Mittwoch, 5. März 2014

Reminiszere - Kommentar zu den LG vom 16.03.2014

Einleitung: "An diesem Sonntag wird die Themenreihe, die mit 'Die Seligpreisungen' überschrieben ist, fortgesetzt. Leid zu tragen wird gepriesen, denn das Leid – hier ist gleichermaßen körperliches Leid wie Leiden unter der Sündenschuld gemeint – kann dazu dienen, sich dem göttlichen Wirken zu öffnen und allein auf Gottes Hilfe zu hoffen."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Leid tragen – Trost empfangen."

Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist "Mt 5, 4: Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden."

Die Kernbotschaft lautet: "Der Herr lässt uns im Leid nicht allein. Leid muss bewusst gemacht und Trost angenommen werden."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Zu Beginn der Bergpredigt, die in Mt 5−7 überliefert ist, werden von Jesus Seligpreisungen ausgesprochen. 'Selig' ist hier als glücklich zu verstehen. Die 'Leid tragen' sind aber auch all jene, die an natürlichen Dingen (Krankheit, Armut), aber auch unter ihren Sünden und der Schuld, die sie auf sich geladen haben, leiden. In der Bergpredigt wird Jesus als Gesetzgeber des Neuen Bundes erkennbar."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst:
  • "Mit den Seligpreisungen tritt Jesus als Gesetzgeber des Neuen Bundes auf.
  • Leid kann auch durch eine langsame Entfernung von Gott entstehen.
  • Der Trost aus dem Heiligen Geist hilft allen Leidenden“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Zu der These, dass Jesus in der Bergpredigt als "Gesetzgeber des Neuen Bundes" aufträte, siehe meinen Post "Kommentar zu den Leitgedanken vom 09.03.2014."
Andere Übersetzungen sprechen von "Trauernden" (EU, ELB, NGÜ, GSB). Die GNB übersetzt mit "unter dieser heillosen Welt leiden."
Im Kontext der Bergpredigt ist eine Traurigkeit gemeint, "die aus der Erschütterung durch die Wahrheit kommt, den Menschen zur Umkehr bringt, zum Widerstand gegen das Böse" (Benedikt XVI./Ratzinger, J, Jesus von Nazareth I, 2007, 116). Als Beispiel kann Petrus genannt werden. Letztlich sind "die 'Trauernden' keine andere Gruppe als die 'Armen.' Es sind die Niedergebeugten und Demütigen, alle, die unter der Last von Leid und Schuld seufzen und den 'Trost' allein von Gott erwarten. (...) Der 'Trost' Gottes ist ein verbreiteter Gedanke, besonders in den Zukunftsverheißungen des Judentums (Jes 40, 66)" (Schnackenburg, R, Matthäusevangelium I, 47. Aus: Die Neue Echter Bibel: Kommentar zum neuen Testament mit der EU).


Am 16.03.2014 feiern wir den Sonntag "Reminiszere - Gott und Mensch. Der Name des Sonntags leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: Reminiscere miserationum tuarum, Domine, et meserationum tuarum, Domine, et misericordiarum tuarum quae e saeculo sunt (Denk an dein großes Erbarmen, Herr, und an deine reiche Gnade, die du seit jeher erwiesen hast; Ps 25, 6) und wir hören das Gleichnis von den bösen Weingärtnern" (aus: Senftleben, Mit dem Kirchenjahr leben, 1988, 43).

Der Wochenpsalm im Ablauf des (ev.) Kirchenjahres ist Ps 35, 1-16:
"Gott nimmt die Schwachen in Schutz
Von David. Herr, sprich sie schuldig, die mich beschuldigen; tritt meinen Gegnern entgegen! Nimm Schild und Waffen, komm und hilf mir! Zücke die Lanze, versperre den Weg, dass meine Verfolger mich nicht erreichen! Gib mir die Zusage, dass du mir hilfst! Schimpf und Schande über alle, die mir ans Leben wollen! Zurückweichen müssen sie und sich schämen, alle, die Böses gegen mich planen! Sie sollen zerstieben wie Spreu im Wind, wenn der Engel des Herrn sie davontreibt. Ihr Weg soll dunkel und schlüpfrig sein, wenn der Engel des Herrn ihnen nachjagt. Ohne Ursache haben sie mir Fallen gestellt, ein Loch gegraben und mit einem Netz verdeckt. Ganz unerwartet treffe sie das Unheil! Sie sollen sich in ihrem Netz verfangen und in die eigene Grube stürzen! Ich aber werde jubeln und mich freuen, weil mir der Herr geholfen hat. Aus tiefstem Herzen will ich zu ihm sagen: 'Herr, keiner ist wie du! Du hilfst dem Schwachen gegen den Starken, du schützt den Wehrlosen und Armen vor dem, der ihn berauben will.' Falsche Zeugen sagen gegen mich aus. Man verhört mich über Verbrechen, von denen ich nichts weiß. Gutes vergelten sie mir mit Bösem; alle haben mich im Stich gelassen. Früher, wenn einer von ihnen krank war, zog ich mir Trauerkleidung an. Um seine Krankheit von ihm abzuwenden, verzichtete ich auf mein Essen; ich neigte meinen Kopf tief auf die Brust und betete für ihn, als wäre er mein Bruder oder Freund. Wie einer, der um seine Mutter trauert, ging ich umher, gebeugt und voller Kummer. Nun aber freuen sie sich über meinen Sturz und rotten sich zusammen gegen mich. Sogar verachtetes Volk kommt daher, Leute, die niemand kennt; sie hören nicht auf, mich zu beschimpfen. Sie spotten über mein entstelltes Aussehen; drohend zeigen sie mir die Zähne" (GNB).

