Das Lamm Gottes
Heute ist der 5. Sonntag der Passionszeit - Judika. Der Name des Sonntags Judika leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: "Judica me, Deus, et discerne causam meam de gente non sancta" (Gott, schaffe mir Recht / und führe meine Sache wider das unheilige Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!“ Ps 43, 1).
Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir den Psalm 102:
Ein Gebet in großer Not für das zukünftige Jerusalem
Gebet eines vom Leid Gebeugten, der verzweifelt ist und sein Herz vor dem Herrn ausschüttet. Herr, höre mein Gebet! Möge mein lauter Hilferuf doch bis zu dir dringen! Verbirg dich nicht vor mir, jetzt, wo ich in Not bin! Neige dich herab zu mir und schenk mir ein offenes Ohr; jetzt rufe ich zu dir – erhöre mich doch bald! Denn meine Tage verflüchtigen sich so schnell wie Rauch, in meinen Gliedern brennt es wie Feuer. Mein Herz ist ausgetrocknet wie versengtes Gras. Ich vergesse sogar, mein Brot zu essen. Mein lautes Stöhnen hat mich ausgezehrt, ich bin nur noch Haut und Knochen. Ich gleiche einem Vogel in der Wüste, einer Eule in verlassenen Ruinen. Nachts finde ich keinen Schlaf, ich bin wie ein einsamer Vogel auf dem Dach. Den ganzen Tag verhöhnen mich meine Feinde. Ausgelassen ziehen sie über mich her und missbrauchen meinen Namen, wenn sie jemanden verwünschen. Asche ist mein Brot geworden, was ich trinke, ist vermischt mit Tränen. Das sind die Folgen deines grimmigen Zorns – du hast mich hochgehoben und wieder zu Boden geworfen. Meine Tage gleichen dem Schatten, der am Abend immer länger wird, ich verdorre wie das Gras. Du aber, Herr, regierst für immer, jetzt und in allen künftigen Generationen wird man dich ehren. Du selbst wirst dich erheben und dich der Stadt Zion voll Erbarmen zuwenden, denn es ist an der Zeit, ihr gnädig zu sein. Ja, der Zeitpunkt dafür ist gekommen. Deine Diener freuen sich über Zions schöne Mauersteine, und sie bedauern voller Schmerz, dass nun alles in Schutt liegt. Aber es kommt die Zeit, in der die Völker Ehrfurcht haben werden vor dem Namen des Herrn und alle Könige der Erde vor deiner Herrlichkeit. Denn der Herr wird Zion wieder aufbauen und dort erscheinen in seiner Herrlichkeit. Er wird sich dem Gebet der Verlassenen wieder zuwenden, ihre Bitten wird er nicht zurückweisen. Dies soll man aufschreiben für eine spätere Generation, und so wird ein Volk, das erst noch geschaffen wird, den Herrn preisen. Er schaut herab aus seinem Heiligtum in der Höhe; ja, der Herr blickt vom Himmel auf die Erde, um das Seufzen der Gefangenen zu hören, um die Todgeweihten zu befreien. Und so werden sie in der Stadt Zion wieder den Namen des Herrn verkünden, seinen Ruhm verbreiten in Jerusalem, wenn Völker sich dort versammeln, Menschen aus allen Königreichen, um dem Herrn zu dienen. Doch jetzt, mitten im Leben, hat Gott meine Kraft gebrochen, meine Lebenszeit hat er verkürzt. Deshalb bitte ich: Mein Gott, raffe mich nicht schon in der Lebensmitte hinweg! Du allein lebst ewig – über alle künftigen Generationen hinaus. Du hast am Anfang das Fundament der Erde gelegt, und auch der Himmel ist das Werk deiner Hände. Himmel und Erde werden vergehen, du aber bleibst. Sie werden alt werden wie ein ´abgenutztes` Kleid, du wirst sie auswechseln wie ein ´abgetragenes` Gewand, und so werden sie verwandelt. Du aber bleibst immer derselbe, und deine Zeit wird kein Ende haben. Die Kinder all derer, die dir dienen, dürfen ´im Land` wohnen bleiben, und ihre Nachkommen werden vor dir Bestand haben. (NGÜ)
Die Lesung aus dem Evangelium findet sich in Mk 10, 35-45:
Die Bitte von Jakobus und Johannes
Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, traten an Jesus heran und sagten: »Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.« – »Was wollt ihr?«, fragte er. »Was soll ich für euch tun?« Sie antworteten: »Wir möchten, dass du uns in deiner Herrlichkeit neben dir sitzen lässt, den einen an deiner rechten Seite und den anderen an deiner linken Seite.« – »Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet«, entgegnete Jesus. »Könnt ihr den bitteren Kelch trinken, den ich trinken werde, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werden muss?« – »Das können wir!«, erklärten sie. Da sagte Jesus zu ihnen: »Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr zwar auch trinken, und die Taufe, mit der ich getauft werde, werdet auch ihr empfangen. Aber darüber zu verfügen, wer an meiner rechten und an meiner linken Seite sitzen wird, das steht nicht mir zu. Wer dort sitzen wird, das ist ´von Gott` bestimmt.
