Mittwoch, 14. Oktober 2015

20. Sonntag nach Trinitatis - Kommentar zu den LG vom 18. Oktober 2015

Einleitung: „Die Themenreihe des Monats Oktober stellt die Werke Gottes in den Mittelpunkt. Im dritten Sonntagsgottesdienst ist die Kirche Christi das Thema. Durch Menschen, die ihren Glauben leben und Jesus als ihren Herrn bekennen, wird Kirche als Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe erfahrbar. Der Herr fordert uns auf, zum Bau seines Werkes beizutragen, indem wir am Gottesdienst aktiv teilnehmen, dem Nächsten dienen und das Evangelium bezeugen. Es gilt, auch an unserer eigenen geistlichen Erbauung zu arbeiten, indem wir innig beten, die Erkenntnis vertiefen und die neue Kreatur in uns wachsen lassen.

Die Leitgedanken für die Predigt tragen die Überschrift: „Gott ist mit uns“ (Übrigens: Wussten Sie, dass die Koppelschlösser der Deutschen Wehrmacht im III. Reich diese Aufschrift trugen? Und wussten Sie, dass sich dieser Spruch in der deutschsprachigen Neo-Nazi-Szene bis heute großer Beliebtheit erfreut? Die Redakteure der LG offenbar nicht.)

Lesung und gleichzeitig Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK ist „Haggai 2, 4b: Sei getrost, alles Volk im Lande, spricht der Herr, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der Herr Zebaoth.“ (LUT)

Als Kernbotschaft wird folgendes formuliert: „Wir wollen an unserer geistlichen Erbauung und an der Erbauung der Kirche Christi mitarbeiten.“

Die Bibelstelle wird in den folgenden Kontext gestellt: „Das Buch Haggai gehört zu den zwölf kleinen Prophetenbüchern, es überliefert die Worte eines Propheten aus der Zeit nach dem babylonischen Exil. Die Babylonier hatten im Jahr 588/87 v. Chr. Jerusalem und den Tempel zerstört und die Israeliten in die Verbannung nach Babylon geführt (2 Kön 25). Im Jahr 538 v. Chr. ließ der Perserkönig Kyrus die Verbannten ins Land zurückkehren (2 Chr 36, 22); man begann, den Tempel aufzubauen. Im Jahr 520 sandte Gott die Propheten Haggai und Sacharja, um den schleppenden Tempelbau voranzutreiben, sodass im Jahr 515 der Tempel schließlich eingeweiht werden konnte (Esr 5,1; 6,15).“

Schließlich werden die LG so zusammengefasst: „Wir sind aufgerufen, an unserer geistlichen Erbauung zu arbeiten, indem wir innig beten, die Erkenntnis vertiefen und die neue Kreatur in uns wachsen lassen. Der Herr fordert uns auf, zum Bau seines Werkes beizutragen, indem wir am Gottesdienst aktiv teilnehmen, dem Nächsten dienen und das Evangelium verkündigen. Gott ist mit uns“ (alle Zitate aus den o. g. LG)!

Kommentar: "Der Prophet Haggai (hebräisch חגי Der am Festtag Geborene) wird im Buch Esra (5,1 und 6,14) erwähnt. Er wirkte zur Zeit der Wiederaufbauarbeiten am Jerusalemer Tempel (29. September bis 13. Dezember 520 v. Chr.), der 587/6 von den Babyloniern zerstört worden war.

Hauptthema des Buches ist der Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem nach dem Babylonischen Exil. Seine Prophezeiungen sind auf das Jahr 520 v. Chr. datiert, mit genauen Datumsangaben.
Das Buch Haggai enthält vier Reden.
  • 1. Rede (1,1-15), Aufruf Gottes, die Arbeit am Tempel wieder aufzunehmen
  • 2. Rede (2,1-9), Weissagung von der Herrlichkeit des künftigen Tempels
  • 3. Rede (2,10-19), Verheißung von Gottes Segen nach der langen Gerichtszeit, wenn das Volk wieder in Heiligkeit lebt
  • 4. Rede (2,20-23), Prophetie vom kommenden Gericht für die übrige Welt und von der Ehrung Serubbabels.

Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation Judas um 519 v. Chr.
Vermutlich gab es eine Koalition, die an Wiedererrichtung des Tempels interessiert war (Spätsommer 520 v. Chr.): zum einen die Priesterschaft, die durch den Tempelbau wieder Arbeit bekommen konnten und zum anderen Realpolitiker um den Statthalter Serubbabel, die die Chance, die die persische Regierung bot, für ihre Restaurationsbestrebungen nutzen wollten. Es gab aber auch gewichtige Gründe, die gegen eine Wiedererrichtung sprachen.

Die wirtschaftliche Lage in Juda war wegen einer längeren Dürreperiode katastrophal, auch die Wiedereingliederung der Rückwanderer machte Probleme; Eigentumsansprüche der Rückkehrer mussten teilweise gerichtlich ausgefochten werden, daher kam es zu erheblichen sozialen Spannungen. Die Bevölkerung war vielmehr mit der Sicherung des eigenen Lebensstandards beschäftigt. (Hag 1, 6.9.10f.; 2,16; Sach 8, 10)

Es gab auch theologische Einwände gegen den Tempelbau: in der desolaten Lage sah man nicht das Zeichen JHWHs zur Wiedererrichtung (Hag 1,2), schon Jeremia hatte nach Sicht seiner deuteronomistischen Interpreten (besondere Betonung des Monotheismus) davor gewarnt, falsches Vertrauen in den Tempel zu setzen und stattdessen die Verbesserung der sozialen Lage gefordert (Jer 7: die Tempelrede Jeremias). Vor allem die prophetisch-deuteronomistischen Gruppen der Daheimgebliebenen wollten sich wohl zuerst sozialen Problemen widmen." Aus: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie. Stichwort: Haggai. Download vom 11.10.2015.

Angesichts dieser oben zitierten Ausführungen sollte der Predigtschwerpunkt z. B. die derzeitige gesellschaftlichen Lage in Deutschland und Europa (Flüchtlingsnot, TTIP) beleuchten oder sich der Frage widmen, ob das Apostelamt und seine Träger wichtiger sind als Gott die Ehre zu geben und sich intensiv um die sozialen Probleme zu kümmern.

An diesem Sonntag feiern wir den 20. Sonntag nach Trinitatis - Wer kann merken, wie oft er fehlt? Verzeihe mir die die verborgenen Sünden!

„Der 20. Sonntag nach Trinitatis widmet sich der Frage nach dem Sinn von Ordnungen. Dabei werden auch die unumstößlichen Zusagen Gottes berücksichtigt, die uns den Rahmen geben, in dem wir uns bewegen können. Vom Evangelium her klingt deutlich die Prämisse durch: Der Mensch ist nicht um des Gesetzes willen, sondern das Gesetz um des Menschen willen gemacht.
Am 20. Sonntag nach Trinitatis geht es um die Ordnungen Gottes, um den Lebensrahmen, um das, was wir tun und lassen sollen. Schon immer haben diese Ordnungen in Spannung gestanden zu dem Drang des Menschen, frei zu sein und seinen Lebensrahmen selbst zu bestimmen. Wie lässt sich das Leben so gestalten, dass Freiheit und Ordnung einander ergänzen und nicht einander ausschließen? Das wollen wir heute im Hören auf Gottes Wort, im gemeinsamen Gesang und Gebet bedenken“ (www.daskirchenjahr.de).

Die Bachkantaten (Johann Sebastian Bach 1685-1750) für den heutigen Sonntag sind:
Ich geh und suche mit Verlangen (BWV 49)
Ach! ich sehe, itzt, da ich zur Hochzeit gehe (BWV 162)
Schmücke dich, o liebe SeeleWo soll ich fliehen hin (BWV 180)

Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 19:
Gottes Herrlichkeit – sichtbar in der Schöpfung und in seinem Wort
Die Himmel verkünden die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe zeigt, dass es das Werk seiner Hände ist. Ein Tag erzählt es dem anderen, und eine Nacht gibt es der anderen weiter. Sie tun es ohne Worte, kein Laut und keine Stimme ist zu hören. Und doch geht ihre Botschaft über die ganze Erde, ihre Sprache bis zum Ende der Welt. Gott hat der Sonne ihren Ort am Himmel gegeben. Wie ein Bräutigam aus seiner Kammer hervortritt, so geht sie ´am Morgen` auf, wie ein freudig strahlender Held läuft sie ihre Bahn. Von Horizont zu Horizont vollführt sie ihren Lauf, nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen. Das Gesetz des Herrn ist vollkommen, es stärkt und erfrischt die Seele. Was der Herr in seinem Wort bezeugt, darauf kann man sich verlassen, auch einem Unerfahrenen wird dadurch Weisheit geschenkt. Die Anordnungen des Herrn sind wegweisend und erfreuen das Herz. Das Gebot des Herrn ist klar und deutlich, es schenkt neue Einsicht. Ehrfurcht vor dem Herrn ist rein, in Ewigkeit bleibt sie bestehen. Die Ordnungen des Herrn sind zuverlässig und entsprechen der Wahrheit, sie sind ausnahmslos gerecht. Wertvoller als Gold sind sie, kostbarer als eine Menge von feinstem Gold; sie sind süßer als Honig, ja, süßer noch als Honig, der aus der Wabe fließt. ´Herr`, auch ich, dein Diener, lasse mich durch sie zurechtweisen; sie zu befolgen bringt großen Lohn. Wem fällt es schon gleich auf, wenn er falsch gehandelt hat? Sprich mich frei von unbewusster Schuld! Bewahre deinen Diener vor überheblichen Menschen, lass sie keine Macht über mich gewinnen! Dann kann ich ohne Schuld und frei von schwerem Vergehen bleiben. Mögen die Worte, die ich spreche, und die Gedanken, die mein Herz ersinnt, dir gefallen, Herr, mein Fels und mein Erlöser! (NGÜ)

Die Epistel steht in 1 Thess 4, 1-8.

Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Mk 10, 2-16:
Über die Ehescheidung
Da kamen einige Pharisäer und versuchten, ihm eine Falle zu stellen. Sie fragten ihn: »Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau wegzuschicken?« Jesus antwortete mit der Gegenfrage: »Was hat Mose euch denn für eine Vorschrift gegeben?« Sie erwiderten: »Mose hat erlaubt, dass ein Mann seiner Frau eine Scheidungsurkunde ausstellen und sie dann wegschicken kann.« Da sagte Jesus: »Mose hat euch diese Vorschrift nur gegeben, weil ihr euer Herz gegen Gott verhärtet habt – und damit eure Hartherzigkeit ans Licht kommt. Gott hat am Anfang den Menschen als Mann und Frau geschaffen. Deshalb verlässt ein Mann Vater und Mutter, um mit seiner Frau zu leben. Die zwei sind dann eins, mit Leib und Seele. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Und was Gott zusammengefügt hat, das sollen Menschen nicht scheiden.« Als sie dann im Haus waren, baten die Jünger Jesus wieder um eine Erklärung, und er sagte zu ihnen: »Wer sich von seiner Frau trennt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch gegenüber seiner ersten Frau. Und auch umgekehrt: Eine Frau, die sich von ihrem Mann trennt und einen andern heiratet, begeht Ehebruch.« (GNB)

Kommentar: Es scheint alles so einfach: "Eure Rede sei Ja, Ja und Nein, Nein" (Mt 5, 37). Diese Haltung lässt für Zwischentöne scheinbar gar keinen Platz. Alles ist entweder schwarz oder weiß, richtig oder falsch, heilig oder Sünde. In der Psychologie wird diese Sicht auf die Welt Dichotomie genannt und als Denkfehler angesehen, der psychische Krankheiten begleitet, wenn nicht gar (mit) verursacht. Weitere Denkfehler sind z. B. Willkürliche Schlussfolgerungen, Selektive Verallgemeinerungen, Übergeneralisierung, Maximierung und Minimierung, Personalisierung und eben verabsolutierendes, dichotomes Denken. Sie sind begleitet von irrationalen Annahmen wie z. B. Ich bin nur dann wertvoll, wenn ich in jeder Hinsicht tüchtig, kompetent und leistungsfähig bin; Ich muss versuchen, es allen recht zu machen; Es ist notwendig, dass die anderen mich lieben; Für jedes Problem gibt es eine absolut richtige Lösung und es ist eine Katastrophe, wenn diese nicht gefunden wird oder auch Bestimmte Menschen sind böse und deshalb zu bestrafen und zu verachten. 

Doch geht es laut Fiedler (2006) eher um Wahrhaftigkeit beim Sprechen, Authentizität im Leben, Konsistenz im Denken, Handeln und Fühlen. Übersetzt in psychologische Fachtermini bedeutet dies: Menschen, Situationen, Ereignisse sollten nicht
  • global, sondern spezifisch interpretiert und bewertet werden. Es kommt also auf den Einzelfall an.
  • stabil, sondern  situationsgebunden interpretiert werden. Es ist eben nicht schon immer so oder so, sondern diesmal ist es so und dann ist die Konstellation wieder anders zu bewerten, je nach dem.
  • nicht internal, sondern external interpretiert werden. Es ist nicht nötig, sich jeden Schuh anzuziehen, der einem hingehalten wird, nicht alles hat mit dem Individuum zu tun, nicht für alles bin ich als Einzelner verantwortlich. Mal sind "die Anderen" in der Pflicht, mal ist die Situation besonders kompliziert, mal spielt auch einfach Pech eine Rolle.
Mit dem Psalm 19 dürfen wir singen: "Wem fällt es schon gleich auf, wenn er falsch gehandelt hat? Sprich mich frei von unbewusster Schuld!"
Darauf dürfen wir uns verlassen!

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