Einleitung: "Die Themenreihe des Monats September 'Das Glaubensleben' zeigt Aspekte auf, die jeder für sich in Betracht ziehen soll, um seine Glaubenshaltung Gott gegenüber zu überprüfen. Der Sonntagsgottesdienst hat folgenden Schwerpunkt: Gottesfurcht haben – Wir ehren Gott.
Seine Heiligkeit und Majestät übersteigen unser Vorstellungsvermögen. Der Gottesfürchtige erahnt die Größe des Opfers Christi, bemüht sich, die Sünde zu meiden und hat herzliches Verlangen nach der Gemeinschaft mit Gott. (...) Unser Leben im Glauben zu führen, dient uns selbst, aber auch anderen: „Gott erwählt Menschen zu deren eigenem und zum Heil anderer; sie sind ausersehen, in seinem Heilsplan mitzuwirken. Wenn Gott erwählt, ist damit Aufgabe oder Bestimmung verbunden. So sind diejenigen herausgerufen und zum Christsein erwählt, die getauft sind und sich zu Jesus Christus als Herrn und Heiland bekennen. Sie sollen das Evangelium weitertragen. Solche Christen, die wiedergeboren sind aus Wasser und Geist, haben darüber hinaus die Voraussetzung zur Erstlingsschaft erhalten. Aus dieser Schar wird die Braut Christi bereitet, um im Reich des Friedens die königliche Priesterschaft zu bilden" (KNK 4.5.3).
Die Leitgedanken tragen die Überschrift: „Der Gottesfürchtige.“
Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist Ps 147, 11: „Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.“
Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wir achten und schätzen die Güte Gottes.“
Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Psalm 147 ist ein Loblied auf Gottes Walten in der Schöpfung und in der Geschichte Israels. Gott lenkt die Schöpfung und die Geschichte durch sein Wort (Verse 15.19). Der Psalm stammt aus der Zeit, nachdem das Volk aus dem Babylonischen Exil zurückgekehrt ist und dankbar auf die Wohltaten Gottes zurückblickt (Vers 2). Wie so oft in den Psalmen werden auch hier das Wohlgefallen Gottes am Gottesfürchtigen und die Güte Gottes betont.“
Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Der Gottesfürchtige erkennt
- die Majestät Gottes und wendet sich ihm im Glauben zu;
- die Liebe Gottes und vertraut ihr;
- die göttliche Hilfe und ist dankbar;
- die Größe des Opfers Christi und meidet die Sünde;
- die Gnade, Gemeinschaft mit Gott haben zu dürfen, und schätzt sie;
- die Warnungen des Geistes und nimmt sie ernst“ (alle Zitate aus den o. g. LG).
Kommentar: Wie bereits im Kontext der LG oben mitgeteilt, besingt der Psalm „Gottes Walten in der Schöpfung und in Israels Geschichte" und war im Ablauf des Kirchenjahres der Wochenpsalm des 12. Sonntages nach Trinitatis (siehe dazu den Post vom 07.09.2014).
Die Liedsammlung ist in 5 Abschnitte gegliedert. Die Gliederung erinnert an die Tora und kann als fünfstimmige Antwort der Gemeinde auf Gottes Wort angesehen werden. Der Ps 147 ist dem 5. Buch entnommen und verweist so auf Deut, „in dem das vorherrschende Thema das Bundesverhältnis zwischen Israel und seinem Gott ist. (…) Bei dem Ps 147 handelt es sich um einen Lobgesang ('Halleluja-Psalm'), der die Allmacht Gottes besingt, die Gott zum Wohle seines Volkes einsetzt. Gott bringt sein Volk wieder ins Land der Verheißung und zur Stadt seiner Gegenwart und kümmert sich um die Notleidenden (V 1-6). Er versorgt die, die in Demut und Ehrfurcht alles von ihm erwarten (V 7-11). Von Gott erhofft sich sein Volk sichere Wohnung, gesegnete Familien, befriedete Verhältnisse, eine Natur die, ein sorgenfreies Leben ermöglicht und Gottes direkte Gegenwart (V 12-15). Dankbar erinnert der Sänger an die Erwählung durch Gott (V 20). Hintergrund dieses Ps ist vermutlich die Zeit Esras und Nehemias und das Weihefest für die neu gebaute Mauer um Jerusalem“ (ELB).
Am 14.09.2014 feiern wir den 13. Sonntag nach Trinitatis – Die Liebe Gottes – und hören die Erzählung vom barmherzigen Samariter“ (Senftleben, 1988, 77).
Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist der Ps 112:
„Das Glück des Menschen, der Gott die Treue hält
Halleluja! Glücklich zu preisen ist, wer dem Herrn in Ehrfurcht begegnet, wer Gottes Gebote mit Freude befolgt. Seine Nachkommen werden im ganzen Land einflussreich sein. Ja, sie alle, die aufrichtig vor Gott leben, werden von ihm gesegnet. Wohlstand und Reichtum sind im Haus eines solchen Menschen zu finden, das Gute, das er tut, hat für immer Bestand. Aufrichtigen Menschen strahlt in der Finsternis ein helles Licht auf, gnädig, barmherzig und gerecht ´ist Gott.` Gut steht es um den, der barmherzig ist und anderen etwas leiht. Vor Gericht wird er sein Recht behaupten können. Ja, niemals wird er ins Stolpern geraten; in ewig guter Erinnerung wird der bleiben, der nach Gottes Willen lebt. Vor einem schlimmen Gerücht hat er keine Angst; sein Herz ist zuversichtlich, voll Vertrauen auf den Herrn. Gefestigt ist sein Herz, er fürchtet sich nicht – bis er schließlich herabblicken darf auf alle, die ihn angegriffen haben. Er teilt mit vollen Händen aus und beschenkt die Bedürftigen; das Gute, das er tut, hat für immer Bestand. Er behauptet sich und genießt hohes Ansehen. Der Gottlose sieht es und ärgert sich, voller Wut knirscht er mit den Zähnen – und geht doch unaufhaltsam seinem Ende entgegen! Ja, die Wünsche der Gottlosen werden mit ihnen untergehen“ (NGÜ).
Dieser Psalm ist ebenso wie der Ps 147 dem 5. Buch der Psalmen entnommen und gehört auch in die Kategorie der sogen. „Halleluja-Psalmen (s. o.).“
Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Lk 10, 25-37:
"Das wichtigste Gebot
Da kam ein Gesetzeslehrer und wollte Jesus auf die Probe stellen; er fragte ihn: 'Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?' Jesus antwortete: 'Was steht denn im Gesetz? Was liest du dort?' Der Gesetzeslehrer antwortete: 'Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller deiner Kraft und deinem ganzen Verstand! Und: Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!' 'Du hast richtig geantwortet', sagte Jesus. 'Handle so, dann wirst du leben.'
Das Beispiel des barmherzigen Samariters
Aber dem Gesetzeslehrer war das zu einfach, und er fragte weiter: 'Wer ist denn mein Mitmensch?' Jesus nahm die Frage auf und erzählte die folgende Geschichte: 'Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs überfielen ihn Räuber. Sie nahmen ihm alles weg, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halb tot liegen. Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg. Er sah den Mann liegen und ging vorbei. Genauso machte es ein Levit, als er an die Stelle kam: Er sah ihn liegen und ging vorbei. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien. Als er den Überfallenen sah, ergriff ihn das Mitleid. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier und brachte ihn in das nächste Gasthaus, wo er sich weiter um ihn kümmerte. Am anderen Tag zog er seinen Geldbeutel heraus, gab dem Wirt zwei Silberstücke und sagte: ›Pflege ihn! Wenn du noch mehr brauchst, will ich es dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.‹' 'Was meinst du?', fragte Jesus. 'Wer von den dreien hat an dem Überfallenen als Mitmensch gehandelt?' Der Gesetzeslehrer antwortete: 'Der ihm geholfen hat!' Jesus erwiderte: 'Dann geh und mach du es ebenso' (GNB).
Kommentar: Die Parabel hat eine "immense Wirkungsgeschichte." Der Text bietet in seiner Prägnanz und Apellstruktur Auslegungspotenziale in ganz unterschiedliche Richtungen (christologisch-theologisch, anthropologisch-psychologisch, ethisch, ethnologisch-anthropologisch, diakonisch. "So klar der Text als Beispiel für Hilfshandeln beim ersten Lesen erscheint, so doppeldeutiger, rätselhafter und verwirrender wird er, je tiefer man in ihn eindringt" (541; siehe dazu ausführlich Zimmermann, "Berührende Liebe (Der barmherzige Samariter). In: Zimmermann, 2007, 538-555). Wie lässt sich die Ungeheuerlichkeit, die in dieser Parabel steckt, für unsere Ohren hörbar machen?
