Freitag, 5. Februar 2016

Estomihi; mit einem Kommentar zu den Leitgedanken der NAK vom 07. Februar 2016

Bild: Der Kreuzweg Christi (Pantheon in Rom); eigene Aufnahme

Der Weg zum Kreuz (Der Weg der Liebe)


Der heutige Sonntag trägt den Namen Estomihi und leitet sich von dem Beginn der lateinischen Antiphon ab: esto mihi in lapidem fortissimum et in domum munitam ut salves me (Ps 31, 3b: Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest!).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 31:
Alle Zeiten meines Lebens sind in deiner Hand
Bei dir, Herr, habe ich Zuflucht gefunden. Lass mich nie in Schande geraten! Erweise mir deine Treue und rette mich! Neige dich zu mir herab und schenke meinem Rufen ein offenes Ohr! Befreie mich doch schnell aus meiner Not! Sei mir ein Fels, bei dem ich Schutz finde, eine Festung auf hohem Berg! Rette mich! Ja, du, du bist mein Fels und meine Burg! Du wirst mich führen und leiten – dafür stehst du mit deinem Namen ein. Befreie mich aus der Falle, die meine Feinde mir hinterhältig gestellt haben! Du bist mein Schutz. In deine Hände gebe ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott! Ich verabscheue alle, die nutzlose Götzen verehren, und ich selbst vertraue ganz dem Herrn. Voller Freude juble ich über deine Gnade: Du kennst mein Elend, kümmerst dich um meine Nöte, die so schwer auf meiner Seele liegen. Du hast mich nicht in die Hand meiner Feinde gegeben, weiten Raum hast du vor mir geschaffen. Sei du mir ´auch in Zukunft` gnädig, Herr! Noch bin ich in großer Bedrängnis, sind meine Augen trüb vor Traurigkeit, erschöpft bin ich an Leib und Seele. Voller Kummer schwindet mein Leben dahin, mit Stöhnen sehe ich zu, wie meine Jahre verrinnen. Eigene Schuld hat mir die Kraft genommen. Meine Glieder sind wie gelähmt. Meine Feinde haben dafür gesorgt, dass ich Hohn und Spott von meinen Nachbarn ernte. Meine Bekannten schrecken vor mir zurück; wer mich auf der Straße sieht, geht mir eilig aus dem Weg. Man hat mich vergessen, aus der Erinnerung verdrängt wie einen längst Verstorbenen. Ich komme mir vor wie ein ausgedientes Gefäß, ´das man zum Abfall wirft`. Ich höre ja genau, was viele tuscheln. Grauenhaft, was um mich vorgeht! Da schmieden Leute miteinander Pläne gegen mich und haben dabei nur das eine Ziel: sie wollen mir das Leben nehmen. Ich aber, Herr, vertraue auf dich! Ich sage es ´und halte daran fest`: »Du bist mein Gott!« Alle Zeiten meines Lebens sind in deiner Hand. Rette mich auch jetzt aus der Gewalt meiner Feinde und vor denen, die mich verfolgen! Wende dein Angesicht mir, deinem Diener, freundlich zu! Sei mir gnädig und rette mich! Herr, weil ich dich anrufe, lass mich nicht in Schande geraten – die gottlosen Verleumder aber sollen in Schande enden und im Totenreich für immer schweigen müssen. Verstummen muss jedes Lügenmaul, das mit Stolz und Verachtung frech gegen den redet, der nach dem Willen des Herrn lebt. ´Herr`, wie viel Gutes hältst du doch bereit für alle, die Ehrfurcht vor dir haben! Ja, vor den Augen aller Menschen zeigst du deine Güte denen, die bei dir Zuflucht suchen. Du birgst sie ganz nahe bei dir, unter deinen Augen sind sie vor hinterhältigen Menschen sicher. Wie in einer schützenden Hütte bewahrst du sie vor dem feindseligen Geschwätz ringsum. Gepriesen sei der Herr, denn er hat mir wunderbar seine Gnade erwiesen; er hat mir in einer befestigten Stadt Zuflucht geschenkt. Vorher hatte ich noch in meiner Verzweiflung gesagt:»Ich bin alleingelassen, verbannt aus deinen Augen.«Aber du hast auf mein lautes Flehen gehört, schon damals, als ich zu dir um Hilfe schrie. Ihr alle, die ihr zum Herrn gehört: zeigt ihm eure Liebe! Der Herr behütet alle, die ihm die Treue halten. Doch denen, die vermessen handeln, zahlt er ihren Hochmut gründlich heim. Seid stark und fasst neuen Mut, ihr alle, die ihr auf das Eingreifen des Herrn wartet! (NGÜ)

