Einleitung: „Der letzte Sonntag im Februar dient der Vorbereitung auf den Gottesdienst für die Entschlafenen. In dem Vorbereitungsgottesdienst ist unsere rechte Sicht auf den Nächsten und dessen Hilfsbedürftigkeit das Thema. Wesentlich ist die Erkenntnis, dass Lebende und Tote gleichermaßen der Fürsprache bedürfen. Heilsvermittlung geschieht durch Wort und Sakrament; beides können sowohl Lebende als auch Tote empfangen. Hierfür die Gemeinde zu sensibilisieren, ist eine wichtige Aufgabe des Vorbereitungsgottesdienstes.“
Zur Sonderlehre des sogen. "Entschlafenenwesens" in der NAK werde ich zum nächsten Sonntag Anmerkungen machen. An dieser Stelle weise ich lediglich auf eine lesenswerte Veröffentlichung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen hin: Materialdienst der EZW, 11/2014.
Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Den anderen besser sehen.“
Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „Mk 8,22–25: Sie brachten zu ihm einen Blinden und baten ihn, dass er ihn anrühre. Und er nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn hinaus vor das Dorf, tat Speichel auf seine Augen, legte seine Hände auf ihn und fragte ihn: Siehst du etwas? Und er sah auf und sprach: Ich sehe die Menschen, als sähe ich Bäume umhergehen. Danach legte er abermals die Hände auf seine Augen. Da sah er deutlich und wurde wieder zurechtgebracht, sodass er alles scharf sehen konnte“ (LUT).
Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Jesus hilft uns, den Nächsten richtig sehen zu können.“
Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Der Bericht von der Heilung eines namenlosen Blinden knüpft an das Wunder der Brotvermehrung an, auf das die Jünger ebenso mit Unverständnis reagieren wie die Pharisäer, die den eigentlichen Sinn der Wunder Jesu nicht sehen.“
Schließlich werden die LG so zusammengefasst: „In geistlicher Hinsicht richtig sehen, also Erkenntnis gewinnen, geschieht, wenn Jesus den Menschen berührt und der Mensch sich von ihm berühren lässt. Dann vermag er
- den Nächsten in seiner Hilfsbedürftigkeit zu sehen;
- die von Gott geliebte Seele zu sehen.
Eine solche Sehensweise gibt uns eine Ahnung von der Größe der Liebe Gottes“ (alle Zitate aus den o. g. LG).
Kommentar: Die Predigtgrundlage für die neuapostolischen Gottesdienste ist eine Wundererzählung: „Sehen und Verstehen - Die zweiphasige Heilung des namenlosen Blinden“ (Reinhard von Bendemann, 341-349. In: Zimmermann, 2013).
„Jesus bedient sich bei der Heilung eines Medikamentes. Speichel wurde auch sonst in der Antike zur Behandlung von Augenleiden genutzt. (…) Medizinhistorisch betrachtet, greift Jesus auf die sogen. ‚Drecksapotheke‘ zurück, die mit Kot, Urin und Speichel therapiert“ (naturwissenschaftliche (medizinische) Verstehensperspektive; ebenda, 344f).
„In der Zweiphasigkeit der Heilung können die LeserInnen den Gang der Makroerzählung in verschlüsselter Weise abgebildet finden: Auf der Schwelle zum Weg nach Jerusalem heißt ‚blind-sein’, Jesus unabhängig von seinem tödlichen Ende wahrnehmen zu wollen. (…) Erst vom Leiden und Kreuz her sieht man dagegen ‚gänzlich scharf’ (im Sinne von Schauen, Erkennen, Verstehen, Begreifen, Reflektieren oder auch richtig Interpretieren). Die Wundererzählung wird so in seinen metaphorischen Bezügen hinsichtlich des Gesamtevangeliums ein „programmatischer Metatext“ und somit ein Pars pro toto (ebenda, 347).
