Freitag, 21. Oktober 2016

22. Sonntag nach Trinitatis; mit einem Kommentar über die Leitgedanken der NAK zum 23. Oktober 2016


In Gottes Schuld


„Der 22. Sonntag nach Trinitatis befasst sich mit Schuld im weiteren Sinne, bekommt aber sein Thema vom Gleichnis vom "Schalksknecht", das die Bitte des Vaterunsers "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern" deutlich unterstreicht. Andere Aspekte der Schuld, die an diesem Sonntag durch die Perikopen angesprochen werden, sind die der Sündenvergebung und -bindung (!) durch die Nachfolger Jesu, der unbedingten Sündhaftigkeit des Menschen, selbst gegen seinen Willen, durch das Gesetz, und die der Unfähigkeit des Menschen, seine Schuld wieder gutzumachen. Die Vielschichtigkeit von Schuld macht es unmöglich, dieses Thema letztgültig abzuhandeln, da man auch immer selbst in der Schuld verhaftet ist und sich damit auch nicht zum Richter über andere erheben kann. Am 22. Sonntag nach Trinitatis hören wir das Gleichnis vom Schalksknecht. Wir erfahren das kostbare Geschenk der Vergebung unserer unermesslichen Schuld durch den Tod Jesu Christi und danken Gott dafür, indem wir selbst unser Leben durch die Kraft der Vergebung gestalten und uns unserem Nächsten vergebend zuwenden“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 143:
Ein Gebet in Lebensgefahr
Herr, höre mein Gebet, vernimm mein Flehen! Du bist doch treu und schenkst Rettung, bitte antworte mir! Geh nicht ins Gericht mit mir, deinem Diener – vor dir könnte doch kein Mensch bestehen! ´Erhöre mich`, denn der Feind trachtet mir nach dem Leben, er hat mich zu Boden getreten, mich in grauenvolle Finsternis getrieben – ich gleiche denen, die begraben und für immer vergessen sind. Ich habe allen Mut verloren, mein Herz ist starr vor Verzweiflung. Ich denke zurück an die früheren Tage, sinne nach über all dein Tun; meine Gedanken richten sich auf das, was deine Hände geschaffen haben. Ich strecke meine Hände zu dir aus, meine Seele dürstet nach dir wie dürres Land nach Wasser. Erhöre mich rasch, Herr, ich verzehre mich vor Verlangen nach deiner Hilfe! Verbirg dein Angesicht nicht vor mir, sonst gleiche ich denen, die ´sterben und` unter die Erde kommen. Lass mich schon früh am Morgen deine gnädige Antwort hören, denn auf dich vertraue ich. Lass mich den Weg wissen, den ich gehen soll, – meine Seele sehnt sich nach dir. Befreie mich von meinen Feinden, Herr, denn bei dir habe ich Schutz gesucht. Lehre mich, so zu handeln, wie du es willst; denn du bist mein Gott. Dein guter Geist führe mich ´wieder` über ebenes Land. Mach deinem Namen Ehre, Herr, und rette mein Leben. Erweise deine Treue, hilf mir aus aller Bedrängnis; und weil du gnädig bist, vertilge meine Feinde – vernichte sie alle, die mich bedrängen und mir nach dem Leben trachten! Denn ich bin dein Diener. (NGÜ)

Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Mt 18, 21-35:
Unbegrenzte Bereitschaft zur Vergebung
Da wandte sich Petrus an Jesus und fragte ihn: »Herr, wenn mein Bruder oder meine Schwester an mir schuldig wird, wie oft muss ich ihnen verzeihen? Siebenmal?« Jesus antwortete: »Nein, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal!«
Das Gleichnis vom hartherzigen Schuldner
Jesus fuhr fort: »Macht euch klar, was es bedeutet, dass Gott angefangen hat, seine Herrschaft aufzurichten! Er handelt dabei wie jener König, der mit den Verwaltern seiner Güter abrechnen wollte. Gleich zu Beginn brachte man ihm einen Mann, der ihm einen Millionenbetrag schuldete. Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn zu verkaufen, auch seine Frau und seine Kinder und seinen ganzen Besitz, und den Erlös für die Tilgung der Schulden zu verwenden. Aber der Schuldner warf sich vor ihm nieder und bat: ›Hab doch Geduld mit mir! Ich will dir ja alles zurückzahlen.‹ Da bekam der Herr Mitleid; er gab ihn frei und erließ ihm auch noch die ganze Schuld. Kaum draußen, traf dieser Mann auf einen Kollegen, der ihm einen geringen Betrag schuldete. Den packte er an der Kehle, würgte ihn und sagte: ›Gib zurück, was du mir schuldest!‹ Der Schuldner fiel auf die Knie und bettelte: ›Hab Geduld mit mir! Ich will es dir ja zurückgeben!‹ Aber sein Gläubiger wollte nichts davon hören, sondern ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld beglichen hätte. Als das seine anderen Kollegen sahen, konnten sie es nicht fassen. Sie liefen zu ihrem Herrn und erzählten ihm, was geschehen war. Er ließ den Mann kommen und sagte: ›Was bist du für ein böser Mensch! Ich habe dir die ganze Schuld erlassen, weil du mich darum gebeten hast. Hättest du nicht auch Erbarmen haben können mit deinem Kollegen, so wie ich es mit dir gehabt habe?‹ Dann übergab er ihn voller Zorn den Folterknechten zur Bestrafung, bis er die ganze Schuld zurückgezahlt haben würde. So wird euch mein Vater im Himmel auch behandeln, wenn ihr eurem Bruder oder eurer Schwester nicht von Herzen verzeiht.« (GNB)

Die Leitgedanken der NAK für den 22. Sonntag noch Trinitatis tragen die Überschrift „Im Reich Gottes gibt es keine Diebe“ 

Die Predigtgrundlage findet sich in „Ex 20,15: Du sollst nicht stehlen.“ (LUT)

Begründet wird die Auswahl so: „Das siebte Gebot - „Du sollst nicht stehlen“ – wird am Sonntag, den 23. Oktober thematisiert. Die uns von Christus geschenkte Freiheit durch das Evangelium (Gal 5,13) gilt es, vor Dieben zu schützen oder auch energisch zu verteidigen. Die, die Christus lieben und sich nach dem Reich Gottes ausrichten, „stehlen“ nicht, also nehmen dem Nächsten nichts, sondern suchen sein Wohl zu „vermehren“. Sie fördern den Glauben des Nächsten und helfen, dass auch er sich auf die Wiederkunft Christi vorbereiten kann“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Zum heutigen Sonntag erklingt die Kantate: „Ich armer Mensch, ich Sündenknecht (BWV 55) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Er komponierte sie in Leipzig für den 22. Sonntag nach Trinitatis, den 17. November 1726.

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Jesus nimmt die Sünder an“ (T: Erdmann Neumeister 1718; M: Johann Ulrich 1674).

Kommentar: "Das Himmelreich ist wie" oder "seit Gott sein Himmelreich aufgerichtet hat, gilt"... So beginnt die Parabel vom "Aufleben der Schuld und das Aufheben des Schuldenerlasses (Vom unbarmherzigen Knecht)" wie es bei Hanna Roose, 2007 heißt. Roose konstatiert dort ein "anstößiges Gottesbild" (455). Es wird ein unbarmherziger Gott beschrieben, dem ein ohnmächtiger Mensch (Sklave) gegenübersteht (In: Zimmermann: Kompendium der Gleichnisse Jesu. 445-460). 
Für mich gibt es lediglich einen wichtigen Augenblick im Ablauf der Parabel und das ist der Moment, als dem Sklaven die gesamte Schuld vergeben wird und er sich auf dem Rückweg in seine "eigene Welt" befindet (V27 und V28). Hier ergibt für mich die Metapher einen Sinn. Das Himmelreich ist dann volle Vergebung, die wir nur demütig empfangen können und gleichzeitig volle Entscheidungsfreiheit. Seit das Himmelreich gekommen ist, haben wir die freie Wahl, zu vergeben oder nicht. Dieses Motiv (volle Vergebung + Entscheidungsfreiheit) findet sich auch im Mt 6, 12 (Vaterunser: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern; LUT). Wir erleben jeden Tag, welche verheerenden Folgen es hat, nicht vergebungsbereit, vergebungsfähig oder vergebungswillig zu sein. Uns erwarten dann Konsequenzen, die in Gewissensbissen, in der Aufgabe der eigenen Menschlichkeit, die Solidarität und Nächstenliebe beinhaltet, und der Abkehr vom sich-ereigneten Himmelreich bestehen. So kann also eine fehlende Vergebungsbereitschaft, Vergebungsfähigkeit oder ein mangelnder Vergebungswille als größt möglicher Dieb angenommen werden.  

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