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Mk 8, 31-38:
Jesus kündigt zum ersten Mal seinen Tod an
Danach begann Jesus den Jüngern klar zu machen, was Gott mit ihm vorhatte: dass der Menschensohn vieles erleiden und von den Ratsältesten, den führenden Priestern und den Gesetzeslehrern verworfen werden müsse, dass er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse. Jesus sagte ihnen das ganz offen. Da nahm Petrus ihn beiseite, fuhr ihn an und wollte ihm das ausreden. Aber Jesus wandte sich um, sah die anderen Jünger und wies Petrus scharf zurecht. »Geh weg!«, sagte er. »Hinter mich, an deinen Platz, du Satan! Deine Gedanken stammen nicht von Gott, sie sind typisch menschlich.«
Jesus folgen heißt: ihm das Kreuz nachtragen
Dann rief Jesus die ganze Menschenmenge hinzu und sagte: »Wer mir folgen will, muss sich und seine Wünsche aufgeben, sein Kreuz auf sich nehmen und auf meinem Weg hinter mir hergehen. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben wegen mir und wegen der Guten Nachricht verliert, wird es retten. Was hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber zuletzt sein Leben verliert? Womit will er es dann zurückkaufen? Die Menschen dieser schuldbeladenen Generation wollen von Gott nichts wissen. Wenn jemand nicht den Mut hat, sich vor ihnen zu mir und meiner Botschaft zu bekennen, dann wird auch der Menschensohn keinen Mut haben, sich zu ihm zu bekennen, wenn er in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln kommt!« (GNB)

Meine Bachkantate (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Tag ist:
Herr Jesu Christ, wahr’ Mensch und Gott (BWV 127). Er komponierte die Choralkantate in Leipzig und führte sie am 11. Februar 1725 erstmals auf.

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet:
Lasset uns mit Jesus ziehen (Text: Sigmund von Birken, 1653; Melodie: Johann Schop, 1641 (Sollt ich meinem Gott nicht singen))

Demgegenüber ist die Lesung und die Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK an diesem Sonntag aus „Mt 5, 17: Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ (LUT)