An diesem Sonntag, dem 22. Februar 2015, feiern wird den Sonntag Invokavit - „Sein Zorn Estomihi währt einen Augenblick und lebenslang seine Gnade.“
Der Wochenpsalm in der fortlaufenden Bibellese ist Ps 30:
„Das Leben neu geschenkt
Ein Psalm Davids. Ein Lied zur Einweihung des Tempels. Ich will dich preisen, Herr, denn du hast mich aus einem tiefen Abgrund heraufgezogen und meinen Feinden keinen Triumph über mich gegönnt. Herr, mein Gott, im Gebet schrie ich zu dir, und du hast mich geheilt. Herr, du hast mich aus dem Totenreich zurückgeholt und mir das Leben wieder neu geschenkt. Vor dem sicheren Tod hast du mich bewahrt. Singt und musiziert für den Herrn, alle, die ihr ihm die Treue haltet! Preist ihn, den ihr als den heiligen Gott kennt. Denn nur einen Augenblick dauert sein Zorn, aber ein Leben lang seine Güte. Noch am Abend weinen wir – doch am Morgen kehrt wieder Jubel ein. Als es mir gut ging, war ich sorglos und dachte: ‚Niemals werde ich zu Fall kommen!‘ Herr, du warst sehr gnädig zu mir. Du gabst mir Schutz wie eine sichere Festung auf einem hohem Berg. Doch als du dich vor mir verbargst, da war ich ohne jeden Halt. In meiner Not schrie ich zu dir, Herr, ich rief zu dir um Hilfe: ‚Willst du, dass mein Leben zu Ende geht und dass man mich zu Grabe trägt? Welchen Wert hätte das für dich? Kann ein zu Staub zerfallener Mensch dich preisen und deine Treue verkünden? Höre mich doch, Herr, und sei mir gnädig! Herr, sei mein Helfer!‘ Ja, du hast mein Klagelied in einen Reigentanz verwandelt! Den Trauermantel hast du mir ausgezogen und mich in ein Festgewand gekleidet. So singe ich von ganzem Herzen zu deiner Ehre – nie werde ich schweigen. Herr, mein Gott, für immer und ewig will ich dich preisen“ (GNB)!
Die Epistel steht im Hebr 4,14-16.
Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mt 4,1-11:
„Die Versuchung Jesu
Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden; und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich. Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach: ‚Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich, dass diese Steine Brote werden!‘ Er aber antwortete und sprach: ‚Es steht geschrieben: >Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.< Darauf nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: ‚Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab! Denn es steht geschrieben: >Er wird seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt.< Jesus sprach zu ihm: ‚Wiederum steht geschrieben: >Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.< Wiederum nimmt der Teufel ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: ‚Dies alles will ich dir geben, wenn du niederfallen und mich anbeten willst.‘ Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: >Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.< Dann verlässt ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen herbei und dienten ihm“ (ELB).
Kommentar: „Der Name des Sonntags Invokavit leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: ‚Invocavit me, et ergo exaudiam eum‘ (Ps 91,15: ‚Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören, ich bin bei ihm in der Not; ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.‘
Der Sonntag Invokavit hat die Geschichte der Versuchung Jesu zum Thema. Versuchung ist inzwischen zu einem altertümlichen Begriff geworden, vor allem deshalb, weil die Frage nach dem Versuchenden immer deutlicher gestellt wurde und wird. Gibt es ihn überhaupt? Entspringt die Versuchung nicht ausschließlich in einem selbst? Diese Entwicklung muss auf jeden Fall berücksichtigt werden, wenn wir von Versuchung sprechen. Die Vorstellung eines leibhaftigen Versuchers als des Teufels ruft höchstens noch ein müdes Lächeln hervor; das Arbeiten mit solchen Bildern in der Predigt ist heutzutage ausgesprochen schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Die Frage nach dem Versuchenden bleibt, sei es nun die Person selbst oder eine von außen wirkende Kraft. Und immerhin finden wir den Begriff noch in der deutschen Sprache, wenn z.B. gesagt wird: "Ich bin versucht, das und das zu kaufen." Aber hier hat es gewiss nicht mehr den Sinn, den es in der Bibel hat (www.daskirchenjahr.de/Invokavit).
Berger weist auf das Folgende hin: "Jesus soll sich einfach normal verhalten, ein klein wenig gesund egoistisch (Brot), auf Prestige bedacht (Tempelzinne) oder opportunistisch (Reiche der Welt). In dieser Normalität liegt das Teuflische." Das Wesen des Teufels ist machtvoll, intelligent, suggestiv, verführerisch und er kennt sich (scheinbar) gut in den Schriften aus. Heute würden wir ihn vielleicht verniedlichend "inneren Schweinehund" nennen - auch das wäre dem Teufel sicher recht (vergl. Berger, 2007, A, 58).
Wochenlieder:
- Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362)
- Ach bleib mit deiner Gnade (EG 347)
Kantaten von Johann Sebastian Bach (1685-1790) zum Kirchensonntag:
- Darzu ist erschienen der Sohn Gottes (BWV 40 Satz 1)
- Selig ist der Mann (BWV 57 Satz 1)
- Ein feste Burg ist unser Gott (BWV 80)
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