vor: Zunächst redet Jesus davon, dass die Jünger mit Feuer gesalzen werden sollen, womit er wohl die Verfolgungen meint, die später über die Nachfolger Jesu hereinbrechen. Salz ist gut, lebensnotwendig und kultisch rein: Es wurde bei Opfern im Tempel verwendet. Salz, dass salzlos geworden ist, ist unbrauchbar. So steht hier das Salz offenbar für die Beziehung zu Gott, welche die Jünger in sich selbst haben sollen“ (ELB, 1318).

Das Salz kann als Symbol der Verbundenheit verstanden werden, es wurde zu allen Gaben gereicht, auch zu denjenigen, die als Opfer für JHWH bestimmt waren (s. o.). Die Funktion des Salzes als Würze hat es auch zu einer Metapher für Esprit, Weisheit, Derbheit oder Schwung werden lassen.

Salz wird symbolisch dem Feuer (brennend, scharf, bitter, giftig (Salzwasser des Meeres) als auch dem Wasser zugeordnet (Salzwasser der Weltmeere, Tränenflüssigkeit). Durch seine hygroskopische Eigenschaft entzieht es den Speisen aber auch Wasser und macht sie so halt- und lagerbar.

Berger weist in seinen Meditationen zu den Sonntagsevangelien darauf hin, dass Jesus in dieser Stelle das Innenleben einer Gemeinde reflektiert. „Anlass zur Sünde geben“ meint dann Worte oder Taten oder Gedanken, die ein Gemeindemitglied zum Anlass nehmen könnte, sich von der Gemeinde abzuwenden oder Worte, Taten und Gedanken, die ein Gemeindemitglied aus der Gemeinde heraus drängen könnte: „Das Schlimmste ist, wenn ein Christ dem anderen Grund zum Austritt aus der Gemeinde wird (…). Ärgernis zu geben ist so schlimm, weil ein Glied der Gemeinde zu schädigen, Gotteszerstörung ist. Gott ist der Eine, durch Ärgernis aber entsteht Abspaltung. Jeder Austritt ist Verletzung dessen, was Paulus Leib Christi nennt. Wer andere heraus drängt, greift Gott physisch an, denn Gott hat die Gemeinde, paulinisch gesprochen, als Leib Christi gestiftet; (…).“ Aus: Berger, 2008, B.


„Am 21.09.2014 feiern wir den 14. Sonntag nach Trinitatis – Kinder Gottes – und hören die Erzählung von der Heilung der 10 Aussätzigen“ (Senftleben, 1988, 78).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 146: 
"Gottes ewige Treue 
Halleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin. Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen. Denn des Menschen Geist muss davon, und er muss wieder zu Erde werden; dann sind verloren alle seine Pläne. Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, der seine Hoffnung setzt auf den HERRN, seinen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, das Meer und alles, was darinnen ist; der Treue hält ewiglich, der Recht schafft denen, die Gewalt leiden, der die Hungrigen speiset. Der HERR macht die Gefangenen frei. Der HERR macht die Blinden sehend. Der HERR richtet auf, die niedergeschlagen sind. Der HERR liebt die Gerechten. Der HERR behütet die Fremdlinge und erhält Waisen und Witwen; aber die Gottlosen führt er in die Irre. Der HERR ist König ewiglich, dein Gott, Zion, für und für. Halleluja" (LUT)! 

Schnocks zu folge bildet das Schlusshalleluja Ps 146-150, auch Kleines Halleluja genannt, zusammen mit dem Ps 1-2, die der ersten Sammlung der Davidpsalmen vorangestellt sind, einen Rahmen um das Buch der Psalmen. 

„Das 'Schlusshalleluja' ist eine Gruppe von überschriftslosen, imperativischen Hymnen, die jeweils von Halleluja gerahmt werden und nach dem letzten Davidpsalter das Psalmbuch mit einer 5-teiligen Halleluja-Kantate abschließen. Sie sind so angeordnet, 'dass im jeweils nachfolgenden Psalm ein im Schluss des vorangegangenen Psalms angesprochenes Motiv bzw. Thema aufgegriffen und entfaltet wird“ (Schnock, Psalmen, 2014, 59). 

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 17, 11-19:
"Der dankbare Samariter 
Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in gehörigem Abstand stehen und riefen laut: 'Jesus! Herr! Hab Erbarmen mit uns!' Jesus sah sie und befahl ihnen: 'Geht zu den Priestern und lasst euch eure Heilung bestätigen!' Und als sie unterwegs waren, wurden sie tatsächlich gesund. Einer aus der Gruppe kam zurück, als er es merkte. Laut pries er Gott, warf sich vor Jesus nieder, das Gesicht zur Erde, und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus sagte: 'Sind nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind dann die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu erweisen, nur dieser Fremde hier?' Dann sagte er zu dem Mann: 'Steh auf und geh nach Hause, dein Vertrauen hat dich gerettet' (GNB). 