Begründung: Begründet wird die Auswahl, die mit „Das Gesetz des ‚Himmelreichs’“ überschrieben ist, so: „‚Das Gesetz Christi‘ – das ist das Schwerpunktthema, das in drei Sonntagsgottesdiensten im Monat Februar unter verschiedenen Aspekten betrachtet wird. Das ‚Gesetz Christi’ besteht in der Forderung nach Gottes- und Nächstenliebe. Durch dieses Gesetz wird zugleich deutlich, dass sich der Mensch das Heil nicht durch gute Taten verdienen kann, sondern dass es ihm durch den Glauben an Jesus Christus zuteil wird (KNK 4.8.1.). Am ersten Sonntag wird Jesus Christus als derjenige herausgestellt, der als ‚wahrer Mensch‘ als einziger das mosaische Gesetz erfüllt hat. Als ‚wahrer Gott‘ hat er die Autorität, ein neues Gesetz zu geben, das im Reich Gottes gültig ist (KNK 3.4.8.7, 4.7. und 4.8.)“ (zitiert aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Kommentar: Wie so oft hilft die GNB und die Wortumgebung zum besseren Verständnis dieser Stelle weiter: "Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Weisungen der Propheten außer Kraft zu setzen. Ich bin nicht gekommen, um sie außer Kraft zu setzen, sondern um sie zu erfüllen und ihnen volle Geltung zu verschaffen. Ich versichere euch: Solange Himmel und Erde bestehen, wird kein i-Punkt und kein Komma im Gesetz gestrichen. Das ganze Gesetz muss erfüllt werden. Wer also ein noch so unbedeutendes Gebot für ungültig erklärt und die Menschen in diesem Sinne lehrt, wird in der neuen Welt Gottes den letzten Platz einnehmen. Wer es aber befolgt und andere dazu anhält, wird in der neuen Welt Gottes hoch geachtet sein. Ich sage euch: Ihr werdet niemals in Gottes neue Welt kommen, wenn ihr seinen Willen nicht besser erfüllt als die Gesetzeslehrer und Pharisäer.« lautet diese Stelle in der Übertragung der sogen. "Bibel in heutigem Deutsch." (Mt 5, 17-20: Den Willen Gottes im Gesetz ganz ernst nehmen).
Der Bibelabschnitt ist der sogen. Bergpredigt (Mt 5-7) entnommen. Der Unterabschnitt (Mt 5, 17-20) ist bei Fiedler mit "Jesu Stellung zur Tora als Verpflichtung für die Jüngerschaft" überschrieben.
Jesus stellt sich also vor als derjenige, der mit dem Gesetz, mit der Tora, in dem Gesetz und unter dem Gesetz lebt. In diesem erfüllt er das Gesetz. Fiedler schlägt als Übersetzung "verwirklichen, ausführen, tun" vor. Erfüllt wird das Gesetz und die Tora durch die Tat. In diesem Sinne bedeutet die Erfüllung der Tora in Hinblick auf die Jüngerinnen und Jünger und in Hinblick auf uns heute die Aufforderung zur tätigen, aktiven Nachfolge. Die Lehrautorität Jesu ist gerade auch darin begründet, "dass seine Schülerinnen und Schüler in der Nachfolge die Verwirklichung des Gotteswillens 'praktisch' einüben können (Fiedler, 2006, 124). "Es kann also keine Rede davon sein, dass Jesus die bisherige Tora dadurch überbietet, dass er als der Messias, die endgültige Bedeutung der Tora offenbart, was die Verkündigung neuer Gebote einschließen soll" (ebenda). Jesus betont vielmehr die "unantastbare Geltung der gesamten Tora" (ebenda, 125)!
Die Leitgedanken nehmen in den Ausführungen vermutlich Bezug auf die lutherische Formel: "Ich aber sage Euch..." (Mt 5, 21-48).
Diese Formel ist nicht als Antithese zum mosaischen Gesetz zu verstehen. Heute würde man mit "meiner Meinung nach", "ich verstehe diese Stelle so" oder "besonders hervorheben (aus dem Gesetz) möchte ich." Es geht also um unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten eines biblischen Textes. Zudem weist Fiedler auch darauf hin, dass die antithetisch wirkende Form eine literarische Gestaltung durch Matthäus darstellt, ein stilistischer Kniff sozusagen (vergl. dazu ausführlich Fiedler, 2006, 122-129). Berger postuliert sogar, dass das Mt-Ev. das jüngste der vier Evangelien ist (vergl. dazu BNÜ). Dementsprechend übersetzt die "Bibel in gerechter Sprache" diese Stellen  in konsequenter Weise auch mit "Ich lege euch das heute so aus..." Somit fordert uns Christus an dem heutigen Sonntag nicht nur dazu auf, sich unter sein Kreuz zu begeben, sondern auch dazu, den 2000 jährigen Graben zwischen den biblischen Traditionen und unserem modernen Leben mutig zu überspringen und in homiletisch deutlich zu machen, was es heute heißt, das Gesetz zu erfüllen! Dabei ist es jedoch nicht ausreichend, lediglich auf die Autorität Jesu zu verweisen.

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