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich bei Mk 12, 1-12:
"Das Gleichnis von den bösen Weinbergspächtern
Dann wandte sich Jesus mit einem Gleichnis an sie. Er sagte: 'Ein Mann legte einen Weinberg an, machte einen Zaun darum, baute eine Weinpresse und errichtete einen Wachtturm. Dann verpachtete er den Weinberg und verreiste. Zur gegebenen Zeit schickte er einen Boten zu den Pächtern, um seinen Anteil am Ertrag des Weinbergs abholen zu lassen. Die Pächter aber verprügelten den Boten und ließen ihn unverrichteter Dinge abziehen. Der Besitzer schickte einen zweiten, dem schlugen sie den Kopf blutig und behandelten ihn auf die schimpflichste Weise. Da schickte er einen weiteren Boten. Den brachten sie sogar um. Und so machten sie es noch mit vielen anderen, die er schickte: Die einen wurden misshandelt, die anderen umgebracht. Schließlich blieb ihm nur noch sein eigener Sohn, dem seine ganze Liebe galt. Den schickte er zu den Pächtern, weil er sich sagte: ›Vor meinem Sohn werden sie Respekt haben.‹ Aber die Pächter sagten zueinander: ›Das ist der Erbe! Wir bringen ihn um, dann gehört seine Erbschaft, der Weinberg, uns!‹ So töteten sie ihn und warfen die Leiche aus dem Weinberg hinaus. Was wird nun der Besitzer des Weinbergs tun? Er wird selbst kommen, die Pächter töten und den Weinberg anderen anvertrauen. Ihr kennt ja wohl die Stelle in den Heiligen Schriften, wo es heißt: ›Der Stein, den die Bauleute als wertlos weggeworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Der Herr hat dieses Wunder vollbracht, und wir haben es gesehen.‹' Die führenden Priester, die Gesetzeslehrer und die Ratsältesten hätten Jesus gerne festgenommen; denn sie merkten, dass das Gleichnis auf sie gemünzt war. Aber sie hatten Angst vor der Menge. So ließen sie ihn unbehelligt und gingen weg" (GNB).

Oft werden Gleichnisse allegorisch verstanden und interpretiert. Allegorien haben den Sinn, die 2000-jährige Distanz zwischen dem Erzählten und unserer aktuellen Lebenswirklichkeit zu überbrücken. Jedoch ist die allegorische Deutung einer Parabel kein ursprünglicher Teil der Jesusüberlieferung, sondern entspricht eher einer Jahrhunderte alten christlichen Deutungspraxis (vergl. dazu ausführlich Jeremias, J, Die Gleichnisse Jesu, 11. Aufl., 1996, 47ff). Drewermann (vergl. Drewermann, E, Wenn der Himmel die Erde berührt, 2004, 66ff) z. B. tauscht in seiner allegorischen Deutung die Synagoge gegen die Kirche und die Juden gegen die Christen aus. Dies ist sein Versuch, die Parabel "in unsere Tage hinein sprechen zu lassen" (74). Gott wird als der Besitzer des Weinberges angesehen und die Gemeinde, "die Gemeinschaft der Heiligen", als der Weinberg verstanden. Die bösen Winzer sind dann die Bischhöfe, Apostel, Pfarrer, Pastoren, Priester etc., die sich hinter Bestimmungen verstecken und an Festlegungen klammern und den Menschen nicht mehr zuhören und ihre Nöte nicht mehr sehen, vor lauter Wissen, was katholisch, evangelisch, neuapostolisch etc. ist, die die Lehre verinnerlicht haben, ohne sie jedoch zu leben (zum Unterschied zwischen "Besitzen" und "Leben" vergl. Fromm, E, Haben oder Sein, 1997).
In einer (tiefen-) psychologischen Allegorie wird der Weinberg als die Seele verstanden (Gott bleibt der Besitzer des Weinberges, gleichsam der Ausgangsort der Seele) und die "bösen Winzer" sind wir selber mit unserer Angst, Dinge falsch zu machen, anzuecken, als unvernünftig angesehen zu werden. "Hoffen möchte man, (...) dass wir unseren Träumen glauben, (...), unserer tieferen Berufung Folge leisten, der Kraft des inneren Gefühls, unserer eigenen Gedanken, der Stimme im Verborgenen, in unserem eigenen Ich Raum geben, und dass es uns trägt wie der aufsteigende Saft in den Reben im Weinberg. (...) (Denn) am Ende wird die Frage sein, wieviel fruchtbar war, wieviel sich vollendet hat, wieviel Süßigkeit des Lebens weitergegeben wurde. Denn unser Leben ist bestimmt zur Freude, zur Schönheit und zum Glück" (71).
Oldenhage schlägt vor, dass sich heutige Hörer auf einen "metaphorischen Prozess" einlassen könnten. So kann z. B. die Anhäufung physischer Gewalt in der Parabel dazu genutzt werden, sich Erfahrungen von eigenen und gesellschaftlichen Katastrofen, Verzweiflungen, Tod, Leiden, Schuld und Hass zu vergegenwärtigen (vergl. dazu Zimmermann, R (Hg), Kompendium der Gleichnisse Jesu, 2007, 352ff).
Alt eröffnet schließlich einen (friedens-) politischen Deutungshorizont mit der Frage, wie man der "Spirale der Gewalt" entkommen kann (Alt, F, Frieden ist möglich, 1983).

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