Hierzu 2 Beispiele: Bei dem 1. Beispiel bleibt es bei einem Hilfehandeln, in einem schwierigen Umfeld (zu den Schwierigkeiten von Hilfehandlungen ließen sich viele Untersuchungen anführen. An dieser Stelle verweise ich auf grundlegende Überlegungen zu sogen. "Prosozialen Handeln" in Witte, 1989, Sozialpsychologie, 84-136). Denken wir zunächst einmal ein Fußballspiel zwischen 2 Mannschaften, bei denen die sogen. Fangruppen verfeindet sind (St. Pauli - Hansa Rostock oder Schalke 04 - Borussia Dortmund). Auf dem Weg zum Stadion treffen einzelne Fans auf einen Schwerverletzten. Es lässt sich nicht erkennen, ob er "einer von uns ist oder einer von denen." Der 1. Fan der Heimmanschaft denkt vielleicht sogar: "Geschieht ihm ganz recht, schließlich ist er kein Borusse/Knappe!" Und geht vorbei. Der 2. Fan denkt vielleicht: "Wenn ich jetzt helfe, verpasse ich das 'Spiel des Jahres!'" Und geht vorbei. Der 3. Fan lässt sich "berühren" (V 33b) und hilft. Vielleicht muss er den Spott der anderen aushalten, weil er das Spiel verpassen könnte oder gar wird. Vielleicht droht man ihm mit Ausschluss aus einer Fansubgruppe, weil er einem "feindlichen Fan" hilft. Vielleicht wird er verunglimpft, beschimpft, gemieden. Oder muss mit Gewalt gegen ihn rechnen. Er hilft, weil er nicht anders kann, weil er es für ethisch geboten hält.
Denken wir uns ein 2. Beispiel und verlegen es in den Kontext der NAK. Wir denken uns einen Priester, der vor einer neuapostolischen Hörerschaft die o. g. Parabel auslegt. Er würde vielleicht "Priester" durch "Stammapostel" ersetzen und statt "Levit" "Apostel" sagen. Der Helfer wird vielleicht zu einem "einfachen Gemeindemitglied", zu einem "Aussteiger" oder gar zu einem Menschen, der nicht Mitglied in dieser Sondergemeinschaft ist und ihr vielleicht sogar kritisch-distanziert gegenüber steht. Würden die Hörer nicht automatisch Partei für "ihre Geistlichen" ergreifen? Würden sie nicht mit Verständnis reagieren, weil die Apostel vielleicht gerade einen Auftrag zu erfüllen haben (z. B. die Weihung eines neuen Kirchengebäudes oder die Durchführung von sogen. Versiegelungen)? Würden sie nicht vielleicht genauso denken, wie die sogen. Fans im ersten Beispiel ("Geschieht ihm ganz recht?") oder gar ein strafendes Eingreifen Gottes vermuten? Plötzlich befindet sich die Hörerschaft in einem greifbaren Konflikt. Einerseits muss der geglaubte Auftrag Gottes muss erfüllt werden, die kultischen/religiösen/sakramentalen Handlungen vollzogen werden, die sehr wohl als Erfüllung des Doppelgebotes der Liebe angesehen und interpretiert werden können andererseits steht demgegenüber die ethische Verpflichtung zur Hilfe, die sich ebenso aus dem Gebot der Nächstenliebe ableiten lässt. Plötzlich wird die Vielschichtigkeit der Parabel in diesem Kontext erlebbar und der neuapostolische Hörer kann sich eben nicht so einfach wie bisher auf die Seite des Samariters schlagen. Auch wird greifbarer, dass es eine gehörige Portion Mut erfordert, einer neuapostolischen Hörerschaft diese Interpretation resp. diese Anwendung anzubieten. Auch für die Hörer ist es eine eine Zumutung. "So klar der Text als Beispiel für Hilfshandeln beim ersten Lesen erscheint, so doppeldeutiger, rätselhafter und verwirrender wird er, je tiefer man in ihn eindringt."
Aus mindestens zwei unterschiedlichen Perspektiven lässt sich die Frage, wer denn nun mein nächster ist, beantworten:
- aus Sicht des Samariters ist derjenige, der "unter die Räuber" gefallen ist, der Nächste - der Gestrandete, der Verletzte, der Gekränkte. Aus christologisch-theologischer Perspektive wird aus dem Samariter "Christus" als derjenige, der der einzige Helfer ist;
- aus Sicht des Opfers, ist der Helfer der Nächste. Aus christologisch-theologischer Perspektive wird dann Christus resp. Gott zum Nächsten für den Menschen.
Auf diese Weise fällt das Doppelgebot der Liebe dann ineinander.
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