Einleitung: „Im Monat April setzen sich die Beiträge zur Passionszeit fort. Die kommenden Gottesdienste beziehen sich auf zentrale Ereignisse der Heilsgeschichte, die für alle Menschen Gültigkeit haben. Gottes Heilshandeln wird allen Menschen angeboten. (…)
Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Diese Sicherheit möchte er nicht nur in seinem natürlichen, sondern auch in seinem geistlichen Leben haben. Der Heilige Geist erfüllt durch sein Wirken in Wort und Sakrament diesen Wunsch. Der Heilige Geist ist es, der in alle Wahrheit leitet und das Zukünftige verkündet (Joh 16,13). Solches Zeugnis Gottes ist unser sicherer Anker, von dem der zweite Gottesdienst nach Ostern spricht.“
Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Durch Christus geschenkte ‚lebendige Hoffnung.’“
Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „1. Petrus 1,3: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (LUT).
Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Die in Christi Auferstehung begründete Hoffnung ist Gewissheit und gibt Sicherheit.“
Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Thema des ersten Petrusbriefs ist das Aushalten in den Bedrängnissen, der die Christen in der Diaspora ausgesetzt sind (1Petr 1,1). Der Grund der Hoffnung ist das durch Gott in Christus eröffnete und schon geschenkte Heil.“
Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
„Unser Glaube ist mehr als nur eine Hilfe in den Problemen des Lebens – er ist begründete Hoffnung auf ein neues Leben bei Gott, das
- auf der Auferstehung Jesu Christi gründet;
- in der Wiedergeburt aus Wasser und Geist seinen Anfang genommen hat;
- in die ewige Gemeinschaft mit Gott mündet“ (alle Zitate aus den o. g. LG).
Kommentar: Eine deutlich prägnantere Übersetzung von 1 Petr 1,3 nimmt die BNÜ vor: „Gott sei gelobt. Er ist der Vater unseres Herren Jesus Christus und hat uns sein großes Erbarmen erwiesen, indem er Jesus Christus aus den Toten erweckt hat. Dadurch hat er auch uns eine begründete Hoffnung auf Leben geschenkt und uns noch einmal neu geschaffen“ (BNÜ).
Die beiden zentralen Themen des 1 Petr sind die Leidenstheologie und die Darstellung der Gemeinde als Tempel. „Mit der Leidenstheologie kann der Verfasser die Situation (soziale Diskriminierung seitens der heidnischen Umwelt) theologisch mit Jesus und seinem Leiden verbinden. Durch die Tempeltheologie kann er der Gemeinde ein kräftiges Bewusstsein theologischer Identität vermitteln“ (aus der Einleitung zum 1 Petr, BNÜ, 53f). Im weiteren Verlauf entwirft der Verfasser ein moralisches Ordnungsschema für antike Heidenchristen (sogen. Haustafeln), die sich am Pflichtkatalog des Hauses in der hellenistischen Welt orientieren.
An diesem Tag, dem 19. April 2015, feiern wir den Sonntag Miserikordias Domini - „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser.“
„Der Name des Sonntags Miserikordias Domini leitet sich vom Beginn der früheren lateinischen Antiphon ab: Misericordias Domini plena est terra. (Ps 33, 5; „Die Erde ist erfüllt von der Gnade des Herrn.“).
Der Sonntag Miserikordias Domini wird durch das Evangelium vom Guten Hirten bestimmt. Der Hirte sorgt für seine Schafe, die ihm treu folgen. Gleichzeitig wird aber auch der Hinweis laut auf die "falschen Hirten", die nur an ihren eigenen Vorteil denken. Entscheidend ist jedoch die Zusage Jesu, dass er als der gute Hirte sein Leben hingibt für die Schafe. Das bedeutet, dass wir umfassenden Schutz genießen und uns vor nichts zu fürchten brauchen, auch wenn es dunkel um uns wird (www.daskirchenjahr.de).
Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 23:
Der Herr ist mein Hirte
Der Herr ist mein Hirte, darum leide ich keinen Mangel. Er bringt mich auf Weideplätze mit saftigem Gras und führt mich zu Wasserstellen, an denen ich ausruhen kann. Er stärkt und erfrischt meine Seele. Er führt mich auf rechten Wegen und verbürgt sich dafür mit seinem Namen. Selbst wenn ich durch ein finsteres Tal gehen muss, wo Todesschatten mich umgeben, fürchte ich mich vor keinem Unglück, denn du, ´Herr`, bist bei mir! Dein Stock und dein Hirtenstab geben mir Trost. Du ´lädst mich ein und` deckst mir den Tisch selbst vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, ´um mich zu ehren`, und füllst meinen Becher bis zum Überfließen. Nur Güte und Gnade werden mich umgeben alle Tage meines Lebens, und ich werde wohnen im Haus des Herrn für alle Zeit. (NGÜ)
Die Epistel steht im 1 Petr 2,21b-25.
Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Joh 10,11-16.27-30:
Jesus – der gute Hirt
»Ich bin der gute Hirt. Ein guter Hirt ist bereit, für seine Schafe zu sterben. Einer, dem die Schafe nicht selbst gehören, ist kein richtiger Hirt. Darum lässt er sie im Stich, wenn er den Wolf kommen sieht, und läuft davon. Dann stürzt sich der Wolf auf die Schafe und jagt die Herde auseinander. Wer die Schafe nur gegen Lohn hütet, läuft davon; denn die Schafe sind ihm gleichgültig. Ich bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe und sie kennen mich, so wie der Vater mich kennt und ich ihn kenne. Ich bin bereit, für sie zu sterben. Ich habe noch andere Schafe, die nicht zu diesem Schafstall gehören; auch die muss ich herbeibringen. Sie werden auf meine Stimme hören, und alle werden in einer Herde unter einem Hirten vereint sein. (…) Meine Schafe hören auf mich. Ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden niemals umkommen. Niemand kann sie mir aus den Händen reißen, weil niemand sie aus den Händen meines Vaters reißen kann. Er schützt die, die er mir gegeben hat; denn er ist mächtiger als alle. Der Vater und ich sind untrennbar eins.« (GNB)
Die Bachkantaten (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag sind:
- „Ich bin ein guter“ Hirt (BWV 85)
- „Du Hirte Israel, höre“ (BWV 104)
- „Der Her ist mein getreuer Hirt“ (BWV 112)
Kommentar: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein“ sagte Albert Einstein einmal.
Kann der Mensch als nicht sich selber eine Richtung vorgeben? Brauchen wir wirklich einen Hirten, eine Art Vormund? Schließlich ist nach dem biblischen Schöpfungsmythos der freie Wille DAS Geschenk Gottes an den Menschen, was diesen erst zum Menschen macht und vom Tier unterscheidet, den Menschen also ausmacht, konstituiert.
So verfügt dann auch Kapitän Jack Sparrow in der Filmreihe „Fluch der Karibik“ lediglich über einen Kompass, der nicht nach Norden zeigt, sondern das als Hauptrichtung vorgibt, was „das Herz begehrt“.
Und in Michael Endes Buch „Die unendliche Geschichte“ lautet die Inschrift auf dem Amulett der kindlichen Kaiserin von Phantásien: "Tu, was du willst!“
Beides verstehe ich als populäre Interpretationen des sogen. „kategorischen Imperativs“, der in seiner Grundform lautet: „‚Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.‘ Er ist im System Immanuel Kants das grundlegende Prinzip der Ethik. Er gebietet allen endlichen vernunftbegabten Wesen und damit allen Menschen, ihre Handlungen darauf zu prüfen, ob sie einer für alle, jederzeit und ohne Ausnahme geltenden Maxime folgen und ob dabei das Recht aller betroffenen Menschen, auch als Selbstzweck, also nicht als bloßes Mittel zu einem anderen Zweck behandelt zu werden, berücksichtigt wird. Der Begriff wird in Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vorgestellt und in der Kritik der praktischen Vernunft ausführlich entwickelt“ (Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie. Download vom 16.4.15).
Also noch einmal die Frage: Wozu brauchen wir Menschen, die wir ja eben keine Schafe sind, einen Hirten, da doch das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier der „freie Wille“ ist, die freie Selbstbestimmung mit der Möglichkeit und Fähigkeit zur freien Selbstentfaltung, die Entscheidungsfreiheit ist?
Robert Spaermann (2014) weist darauf hin, dass die freie Selbstbestimmung weder Selbstzweck noch Ziel ist. Er versteht die freie Selbstbestimmung eher als Kompass und nicht als Himmelsrichtung, eher als Weg zur Erkenntnis und nicht als Erkenntnis, als „Wahrheit“, an sich.
Peter Bieris (2001) Kernthese in seinem Buch „Handwerk der Freiheit“ lautet: Auch wenn die Naturgesetze bestimmen, was wir tun und denken, können wir uns unter Berücksichtigung der jedem Menschen gegebenen Bedingtheiten als frei verstehen. Frei sind wir in diesem Sinne genau dann, wenn wir unseren eigenen Überzeugungen gemäß handeln können. Ein solcher Freiheitsbegriff, der ein bewusstes Reflektieren und eine bewusste Entscheidung voraussetzt, aber auch für möglich hält, steht nicht im Gegensatz zum Determinismus. Die Idee einer „absoluten Freiheit“, die gegen den Determinismus gerichtet ist, ist begrifflich inkohärent.
Und Erich Fromm attestiert den Menschen sogar eine Angst vor freien Willensentscheidungen und benennt drei typische Reaktionen, die er als Flucht ins Autoritäre, Flucht ins Destruktive und Flucht ins Konformistische beschreibt.
Die christliche Theologie findet darauf die Antwort, dass wahre Selbstbestimmung in der Überantwortung des Menschen an den Hirten Jesus Christus liegt. Gott zum Hirten haben heisst: „ins eigene Sein und Wesen kommen, nicht mehr irgendeinem fremden Zweck unterworfen werden“ (Spaermann, 2014, 185).
Oder etwas salopp formuliert: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er blökt!“
Eine andere Antwort gibt Bertolt Brecht, in seinen „Geschichten vom Herrn Keuner:“
Die Frage, ob es einen Gott gibt
Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe. Herr K. sagte: „Ich rate dir, nachzudenken, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. Würde sie sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallenlassen. Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so weit behilflich sein, dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden: Du brauchst einen Gott.“
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