Kommentar: Die Wundererzählung lässt sich auf unterschiedlichsten Ebenen und unter verschiedenen Perspektiven deuten: sie kann als Teil des theologischen Programms des Lukas verstanden werden, messianisch-christologisch, rationalistisch, tiefenpsychologisch oder mit Hinblick auf die medizinische Perspektive gedeutet werden. Dazu ausführlich Ostmeyer, Wandel auf dem Weg des Heils (Die zehn Aussätzigen). In: Zimmermann, 2013, 638-649.

An dieser Stelle möchte ich gerne die sprachlich-narratologische Analyse aus dem o. g. Aufsatz in Teilen wiedergeben. Sie erscheint mir für eine aktuelle Interpretation am ergiebigsten. 

Die überwiegende Zahl der finiten Verbformen in Lk 17, 11-19 wird im Aorist geboten. Dadurch fällt ein besonderes Augenmerk auf die finiten Verben in anderen Tempora. 

Der Aorist (griechisch ἀόριστος ahoristos ‚unbestimmte ⟨Zeit⟩‘) ist in einigen indogermanischen Sprachen ein Tempus der Vergangenheit. Im Gegensatz zu anderen Vergangenheitstempora wie beispielsweise dem Imperfekt oder dem Perfekt beschreibt er Vorgänge in der Vergangenheit, die als individuelle einmalig abgeschlossene Handlungen, also punktuell, betrachtet werden. Er beinhaltet damit den perfektivenVerbalaspekt. Diese Aspektbedeutung des Aorist kann in einigen Formen die zeitliche verdrängen. Der grammatische Terminus Aorist wird für andere Sprachen uneinheitlich und teilweise widersprüchlich benutzt. So bezeichnet er im Türkischen ein Tempus, das etwas ausdrückt, das eher dem imperfektiven Aspekt nahekommt (Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie. Download vom 20.09.2014).

Jesus wird als der dargestellt, der sich bewegt und der in Bewegung setzt. Der Eingangsvers (V 11) verortet die Handlung auf dem Weg und Jesus wird als der geschildert, der Unterwegs und auf der Durchreise ist. Auch der Ort ist unbestimmt. Dies wird sprachlich durch unterschiedliche grammatikalische Formen ausgedrückt. Im Unterschied zum wandelnden Jesus werden die zehn Aussätzigen als statisch beschrieben. Das erste Wort, das Jesus an sie richtet hat, ist die Aufforderung, sich in Bewegung zu setzten und sich dann den Priestern zu zeigen. Um den Aufbruch aus der starren Haltung zu betonen heißt es: „indem sie weggingen, wurden sie gereinigt“ (ELB, V 14c). Analog zu Jesus, der die Aussätzigen sah, sieht jetzt der Samaritaner, dass er geheilt ist. Er sieht, dass er gesehen ist. Als einziger der Geheilten kehrt er um. Lukas benutzt hier das Wort „Umkehren“ oder „Rückkehren.“ Jesus sendet schließlich den Samaritaner auf einen neuen Weg und hat so gleichsam durch die Heilung (die Bewegung) dem Samaritaner die Rückkehr in seine Gemeinschaft ermöglicht.

Die sprachlich-narrative Ebene ist auch deswegen so beachtenswert, da sie dadurch den Blick für den sozial- und realgeschichtlichen Kontext schärft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Lepra-Kranken um die „eigentliche, echte“ chronisch bakterielle Infektionskrankheit gehandelt hat. Diese war in diesem Landstrich gar nicht verbreitet. Es geht eher um die mit Krankheiten verbundene soziale Ausgrenzung der „Aussätzigen.“ Existenzbedrohend ist nicht der Gesundheitszustand, sondern die Ausgrenzung und der Ausschluss vom Opferkult. Hier setzt Jesus an und überwindet durch Zuwendung (Empathie) Ausgrenzung.

Interessant sind auch die Überlegungen von Berger zu dieser Wunderheilung, die er mit den Worten: „Der Dank verwandelt auch den Dankenden“ überschrieben hat (vergl. Berger, 2006, C, 270-274).




Johann Sebastian Bach (1685-1750): "Wer dank opfert, der preiset mich." Kantate am 14. Sonntag nach Trinitatis, BWV 17. Amsterdam Baroque Orchestra & Choir - Leitung: Ton Koopman

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