«Herrschen oder dienen?
Die übrigen zehn Jünger hatten dem Gespräch zugehört und ärgerten sich über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie alle zusammen und sagte: »Ihr wisst, dass die, die als Herrscher über die Völker betrachtet werden, sich als ihre Herren aufführen und dass die Völker die Macht der Großen zu spüren bekommen. Bei euch ist es nicht so. Im Gegenteil: Wer unter euch groß werden will, soll den anderen dienen; wer unter euch der Erste sein will, soll zum Dienst an allen bereit sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele hinzugeben.« (GNB)
Demgegenüber ist die Lesung und die Predigtgrundlage für die Gottesdienste der NAK an diesem Sonntag aus „Mt 26, 26-28: Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ (LUT)
Mt 26, 17-30 ist in der LUT überschrieben mit: „Das Abendmahl.“ Die Leitgedanken tragen den Titel: „Nahrung für unsere Seelen.“
Begründung: Begründet wird die Auswahl so: „Im zweiten Sonntagsgottesdienst (im Monat März; MS) steht das Abendmahl im Mittelpunkt, das Jesus im Kreis der Jünger gestiftet hat. Diese Mahlfeier ist Ausgangspunkt unserer gottesdienstlichen Abendmahlsfeiern (zitiert aus den o. g. Leitgedanken der NAK).
Für den Sonntag Judika ist keine Bachkantate vorgesehen (Johann Sebastian Bach 1685-1750).
Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet:
Wenn meine Sünd’ mich kränken (T: Justus Gesenius 1646; M: Leipzig 1545)
Kommentar: Eine ähnliche Stelle zum heutigen Evangelium findet sich in Mk 9, 33-37. Diese bildet den Prolog für ein Buch von Sabine Demel: Zur Verantwortung berufen. Nagelproben des Laienapostolats (erschienen 2009 im Herder Verlag). Der Prolog trägt die Überschrift: "Mit Leidenschaft für seine Überzeugung eintreten - ein Prolog zu Größe und Dienst in der Kirche." Demel schreibt darin: "Jesus will, dass sich gerade Christinnen und Christen um Macht und Einfluss bemühen, und zwar immer dort, wo es um die Wahrheit geht. (...) Jesu Leben ist die tragische Geschichte des unerbittlichen Machtkampfes um die Wahrheit zwischen den damaligen Amtsträgern der Religion und Jesus" (14f).
In Mt 26, 26-28 macht Jesus deutlich, dass es in der Herrlichkeit nicht um eine Rangfolge geht. In der Nachfolge Jesu auf Erden geht es zunächst um eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit ihm. Dies wird in dem Bildwort vom Kelch und der Taufe angedeutet. Beides, das Trinken des Kelches und das Getauftwerden, zeigt das Geschick des Leidens und Sterbens Jesu an. Die Teilhabe an ihm, wie sie von den Jüngern, und allen anderen Nachfolgern bis heute, grundsätzlich gefordert und im einzelnen zu realisieren ist, begründet die beständige Lebensgemeinschaft mit Jesus auch in seiner Herrlichkeit (vergl. Karl Kertlege: Markusevangelium, 1986, 104).
In Mt 26, 26-28 macht Jesus deutlich, dass es in der Herrlichkeit nicht um eine Rangfolge geht. In der Nachfolge Jesu auf Erden geht es zunächst um eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit ihm. Dies wird in dem Bildwort vom Kelch und der Taufe angedeutet. Beides, das Trinken des Kelches und das Getauftwerden, zeigt das Geschick des Leidens und Sterbens Jesu an. Die Teilhabe an ihm, wie sie von den Jüngern, und allen anderen Nachfolgern bis heute, grundsätzlich gefordert und im einzelnen zu realisieren ist, begründet die beständige Lebensgemeinschaft mit Jesus auch in seiner Herrlichkeit (vergl. Karl Kertlege: Markusevangelium, 1986, 104).
Letztlich verbleibt die "herrliche Sitzordnung" in der Hand Gottes. "Platzkarten" gibt es durch die gnädige Zuwendung Gottes. Nicht einmal durch den selbstlosen Dienst am Nächsten (Diakonie; (altgriechisch διακονία diakonía ‚Dienst‘ von διάκονος diákonos ‚Diener‘) kann eine "Garantie" erworben werden. Dennoch bleibt als einziger Weg sich im Vertrauen auf Gottes Gnade täglich neu dem Nächsten demütig zuzuwenden und gleichzeitig selbstbewußt um die Wahrheit zu kämpfen. Das Abendmahl ermöglicht es, diesen Weg immer wieder, einem Sisyphos gleich, anzutreten. Dabei zieht Sisyphos Kraft aus dem Psalm 102.
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