Der Herr und sein Volk
„Der 10. Sonntag nach Trinitatis bildet den ungefähren Mittelpunkt der Trinitatiszeit und hat daher eine besondere Stellung. Dies wird dadurch unterstrichen, dass er sich dem Verhältnis der Kirche zum Volk Israel widmet, ein Thema, das von großer Bedeutung für die christliche Kirche ist. Die Überlegungen dazu werden selbstverständlich auch den Holocaust und die neonazistischen Strömungen in unserer Gesellschaft beinhalten müssen. Auf der anderen Seite dürfen die Unterschiede nicht übersehen werden. Allerdings ist es wichtig, dass wir erkennen, dass unsere Wurzeln im Volk Israel, dem Volk Gottes, verankert sind, und nicht ins Leere greifen. Die Erkenntnis des Paulus, dass das Volk Israel nicht verworfen ist (Röm 11, 25-31), muss maßgeblich sein für unser Reden über und vor allem mit diesem Volk. Am 10. Sonntag nach Trinitatis denkt die Kirche besonders an das Volk Israel und daran, dass Jesus selbst diesem Volk angehört. Das Leid, das Jesus um sein Volk trug, weil es sich nicht bekehren wollte, gibt uns kein Recht, Israel als das verworfene Volk zu bezeichnen. Vielmehr hören wir von Paulus, dass Israel um unseretwillen mit Blindheit geschlagen ist, damit wir selig werden; danach aber auch das Volk Israel als das wahre Volk Gottes“ (www.daskirchenjahr.de).
Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 119, 33-40:
Das große Loblied auf Gottes Wort
Zeige mir, Herr, den Weg, den deine Bestimmungen vorgeben, dann will ich ihn gehen bis an mein Ende. Gib mir Einsicht, damit ich mich an dein Gesetz halte und es von ganzem Herzen befolge. Führe mich auf dem Pfad, den deine Gebote vorzeichnen, denn an ihm habe ich meine Freude. Lenke mein Herz hin zu dem, was du in deinem Wort bezeugst, und halte es fern vom ´selbstsüchtigen` Streben nach Gewinn! Ja, halte meine Augen davon ab, nach trügerischen Dingen Ausschau zu halten. Schenk mir neue Lebenskraft, indem du mich auf deinen Wegen führst. Erfülle mir, deinem Diener, die Zusage, die du mir gegeben hast. Sie gilt allen, die Ehrfurcht vor dir haben. Lass mich nicht in Schande enden - mir graut davor! Deine Rechtsbestimmungen sind heilsam. Ja, ich sehne mich nach deinen Ordnungen. Erweise mir deine Treue und gib mir neue Lebenskraft. (NGÜ)
Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Lk 19, 41-48:
Jesus weint über Jerusalem
Als Jesus sich der Stadt näherte und sie vor sich liegen sah, weinte er und sagte: »Wenn doch auch du heute erkannt hättest, was dir Frieden bringt! Aber Gott hat dich blind dafür gemacht. Darum kommt jetzt über dich eine Zeit, da werden deine Feinde einen Wall rings um dich aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten einschließen. Sie werden dich und deine Bewohner völlig vernichten und keinen Stein auf dem andern lassen. Denn du hast den Tag nicht erkannt, an dem Gott dir zu Hilfe kommen wollte.«
Jesus im Tempel
Jesus ging in den Tempel und fing an, die Händler hinauszujagen. Dazu sagte er ihnen: »In den Heiligen Schriften steht, dass Gott erklärt hat: ›Mein Tempel soll eine Stätte sein, an der die Menschen zu mir beten können!‹ Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!« Jesus lehrte jeden Tag im Tempel. Die führenden Priester, die Gesetzeslehrer und auch die Ältesten des Volkes suchten nach einer Möglichkeit, ihn zu töten; aber sie wussten nicht, wie sie es anfangen sollten. Denn das Volk war dauernd um ihn und wollte sich keines seiner Worte entgehen lassen. (GNB)
Die Leitgedanken der NAK für den 10. Sonntag nach Trinitatis tragen die Überschrift: „Aufbauende Gespräche“
Die Predigtgrundlage findet sich in „Sprüche 15, 23: Es ist einem Mann eine Freude, wenn er richtig antwortet, und wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit!“ (LUT)
Begründet wird diese Auswahl so: „Die Macht des Wortes steht im Mittelpunkt des letzten Sonntagsgottesdienstes (im Juli, dem Am 10. Sonntag nach Trinitatis; MS). Unbeherrschte und unbedachte Rede kann verletzen und Schaden anrichten. Unsere Worte sollen sich immer an Jesus Christus ausrichten, dem Wort Gottes, das in die Welt gekommen ist“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).
Zum heutigen Sonntag erklingt in mir die Kantate: „Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben (BWV 102) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Die Kantate aus Bachs drittem Kantatenjahrgang für den zehnten Sonntag nach Trinitatis wurde erstmals am 25. August 1726 aufgeführt.
Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Ein reines Herz, Herr, schaff in mir“ (T: Heinrich Georg Neuss, 1703; M: Nürnberg, 1676/1854)
Kommentar: „Unbeherrschte und unbedachte Rede kann verletzen und Schaden anrichten“ (aus den o. g. Leitgedanken der NAK). Wie richtig dies ist, belegen, neben allgemeinen Alltagserfahrungen, die beiden Posts in diesem Blog „In eigener Sache I und II).
„Die frühen neutestamentlichen Zeugen - vorab der Apostel Paulus - wussten davon, dass Israel das Volk der Bundsetzungen und Verheißungen Gottes war und dies auch trotz seiner mehrheitlichen Verweigerung des Glaubens an Jesus blieb. Daraus gewannen sie die Gewissheit, Gottes unverbrüchliche Treue zu seinem Volk werde es – trotz des weitgehenden Scheiterns des christlichen Zeugnisses - zum endzeitlichen Heil führen. Christen haben nach langer Vergessenheit das apostolische Zeugnis von der bleibenden Erwählung Israels neu entdeckt. Aus ihm ergibt sich für uns die notwendige Folgerung, dass Juden keineswegs im Status der Heilsferne und Heillosigkeit stehen. Unbeschadet der grundsätzlichen Universalität des christlichen Zeugnisses ist die Notwendigkeit besonderer christlicher missionarischer Zuwendung zu den Juden heute kritisch in Frage zu stellen“ (Download: Christen und Juden I-III. Die Studien der Evangelischen Kirche in Deutschland 1975-2000. Herausgegeben im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom Kirchenamt der EKD, 2011, 162).
Dies zu bedenken, zu berücksichtigen und zu beherzigen ist angesichts zunehmender antisemitischer Haltungen in der bundesdeutschen Bevölkerung für Christen Pflicht und Auftrag. Siehe dazu: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/antisemitismus-in-deutschland-ein-lagebild-2015/
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