Sonntag, 31. Juli 2016

11. Sonntag nach Trinitatis; mit einem Kommentar zu den Leitgedanken der NAK zum 07. August 2016


Pharisäer und Zöllner


„Der 11. Sonntag nach Trinitatis widmet sich unserer Einstellung zu Gott und zu seinem Gnadenhandeln. Dafür werden im Evangelium die zwei völlig unterschiedlichen Charaktere des Pharisäers und des Zöllners einander gegenüber gestellt. Die übrigen Texte weisen mehr in die Richtung des "Seligwerdens aus Gnade" und nicht aus Werken. Unsere Einstellung zu der Gnade Gottes ist entscheidend dafür, ob wir sie auch empfangen werden. Am 11. Sonntag nach Trinitatis hören wir die Erzählung vom Pharisäer und Zöllner und erfahren, dass unser Glaube nicht unser Verdienst, sondern die Gabe Gottes ist. Wir freuen uns an dieser Gabe, aber wir erkennen auch, dass wir dennoch fähig sind, gegen den Willen Gottes zu handeln. Darum sind wir froh und dankbar, dass Gott uns immer wieder die Möglichkeit zur Buße, zur Umkehr schenkt“ (www.daskirchenjahr.de).

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 119, 41-48. Aus gegebenen Anlass möchte ich davon heute abweichen und den Ps 139 zu meinem Wochenpsalm machen:

Würde ich mit der Sonne im Meer versinken
(Herr, du erforscht mich und kennest mich)
Lieber Gott,
Mein Herz und meine Seele liegen offen vor dir.
Du durchschaust mich. Du kennst mich durch und durch.
Du begleitest meinen Alltag,
du siehst, wenn ich sitze oder aufstehe;
du verstehst mich, wenn ich nachdenke oder grüble;
wenn ich unterwegs bin oder irgendwo liege,
um mich auszuruhen: Du begleitest mich.
Nichts, was ich sage, lieber Gott, ist dir unbekannt.
Die umwebst mich mit deiner liebenden Kraft,
du umsorgst mich mit deiner haltenden Hand.
Begreifen kann ich das nicht. Es ist zu wunderbar.
Selbst wenn ich dir aus dem Wege gehen wollte -
wohin denn?
Hätte ich Flügel und flöge zum Himmel: Da bist du auch!
Würde ich mit der Sonne im Meer versinken:
Auch dort würde ich dir begegnen.
Könnte ich zaubern und alles dunkel machen:
Dann würdest du in der Dunkelheit aufleuchten.
Ich weiß: Schon von Mutterleib an bin ich in deiner Obhut.
Ich bin dir so dankbar, dass mein Leben ein Wunder ist,
ein Geschenk aus deiner Hand. Das habe ich begriffen.
Meine Zeit ist bei dir verzeichnet, jeder Augenblick.
Obwohl ich dich, lieber Gott, nicht fasse,
wie ich auch die Tropfen im Meer nicht zählen kann,
weiß ich doch eines genau: Ich bin immer bei dir geborgen.
Du durchschaust mich, lieber Gott, und erkennst mich genau.
Komm und überzeug dich, ob ich ehrlich bin.
Zeig mir, wenn mein Leben so nicht in Ordnung ist.
Nimm meine Zeit in deine Hand, bis ich am Ziel bin

(Peter Spangenberg: Höre meine Stimme. Die 150 Psalmen der Bibel übertragen in die Sprache unserer Zeit. Hamburg, Agentur des Rauhen Hauses, 2013)

Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Lk 18, 9-14:
Die Beispielgeschichte von dem Pharisäer und dem Zolleinnehmer
Dann wandte sich Jesus einigen Leuten zu, die voller Selbstvertrauen meinten, in Gottes Augen untadelig dazustehen, und deshalb für alle anderen nur Verachtung übrig hatten. Er erzählte ihnen folgende Geschichte: »Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, ein Pharisäer und ein Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich vorne hin und betete leise bei sich: ›Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen, alle diese Räuber, Betrüger und Ehebrecher, oder auch wie dieser Zolleinnehmer hier! Ich faste zwei Tage in der Woche und gebe dir den vorgeschriebenen Zehnten sogar noch von dem, was ich bei anderen einkaufe!‹ Der Zolleinnehmer aber stand ganz hinten und getraute sich nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich zerknirscht an die Brust und sagte: ›Gott, hab Erbarmen mit mir, ich bin ein sündiger Mensch!‹« Jesus schloss: »Ich sage euch, der Zolleinnehmer ging aus dem Tempel in sein Haus hinunter als einer, den Gott für gerecht erklärt hatte – ganz im Unterschied zu dem Pharisäer. Denn alle, die sich selbst groß machen, werden von Gott gedemütigt, und alle, die sich selbst gering achten, werden von ihm zu Ehren gebracht.« (GNB)

Die Leitgedanken der NAK für den 11. Sonntag nach Trinitatis tragen die Überschrift: „Gott vertrauen“

Die Predigtgrundlage findet sich in „Hiob 42, 2: Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer.“ (LUT)

Begründet wird diese Auswahl so: „Die Themenreihe des Monats August „Ausdruck des Glaubens“ zeigt unterschiedliche Aspekte des Glaubens und seiner Praxis auf.
Im ersten Sonntagsgottesdienst wird das Vertrauen zu Gott thematisiert. Gottes Allmacht, seine Verlässlichkeit und Treue sind Grund unseres Vertrauens zu ihm. Bei Gott gibt es keinen Widerspruch zwischen Willen und Verwirklichung. Er erfüllt, was er verheißen hat. Wir vertrauen auf seinen Heilsplan und können gewiss sein, dass er uns in allen Lebenslagen begleitet und uns nie verlassen wird“ (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken der NAK).

Zum heutigen Sonntag erklingt in mir die Kantate: „Herr Jesu Christ, du höchstes Gut deine Augen sehen nach dem Glauben (BWV 113) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Er komponierte die Choralkantate 1724 in Leipzig für den 11. Sonntag nach Trinitatis und führte sie am 20. August 1724 erstmals auf.

Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Ist Gott für mich, so trete“ (T: Paul Gerhardt, 1653; England um 1590, geistlich Augsburg 1609)

Kommentar: Bereits Bultmann (1968) warnte: "Die Geschichte vom Pharisäer und Zöllner scheint uns wohl allen eine einfache Geschichte zu sein, die jeder gleich versteht, und deren Wahrheit allen einleuchtet. Und doch sollen wir uns hüten, sie für gar zu einfach und ihre Wahrheit für gar zu selbstverständlich zu halten" (zitiert aus: Thomas Popp, Werbung in eigener Sache (Pharisäer und Zöllner), 690. In: Zimmermann, 2007, 681-695).

Was wäre, wenn sich die Begebenheit heute in einer Gemeinde der NAK abspielte? Dann klänge die Parabel vielleicht so:
»Zwei Menschen gingen hinauf in die Neuapostolische Kirche, um den Gottesdienst zu besuchen und zu beten. Es waren ein Priester (neuapostolischer Laienprediger) und einer, der die Gottesdienste nur noch selten besuchte und so seine Mühe mit der Kirche hatte. Der Priester stellte sich vorne an den Altar hin und betete leise bei sich: ›Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen, alle diese "Säumigen", die vom "rechten Weg" abgekommenen, die dein Haus selten oder nie besuchen, wie jener, der mit mir die Kirche betreten hat. Ich gehe 2 x die Woche zum Gottesdienst, gebe dir den vorgeschriebenen Zehnten, pflege den Kirchengarten, begehre nie auf, bin loyal und gehorsam meinem Apostel gegenüber! Darum gehöre ich zum auserwählten Volk des Herrn, zur Kirche Christi.‹ Der andere Mensch aber stand ganz hinten und getraute sich nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich zerknirscht an die Brust und sagte: ›Gott, hab Erbarmen mit mir, ich bin ein sündiger Mensch!‹« Jesus schloss: »Ich sage euch, der andere Mensch ging aus dem Gottesdienst in sein Haus hinunter als einer, den Gott für gerecht erklärt hatte – ganz im Unterschied zu dem Priester, der sich groß gemacht hat. Denn alle, die sich selbst groß machen, werden von Gott gedemütigt, und alle, die sich selbst gering achten, werden von ihm zu Ehren gebracht.«

"Gnade bedeutet nicht Aufhebung der Differenz im Status. Der Sünder wird nicht Gott, wenn er einen gnädigen Gott findet. Aber er traut Gott in seiner Heiligkeit zu dass er nicht nur heilig ist, sondern auch - oder gerade deswegen - gnädig und barmherzig. Dass der heilige Gott zugleich auch der barmherzige und gnädige ist, das ist Hoffnung und Ahnung der Menschen, seit dem es Menschen gibt; (...). Für den Heiligen Gott bedeutet das im Grunde, dass er 'über seinen Schatten springt', dass er so souverän ist, auch den Unheiligen nicht zu vernichten, sondern bestehen zu lassen, ja seine Schuld aufzuheben. Sei mir gnädig, das heißt auch: Rechne mir meine Sünden (meine Gottferne, Gottvergessenheit) nicht an, du kannst darüber hinwegsehen - ich nicht. Der Abstand zwischen Gott und Menschen ist überhaupt nur durch diese Geste Gottes zu überbrücken. (...) solche Gnade, wie sie uns gegenüber nötig ist, kann nur Gott üben" (Berger, 2006, C, 283).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen