Samstag, 3. Oktober 2015

19. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 11. Oktober 2015

Einleitung: „Die Themenreihe des Monats Oktober stellt die Werke Gottes in den Mittelpunkt. Der zweite Sonntagsgottesdienst steht im Zeichen der Sendung des Sohnes. Obwohl der Mensch von Gott gerichtet werden müsste, da er sich doch schon seit Anbeginn von Gott abwendete, sieht die Liebe Gottes anderes vor: In Jesus Christus will er die Menschen von Sünde und Tod erlösen. Derjenige, der an Jesus Christus glaubt und ihm nachfolgt, wird trotz seiner Sündhaftigkeit kein Strafgericht erleben, während der Ungläubige sich schon in der Situation des Gerichtetseins befindet. In beiden Fällen ist schon das vor- weggenommen, was in der Zukunft liegt: Rettung und urteilendes Gericht. Jesus stellt den Menschen also vor eine klare Entscheidung.

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Rettung, nicht Gericht“

Lesung und gleichzeitig Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „Joh 3, 17: Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ (LUT)

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Der Sohn Gottes wurde gesandt, um die Menschen von Sünde und Tod zu erretten.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Bei dem Gespräch, das Jesus mit dem Pharisäer Nikodemus eines Nachts führt, erläutert er zunächst, was die Wiedergeburt aus Wasser und Geist (Joh 3, 3-5) bedeutet. Dann geht er auf seine Sendung als Gottessohn ein. Im Mittelpunkt steht das Wort von der Liebe Gottes als Motiv für die Sendung des Sohnes (Joh 3, 16) und die Zielsetzung dieser Sendung, nämlich die Rettung der Menschen. Diese Sendung endet am Kreuz und wird durch die Auferstehung bestätigt.“

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: „Der Mensch müsste von Gott gerichtet werden, hat er sich doch schon seit Anbeginn von Gott abgewendet. Dennoch sieht Gottes Heilsplan anderes vor: In Jesus Christus will er die Menschen von Sünde und Tod erlösen. Dieses Geschehen fordert von uns, dass wir uns entscheiden für
  • den Glauben an die Sendung Jesu.
  • die Nachfolge, ohne die der Glaube nur ein Lippenbekenntnis bleibt.
  • den Glauben an und die Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi“ (alle Zitate aus den o. g. LG).

Kommentar: Die Predigtgrundlage ist eine Art "Nachrede" am Ende der Parabel "Jesus und Nikodemus" (Joh 3, 1-12):
Einer von den Pharisäern war Nikodemus, ein Mitglied des jüdischen Rates. Eines Nachts kam er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.« Jesus antwortete: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen.« »Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon ein Greis ist?«, fragte Nikodemus. »Er kann doch nicht noch einmal in den Mutterschoß zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!« Jesus sagte: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen. Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird. Wundere dich also nicht, dass ich zu dir sagte: ›Ihr müsst alle von oben her geboren werden.‹ Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird.« »Wie ist so etwas möglich?«, fragte Nikodemus. Jesus antwortete: »Du bist ein anerkannter Lehrer Israels und weißt das nicht? Amen, ich versichere dir: Wir sprechen über Dinge, die wir kennen, und bezeugen das, was wir gesehen haben. Aber keiner von euch ist bereit, auf unsere Aussage zu hören. Wenn ich zu euch über die irdischen Dinge rede und ihr mir nicht glaubt, wie werdet ihr mir dann glauben, wenn ich über die himmlischen Dinge mit euch rede?« (GNB)

Die Grundthese im Joh-Ev lautet: Das Entscheidende kommt von oben. Das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus wird durch die Methaphorik der Geistgeburt auf die Grundfrage: "Wie gewinnt der Mensch Anteil am Reich Gottes?", also an diesem "oben", konzentriert. Dazu bedarf es der Geburt von neuem. Ohne das menschlich unverfügbare Wunder der Wiedergeburt ist es unmöglich, das Reich Gottes zu sehen. Beim Sehen geht es jedoch nicht um ein distanziertes Betrachten, sondern um Teilhabe. Das Bild der Geburt steht für das umstürzend Neue, das dem glaubenden Menschen in der Taufe durch die erneuernde Kraft des Geistes widerfährt. Der Geist bewirkt durch das Wasser (quasi als Kommunikationskanal oder als Vermittler) die Teilhabe am Reich Gottes. Sie verweist darauf, dass die Taufe ein neuschöpferisches Reinigungsgeschehen ist, der die Teilhabe an der neuen Schöpfung, dem neuen Himmel und der neuen Erde, dem "oben" ermöglicht (Offb, 21, 1).
Auch in Hinblick auf die Gemeinde (durch die 'Wir'-Aussage in V 11 signalisiert), geht es dabei nicht um eine individuelle Heilserfahrung. Wer getauft ist, wird in die Gemeinde gestellt, also in ein neues, soziales Beziehungsgefüge. Durch das belebende Geistwirken werden die Glaubenden selbst zu einer Quelle, die für andere Menschen Lebenswasser sprudeln lässt (Vergl. dazu ausführlich: Thomas Popp, Das Entscheidende kommt von oben (Geburt von oben), 722f. In: Zimmermann, 2007, 719-724).
Diese Neugeburt (sakramentalisch gewendet als Taufe, in den LG als "Rettung" bezeichnet) hat demnach zwei Perspektiven: sie kommt von oben, ist also ein Gnadengeschenk Gottes an den Menschen, und lässt den Glaubenden an der neuen Erde und dem neuen Himmel teilhaben und kommt aus dem Miteinander der Menschen.


An diesem Sonntag feiern wir den 19. Sonntag nach Trinitatis - Lass mich wohnen in deinem Zelte ewiglich und Zuflucht haben unter deinen Fittichen.

„Der 19. Sonntag nach Trinitatis hat die ganzheitliche Heilung zum Thema. "Ganzheitlich" ist ein Schlagwort unserer Zeit, und es wäre hilfreich, wenn eine Verbindung zum heutigen Verständnis von den Predigttexten her abgeleitet werden könnte.
Die Erzählung von der Heilung des Gichtbrüchigen macht uns am heutigen 19. Sonntag nach Trinitatis deutlich, dass der Mensch nicht allein aus dem Leib besteht, der krank werden und sterben kann. Wenn Jesus heilt, so heilt er immer den ganzen Menschen, so dass auch die Seele wieder gesund wird. Krankheit zeigt uns unsere Grenzen. Sie macht uns bewusst, dass wir unseren Körper nicht unendlich belasten können. Zuletzt bereitet sie uns auch auf den Tod vor. Insofern ist Krankheit etwas Gutes. Sie hilft uns, unsere Ziele neu zu stecken und an unsere Grenzen, die uns von Gott gesetzt sind, anzupassen. Sie gibt uns die Möglichkeit, auszuruhen und uns auf das Wesentliche zu besinnen. Auch die Seele kann nicht unbegrenzt belastet werden. Auch sie braucht Phasen der Ruhe und Entspannung; einer hat es mal so formuliert: die Seele baumeln lassen, das ist es, was wir brauchen. Wenn Gott sich uns mit seiner heilenden Kraft zuwendet, dann immer so, dass er beides meint, unseren Leib und unsere Seele. Das Heil, das er uns schenkt, seine Heilung ist vollkommen und lässt nichts aus“ (www.daskirchenjahr.de).

Die Bachkantaten (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag sind:
Wo soll ich fliehen hin (BWV 5)
Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen (BWV 48)
Ich will den Kreuzstab gerne tragen (BWV 56)

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 61:
Ein Gebet des Königs
Höre, o Gott, mein lautes Flehen, achte auf mein Gebet! Aus weiter Ferne, wie vom Ende der Erde, rufe ich zu dir, denn mein Herz ist mutlos geworden. Ach führe mich doch auf jenen Felsen, der für mich zu hoch ist! Denn du bist für mich zu einer Zuflucht geworden, zum starken Turm, der mich schützt vor dem Feind. Ich möchte in deinem Heiligtum wohnen für alle Ewigkeit, mich bergen unter deinen schützenden Flügeln. Denn du, o Gott, hast auf meine Gelübde gehört. Du hast mir das Erbe gegeben, das denen zusteht, die Ehrfurcht vor deinem großen Namen haben. So füge den Lebenstagen des Königs weitere hinzu, seine Jahre sollen einander folgen wie eine Generation der anderen. Möge er für immer seine Herrschaft vor Gottes Angesicht ausüben! ´O Gott`, sende deine Gnade und deine Treue, damit sie sein Schutz sind. Dann will ich für alle Zeiten zur Ehre deines Namens Psalmen singen und so meine Gelübde erfüllen Tag für Tag. (NGÜ)

Die Epistel steht in Eph 4, 22-32.

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Mk 2, 1-12:
Jesus heilt einen Gelähmten
Einige Tage später kam Jesus nach Kafarnaum zurück, und bald wusste jeder, dass er wieder zu Hause war. Die Menschen strömten so zahlreich zusammen, dass kein Platz mehr blieb, nicht einmal draußen vor der Tür. Jesus verkündete ihnen die Botschaft Gottes. Da brachten vier Männer einen Gelähmten herbei, aber sie kamen wegen der Menschenmenge nicht bis zu Jesus durch. Darum stiegen sie auf das flache Dach, gruben die Lehmdecke auf und beseitigten das Holzgeflecht, genau über der Stelle, wo Jesus war. Dann ließen sie den Gelähmten auf seiner Matte durch das Loch hinunter. Als Jesus sah, wie groß ihr Vertrauen war, sagte er zu dem Gelähmten: »Mein Kind, deine Schuld ist vergeben!« Da saßen aber einige Gesetzeslehrer, die dachten bei sich: »Was nimmt der sich heraus! Das ist eine Gotteslästerung! Nur Gott kann den Menschen ihre Schuld vergeben, sonst niemand!« Jesus erkannte sofort, dass sie das dachten, und fragte sie: »Was macht ihr euch da für Gedanken? Was ist leichter – diesem Gelähmten zu sagen: ›Deine Schuld ist dir vergeben‹, oder: ›Steh auf, nimm deine Matte und geh umher‹? Aber ihr sollt sehen, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Schuld zu vergeben!« Und er sagte zu dem Gelähmten: »Ich befehle dir: Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause!« Der Mann stand auf, nahm seine Matte und ging vor aller Augen weg. Da waren sie alle außer sich; sie priesen Gott und sagten: »So etwas haben wir noch nie erlebt!« (GNB)

Kommentar: "Die Krankheit des Gelähmten impliziert von der Wortbedeutung her den Gedanken der Auflösung (paralysis). Dieser Art der Krankheit rührt nach antiker Vorstellung an die Spähre des Todes. Die Bewegungsunfähigkeit aufgrund von Lähmung steht im Altertum für den Verlust von Kraft und Empfindungen. (...) Sie resultiert in diesem Kontext aus Sünde, d. h. einer spirituellen Verfehlung, und verweist auf die Schuld vor Gott. Als Strafe begriffen macht sie die Notwendigkeit der Vergebung sichtbar. Gesundung setzt die Wiederherstellung einer heilen Gottesbeziehung voraus bzw. geht mit ihr einher." Die Heilung nach der Sündenvergebung dient dem Gelähmten und der Umgebung dazu, die Rückkehr in die bleibende Gottesgemeinschaft zu verdeutlichen. Die Wunderheilung macht also "nur" das Wunder der Sündenvergebung sichtbar (Dazu ausführlich: Klumbies, Die Heilung eines Gelähmten und vieler Erstarrter (Die Heilung eines Gelähmten). In: Zimmermann, 2013, 235-247).

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