Sonntag, 28. August 2016

14. Sonntag nach Trinitatis; mit einem Kommentar über die Leitgedanken der NAK zum 28. August 2016


Der dankbare Samariter


„Der 14. Sonntag nach Trinitatis redet von der heilenden Kraft Gottes. Das Thema dieses Sonntags ist diesmal von der Epistel her abgeleitet. Die anderen Texte haben wenig mit dem Thema zu tun. Es wird schwierig sein, die Thematik durchzuziehen, man sollte es aber versuchen. Von daher ist eine Vertiefung in die Epistel bei der Studie des aktuellen Predigttextes ratsam.
Wir hören am 14. Sonntag nach Trinitatis die Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen. Wir erfahren die Kraft Gottes, durch die Menschen, die Außenseiter waren, wieder zu Gliedern der Gemeinde werden. Die lebendige Kraft des Geistes Gottes hat auch uns zur Gemeinde hinzugetan; in ihr bringen wir unseren Dank gegen Gott zum Ausdruck dafür, dass wir seine Kinder sein dürfen, indem wir einander achten und lieben“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 146:
Loben will ich den Herrn mein Leben lang
Halleluja! Lobe den Herrn, meine Seele! Ich will den Herrn loben mein Leben lang, für meinen Gott singen und musizieren, solange ich bin. Verlasst euch nicht auf Mächtige, nicht auf irgendeinen Menschen, bei dem doch keine Hilfe zu finden ist! Wenn er den letzten Atem aushaucht, so wird er wieder zu Erde, und am selben Tag ist es vorbei mit all seinen Plänen. Glücklich zu preisen ist, wer den Gott Jakobs zum Helfer hat, wer seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt, auf ihn, der Himmel und Erde erschaffen hat, das Meer und alles, was darin lebt, auf ihn, der für alle Zeiten die Treue hält. Den Unterdrückten verschafft er Recht, den Hungernden gibt er Brot. Der Herr befreit die Gefangenen, der Herr öffnet die Augen der Blinden, der Herr richtet Gebeugte auf, der Herr liebt Menschen, die seinen Willen tun. Der Herr behütet die Fremden, Waisen und Witwen stärkt und erhält er; aber den Weg derer, die ihn verachten, macht er zu einem Irrweg. Auf ewig herrscht der Herr als König, dein Gott, Zion, jetzt und in allen künftigen Generationen. Halleluja! (NGÜ)

Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Lk 17, 11-19:
Der dankbare Samariter
Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in gehörigem Abstand stehen und riefen laut: »Jesus! Herr! Hab Erbarmen mit uns!« Jesus sah sie und befahl ihnen: »Geht zu den Priestern und lasst euch eure Heilung bestätigen!« Und als sie unterwegs waren, wurden sie tatsächlich gesund. Einer aus der Gruppe kam zurück, als er es merkte. Laut pries er Gott, warf sich vor Jesus nieder, das Gesicht zur Erde, und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus sagte: »Sind nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind dann die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu erweisen, nur dieser Fremde hier?« Dann sagte er zu dem Mann: »Steh auf und geh nach Hause, dein Vertrauen hat dich gerettet.« (GNB)

Die Leitgedanken der NAK für den 14. Sonntag nach Trinitatis tragen die Überschrift: „Reif werden im Glauben“

Die Predigtgrundlage findet sich in „1. Kor 13, 11: Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.“ (LUT)

Begründet wird diese Auswahl so: „Im vierten Sonntagsgottesdienst beschäftigen wir uns mit der Reife des Glaubens. Wie ein Kind erwachsen wird, so werden auch wir erwachsen im Glauben. Dazu müssen wir über bestimmte Entwicklungsstufen Reife in unserem Glaubensleben entwickeln. Gott hilft uns, in das Mannesalter Christi hineinzuwachsen“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Zum heutigen Sonntag erklingt die Kantate "Jesu, der du meine Seele" (BWV 78) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Die Kantate wurde am 10. September 1724 erstmals für den 14. Sonntag nach Trinitatis aufgeführt und ist damit dem berühmten ‚Choralkantatenjahrgang‘ 1724/25 zuzuordnen. 
Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Du, meine Seele singe“ (T: Paul Gerhardt 1653; M: Johann Georg Ebeling 1666).

Kommentar: "In Kapitel 13 verweist Paulus charismenkritisch auf die Liebe als größte Geistesgabe. Dadurch dass er auch die Tugend der Liebe wie Hoffnung und Glaube als Charisma interpretiert, eröffnet er die Möglichkeit, mit den Geistphänomenen ethisch umzugehen" (Oda Wischmeyer, 1. Korintherbrief, 2006, 157. In: Dies. (Hrsg.), Paulus, 138ff).

Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson (1902–1994) beschreibt in seinem 8-stufigen Modell der ein entwicklungspsychologisches Modell der psychosozialen Entwicklung des Menschen. Diese entfalte sich im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes als Individuum und den sich im Laufe der Entwicklung permanent verändernden Anforderungen der sozialen Umwelt. Seine Entwicklungstheorie spricht den Beziehungen bzw. der Interaktion des Kindes mit seiner personalen (und gegenständlichen) Umwelt eine wesentliche Rolle für die psychische Entwicklung zu.  Jede Stufe stellt eine Krise dar, mit der das Individuum sich aktiv auseinandersetzt. Die Folge ist für Erikson unumkehrbar. Die erfolgreiche Bewältigung einer Entwicklungsstufe liegt in der Klärung des Konflikts auf dem positiv ausgeprägten Pol. Sie ist für die Bewältigung der nächsten Phase zwar nicht unbedingt erforderlich, aber hilfreich. Die vorangegangenen Phasen bilden somit das Fundament für die kommenden Phasen, und angesammelte Erfahrungen werden verwendet, um die Krisen der höheren Lebensalter zu verarbeiten. Dabei wird ein Konflikt nie vollständig gelöst, sondern bleibt ein Leben lang aktuell, war aber auch schon vor dem jeweiligen Stadium als Problematik vorhanden. Für die Entwicklung ist es notwendig, dass er auf einer bestimmten Stufe ausreichend bearbeitet wird, damit man die nächste Stufe erfolgreich bewältigen kann.
  • Stadium 1: Ur-Vertrauen vs. Ur-Misstrauen (1. Lebensjahr) - „Ich bin, was man mir gibt.“
  • Stadium 2: Autonomie vs. Scham und Zweifel (2. bis 3. Lebensjahr) - „Ich bin, was ich will.“
  • Stadium 3: Initiative vs. Schuldgefühl (4. bis 6. Lebensjahr) - „Ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden.“
  • Stadium 4: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl (6. Lebensjahr bis Pubertät) - „Ich bin, was ich lerne.“
  • Stadium 5: Identität vs. Ich-Identitätsdiffusion (Jugendalter) - „Ich bin, was ich bin.“
  • Stadium 6: Intimität und Solidarität vs. Isolation (frühes Erwachsenenalter) - „Wir sind, was wir lieben.“
  • Stadium 7: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption (Erwachsenenalter) - „Ich bin, was ich bereit bin zu geben.“
  • Stadium 8: Ich-Integrität vs. Verzweiflung (reifes Erwachsenenalter) - „Ich bin, was ich mir angeeignet habe“ (Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung. Aus: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie. Download vom 28.08.2016).

Das Doppelgebot der Liebe findet sich bei Ericson in der Stufe 6 und 7 wider. Stufe 7 steht in Beziehung zum Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (siehe Post vom 13. Sonntag nach Trinitatis in diesem Blog). Wendet man das Modell auf die Institution NAK an, dann finden sich Argumente und Aussagen im KNK, die belegen, dass sich diese junge Kirche auch in eher frühen Entwicklungsstadien befindet. Derzeit wir die Gabe des Heiligen Geistes noch exklusiv mit dem Wirken des Apostelamts der NAK verknüpft ("Die Vermittlung der Gabe des Heiligen Geistes durch Apostel geschieht im Sakrament der Heiligen Versiegelung"; KNK 164) und das neuapostolische Apostelamt als Amt und Autorität für alle christlichen Kirchen vorstellt ("Das Apostelamt ist für die gesamte Kirche Christi gegeben"; KNK 302 und "Insofern ist nicht nur dort Kirche Christi, wo das Apostelamt wirkt, sondern auch dort, wo sich christlicher Glaube in der tätigen Liebe zum Nächsten, im klaren Bekenntnis zu Jesus Christus und im ernsten Bemühen um Nachfolge Christi verwirklicht"; KNK 282). Nach Ericson entspricht dies eher frühen Entwicklungsstufen wie 2 und/oder 3. Die Institution NAK steht zum „Reif werden im Glauben“ vor einem großen Weg. In wie fern das individuelle Entwicklungsmodell allerdings auch auf Systeme anwendbar ist, ist fraglich, wobei Witte (1989) das Individuum auch als ein (Individual-) System versteht und ausformuliert (Witte, Sozialpsychologie, 1989).

Interessant sind die Überlegungen von Berger zu dem heutigen Evangelium, die er mit den Worten: „Der Dank verwandelt auch den Dankenden“ überschrieben hat. "Der Dank ist - theologisch gesehen - Ausdruck eines personalen Gottesbildes. Wer dankt, weiß, dass Gott der ist, von dem alles abhängt. Dieses 'alles' wird im Dank historisch oder biografisch gefüllt. Denn der Dank nennt Gottes Taten in der Schöpfung, in der Geschichte des Heils und im Lebensbereich des Einzelnen. So ist der Dank stets Antwort und geschieht in der persönlichen Anrede. Der Dank gebührt Gott allein und das NT spricht vom Lob als Dankopfer (Hebr 13, 15)." So dankt der Samaritaner Jesu für die Genesung, macht ihm jedoch durch die Rückkehr und dem Dank vor allem deutlich, dass er die Möglichkeit zur wiedergewonnenen Teilnahme am Gottesdienst (Opferkult) als die eigentliche und tiefergehendere Heilung verstanden hat (vergl. Berger, 2006, C, 270-274).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen