Freitag, 28. August 2015

14. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 06. September 2015

Einleitung: "'Den Glauben bekennen' - das ist das Schwerpunktthema im Monat September. Das Bekennen des Glaubens ist ja grundsätzliche Aufgabe des Christen, die er bei seiner Taufe übernimmt - und deren Erfüllung ihn erst zum wahren Christen werden lässt: 'In der christlichen Tradition wird gesagt, dass nur die wahrhaft Gläubigen der unsichtbaren, verborgenen Kirche zugeordnet werden, nicht hingegen Getaufte, die weder an Jesus glauben noch ihn als ihren Herrn bekennen' (KNK 6.5).
Die vier Sonntagsgottesdienste im September haben die Aufgabe, jeweils unterschiedliche Facetten herauszustellen, wie der neuapostolische Christ seinen Glauben bekennen kann. Der Gottesdienst am 6. September legt den Schwerpunkt auf das Bekennen des Glaubens in Wort und Tat unter dem Gedanken, dass Gottes Güte und Liebe alle unsere Vorstellungen übersteigen - und schon von daher des Dankens und Rühmens wahrhaft wert sind."

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: "Gott tut das Unerwartete"

Die Lesung und gleichzeitige Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist "Eph 3, 20-21: Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen." (LUT)

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: "Wir rühmen Gott, indem wir unseren Glauben bekennen und das Evangelium in Wort und Tat umsetzen."

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: "Der Abschnitt des Epheserbriefes (Eph 3, 14-21), aus dem unser Bibelwort stammt, preist in Form einer Fürbitte für die Gemeinde (Eph 3, 14) Gott und dessen Gaben: den Glauben, die Erkenntnis der Liebe Christi, die Geborgenheit im Heiligen Geist. Dann wird die feste Zuversicht beschrieben, dass Gott auch das Ungewöhnliche und Unerwartete tun kann. Der Abschnitt will - wie der gesamte Epheserbrief - der Entfremdung zwischen Juden- und Heidenchristen entgegentreten."

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: "Gott gibt uns mehr, als wir erbitten und uns vorstellen können. Dafür wollen wir ihn rühmen, das heißt, ihn lobpreisen und anbeten. So bekennen wir unseren Glauben. Wir rühmen Gott, indem wir das Evangelium in Wort und Tat umsetzen und selbstlos am Nächsten handeln" (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Die BNÜ gibt Eph 3, 20-21 wie folgt wieder: "Gott kann noch weitaus mehr tun, als wir zu bitten wagen oder überhaupt denken können. Diese Kraft läßt er schon in uns wirksam sein. Ihm gebührt alle Ehre und Verherrlichung in der Kirche, dort, wo man mit Jesus eins ist in alle Ewigkeit. Amen." 
Es ist unstrittig, dass es sich bei dem Epheserbrief nicht um ein Schreiben aus der Feder des Apostels Paulus handelt, sondern um eine sogen. Deuteropauline (vergl. dazu BNÜ, 212; Bernhard Heininger, Die Rezeption des Paulus im 1. Jh. In: Wischmeyer, 2006, 316-320). "Das zentrale theologische Thema des Eph ist aber die Kirche mit Christus als ihrem Haupt. Darüber hinaus ist die Kirche  'Braut Christi', womit der Verfasser auf die untrennbare Verbindung von Kirche und Christus abhebt: Es gibt das eine nicht ohne das andere. (...) Insgesamt ist der Brief getragen von dem Gedanken an die eine Gesamtkirche aus Juden und Heiden mit dem Haupt Jesus Christus" (ebenda, 319f). Letztlich ist die heutige Predigtgrundlage eine neutestamentliche Variation des Themas der Vorwoche. 

An diesem Sonntag feiern wir den 14. Sonntag nach Trinitatis - Brot der Engel aßen sie alle, er sandte ihnen Speise in Fülle.

„Der 14. Sonntag nach Trinitatis redet von der heilenden Kraft Gottes. Das Thema dieses Sonntags ist diesmal von der Epistel her abgeleitet. Die anderen Texte haben wenig mit dem Thema zu tun. Es wird schwierig sein, die Thematik durchzuziehen, man sollte es aber versuchen. Von daher ist eine Vertiefung in die Epistel bei der Studie des aktuellen Predigttextes ratsam.

Wir hören am 14. Sonntag nach Trinitatis die Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen. Wir erfahren die Kraft Gottes, durch die Menschen, die Außenseiter waren, wieder zu Gliedern der Gemeinde werden. Die lebendige Kraft des Geistes Gottes hat auch uns zur Gemeinde hinzugetan; in ihr bringen wir unseren Dank gegen Gott zum Ausdruck dafür, dass wir seine Kinder sein dürfen, indem wir einander achten und lieben“ (www.daskirchenjahr.de).

Die Bachkantaten (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag sind:

Wer Dank opfert, der preiset mich (BWV 17)
Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe (BWV 25)
Jesu, der du meine Seele (BWV 78)
Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 78, 1-31:


Gottes Wege mit seinem Volk
Höre, mein Volk, auf meine Weisung, habt ein offenes Ohr für meine Worte. Sprüche der Weisheit will ich vortragen, ich will verkünden, was seit grauer Vorzeit verborgen war. Was wir gehört und erfahren haben und was unsere Väter uns erzählt haben, das wollen wir auch unseren Kindern nicht vorenthalten. Denen, die nach uns kommen, wollen wir von den großartigen Taten des Herrn erzählen, von seiner Macht und den Wundern, die er vollbracht hat. Für die Nachkommen Jakobs hat er Verordnungen erlassen, die seinen Willen bezeugen, ja, für ganz Israel hat er Gesetze aufgestellt. Unseren Vorfahren befahl er, sie ihren Kindern weiterzugeben. Denn die ganze Nachwelt sollte gut Bescheid darüber wissen, alle, die später geboren würden, sollten immer wieder bereit sein, es ihren Kindern zu erzählen. So würden sie alle ihr Vertrauen auf Gott setzen und seine großen Taten nicht vergessen. Ja, dann würden sie nach seinen Geboten leben. Auf keinen Fall sollten sie wie ihre Vorfahren werden, die sich immer wieder voller Trotz gegen Gott auflehnten – eine Generation, deren Herz nie ganz Gott gehörte und die ihm nie treu war. Die Männer vom Stamm Efraïm, gut gerüstete Bogenschützen, sind am entscheidenden Kampftag zurückgewichen. Sie hielten sich nicht an Gottes Bund, den er mit seinem Volk geschlossen hatte, sie weigerten sich, sein Gesetz zu befolgen. Seine großartigen Taten vergaßen sie, auch die Wunder, die er sie erleben ließ. Dabei hatte er vor den Augen ihrer Vorfahren Wunder vollbracht, in Ägypten, im Gebiet der Stadt Zoan. Er teilte das Meer und ließ sie hindurchziehen, zu beiden Seiten staute er das Wasser auf wie einen Damm. Er leitete das Volk am Tag durch eine Wolke und in der Nacht durch einen leuchtenden Feuerschein. In der Wüste spaltete er Felsen, Wasser in Fülle ließ er hervorströmen wie Meeresfluten und gab ihnen reichlich zu trinken. Bäche ließ er hervorbrechen aus dem Gestein, und das Wasser schoss herunter wie ein reißender Fluss. Sie aber sündigten weiter gegen ihn und lehnten sich dort in der Wüste gegen ihn, den Höchsten, auf. Ganz bewusst stellten sie Gott auf die Probe und forderten von ihm die Speise, nach der sie Verlangen hatten. Sie beleidigten Gott und fragten: »Ist Gott wohl in der Lage, uns auch in der Wüste einen gedeckten Tisch vorzusetzen? Nun gut, er schlug auf den Felsen, das Wasser floss heraus, sogar ganze Bäche strömten hervor. Aber kann er seinem Volk auch Brot geben oder gar Fleisch verschaffen?« Der Herr hörte es und wurde so zornig, dass er ein Feuer um sich greifen ließ bei den Nachkommen Jakobs, sein Zorn entbrannte gegen Israel. Denn sie glaubten Gott nicht, und sie vertrauten nicht auf seine Hilfe. Und trotzdem gab er den Wolken über ihnen einen Befehl, ja, er öffnete die Türen des Himmels. Er ließ Manna auf sie regnen, damit sie zu essen hatten, Getreide aus dem Himmel gab er ihnen. Jeder von ihnen aß das Brot der Engel, und Gott gab ihnen Speise in Fülle. Den Ostwind ließ er am Himmel aufkommen, und auch den Südwind trieb er mit Macht herbei. ´Auf sein Volk` ließ er Fleisch regnen, unzählbar wie Staubkörner, Geflügel gab es wie Sand am Meer. Über den Lagerplatz seines Volkes ließ er die Vögel fallen, mitten hinein, rings um ihre Zelte. Sie aßen davon und wurden reichlich satt, alles, was sie so gierig verlangten, gab er ihnen. Doch noch war ihre Gier nicht gestillt, noch war die Speise in ihrem Mund, da brach Gottes Zorn gegen sie los. Er tötete viele ihrer starken, gesunden Leute, ja, zahlreiche junge Männer Israels streckte er nieder. (NGÜ)

Die Epistel steht in Rö 8, 12-17.


Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Lk 17, 11-19:
Der dankbare Samariter
Auf dem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf ging, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in gehörigem Abstand stehen und riefen laut: »Jesus! Herr! Hab Erbarmen mit uns!« Jesus sah sie und befahl ihnen: »Geht zu den Priestern und lasst euch eure Heilung bestätigen!« Und als sie unterwegs waren, wurden sie tatsächlich gesund. Einer aus der Gruppe kam zurück, als er es merkte. Laut pries er Gott, warf sich vor Jesus nieder, das Gesicht zur Erde, und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus sagte: »Sind nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind dann die anderen neun? Ist keiner zurückgekommen, um Gott die Ehre zu erweisen, nur dieser Fremde hier?« Dann sagte er zu dem Mann: »Steh auf und geh nach Hause, dein Vertrauen hat dich gerettet.« (GNB)

Kommentar: Die Wundererzählung lässt sich auf unterschiedlichsten Ebenen und unter verschiedenen Perspektiven deuten: sie kann als Teil des theologischen Programms des Lukas verstanden werden, messianisch-christologisch, rationalistisch, tiefenpsychologisch oder mit Hinblick auf die medizinische Perspektive gedeutet werden. Dazu ausführlich Ostmeyer, Wandel auf dem Weg des Heils (Die zehn Aussätzigen). In: Zimmermann, 2013, 638-649.

An dieser Stelle möchte ich gerne die sprachlich-narratologische Analyse aus dem o. g. Aufsatz in Teilen wiedergeben. Sie erscheint mir für eine aktuelle Interpretation am ergiebigsten. 
Die überwiegende Zahl der finiten Verbformen in Lk 17, 11-19 wird im Aorist geboten. Dadurch fällt ein besonderes Augenmerk auf die finiten Verben in anderen Tempora.

Der Aorist (griechisch ἀόριστος ahoristos ‚unbestimmte ⟨Zeit⟩‘) ist in einigen indogermanischen Sprachen ein Tempus der Vergangenheit. Im Gegensatz zu anderen Vergangenheitstempora wie beispielsweise dem Imperfekt oder dem Perfekt beschreibt er Vorgänge in der Vergangenheit, die als individuelle einmalig abgeschlossene Handlungen, also punktuell, betrachtet werden. Er beinhaltet damit den perfektivenVerbalaspekt. Diese Aspektbedeutung des Aorist kann in einigen Formen die zeitliche verdrängen. Der grammatische Terminus Aorist wird für andere Sprachen uneinheitlich und teilweise widersprüchlich benutzt. So bezeichnet er im Türkischen ein Tempus, das etwas ausdrückt, das eher dem imperfektiven Aspekt nahekommt (Quelle: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie. Download vom 20.09.2014). 

Jesus wird als der dargestellt, der sich bewegt und der in Bewegung setzt. Der Eingangsvers (V 11) verortet die Handlung auf dem Weg und Jesus wird als der geschildert, der Unterwegs und auf der Durchreise ist. Auch der Ort ist unbestimmt. Dies wird sprachlich durch unterschiedliche grammatikalische Formen ausgedrückt. Im Unterschied zum wandelnden Jesus werden die zehn Aussätzigen als statisch beschrieben. Das erste Wort, das Jesus an sie richtet hat, ist die Aufforderung, sich in Bewegung zu setzten und sich dann den Priestern zu zeigen. Um den Aufbruch aus der starren Haltung zu betonen heißt es: „indem sie weggingen, wurden sie gereinigt“ (ELB, V 14c). Analog zu Jesus, der die Aussätzigen sah, sieht jetzt der Samaritaner, dass er geheilt ist. Er sieht, dass er gesehen ist. Als einziger der Geheilten kehrt er um. Lukas benutzt hier das Wort „Umkehren“ oder „Rückkehren.“ Jesus sendet schließlich den Samaritaner auf einen neuen Weg und hat so gleichsam durch die Heilung (die Bewegung) dem Samaritaner die Rückkehr in seine Gemeinschaft ermöglicht. 

Die sprachlich-narrative Ebene ist auch deswegen so beachtenswert, da sie dadurch den Blick für den sozial- und realgeschichtlichen Kontext schärft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Lepra-Kranken um die „eigentliche, echte“ chronisch bakterielle Infektionskrankheit gehandelt hat. Diese war in diesem Landstrich gar nicht verbreitet. Es geht eher um die mit Krankheiten verbundene soziale Ausgrenzung der „Aussätzigen.“ Existenzbedrohend ist nicht der Gesundheitszustand, sondern die Ausgrenzung und der Ausschluss vom Opferkult. Hier setzt Jesus an und überwindet durch Zuwendung (Empathie) Ausgrenzung. 

Interessant sind auch die Überlegungen von Berger zu dieser Wunderheilung, die er mit den Worten: „Der Dank verwandelt auch den Dankenden“ überschrieben hat. "Der Dank ist - theologisch gesehen - Ausdruck eines personalen Gottesbildes. Wer dankt, weiß, dass Gott der ist, von dem alles abhängt. Dieses 'alles' wird im Dank historisch oder biografisch gefüllt. Denn der Dank nennt Gottes Taten in der Schöpfung, in der Geschichte des Heils und im Lebensbereich des Einzelnen. So ist der Dank stets Antwort und geschieht in der persönlichen Anrede. Der Dank gebührt Gott allein und das NT spricht vom Lob als Dankopfer (Hebr 13, 15)." So dankt der Samaritaner Jesu für die Genesung, macht ihm jedoch durch die Rückkehr und dem Dank vor allem deutlich, dass er die Möglichkeit zur wiedergewonnenen Teilnahme am Gottesdienst (Opferkult) als die eigentliche und tiefergehendere Heilung verstanden hat (vergl. Berger, 2006, C, 270-274).

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