Mitten unter uns
„Der Drittletzte Sonntag im Kirchenjahr hat das Kommen des Herrn zum Thema. Während das Evangelium selbst nur davor warnt, dieses Kommen vorhersagen zu wollen, betont die Epistel die Herrschaft Christi über Lebende und Tote. Die alttestamentliche Perikope weicht etwas ab: Hiob bittet Gott, dem Menschen doch seine Ruhe zu lassen und ihn nicht vors Gericht zu zerren zu seinen Lebzeiten, wie es ihm geschehen ist. Hier hat der Glaube an ein ewiges Leben noch nicht viel verloren. Die 5. und 6. Perikope jedoch gehen sehr klar auf das Kommen des Herrn ein. Durch alle Perikopen scheint sich auch die Frage hindurchzuziehen, wie wir dem Herrn begegnen, wenn er kommt, und wie wir uns auf ihn vorbereiten. Am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres denken wir an den Jüngsten Tag, an dem unser Herr kommen und sich der Welt offenbaren wird. Der Glaube macht uns stark, an diesem Tag des Heils dem Herrn entgegenzugehen“ (www.daskirchenjahr.de).
Im Verlauf der fortlaufenden Bibellese hören wir Ps 90:
Gott ist unsere Zuflucht
Herr, eine Zuflucht bist du uns gewesen, wo man sicher wohnen kann, du warst es für uns durch alle Generationen. Ehe die Berge geboren wurden, ehe du die Erde mit ihren Lebensräumen hervorbrachtest – da warst du, Gott, schon da von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die sterblichen Menschen lässt du zu Staub werdenund sprichst: »Kehrt ´zum Staub` zurück, ihr Menschenkinder!« Denn tausend Jahre sind in deinen Augen so kurz wie ein gerade vergangener Tag – sie sind nicht länger als ein paar Stunden in der Nacht. Du reißt die Menschen aus dem Leben, sie entschlafen, sie sind so vergänglich wie frisch emporgewachsenes Gras, das am Morgen sprießt und blühtund am Abend welkt und verdorrt. Ja, wir vergehen durch deinen Grimm, wir erschrecken, wenn dein Zorn uns trifft. Du führst dir unsere Vergehen vor Augen, selbst unsere verborgenen Sünden kommen vor dir ans Licht. Ach, alle unsere Tage schwinden dahin, weil dein Zorn auf uns lastet, wir durchleben unsere Jahre so rasch, als wären sie ein kurzer Seufzer. Unser Leben dauert siebzig Jahre, und wenn wir noch Kraft haben, dann auch achtzig Jahre. Und was uns daran so wichtig erschien, ist letztlich nur Mühe und trügerische Sicherheit. Denn schnell eilen unsere Tage vorüber, als flögen wir davon. Wer aber erkennt wirklich, wie gewaltig dein Zorn und dein Grimm ist? Wer begreift, welche Ehrfurcht dir gebührt? Lehre uns zu bedenken, wie wenig Lebenstage uns bleiben, damit wir ein Herz voll Weisheit erlangen! Herr, wende dich ´uns` wieder zu! Wie lange ´hält dein Zorn noch an`?Erbarme dich über alle, die dir dienen! Schenk uns schon am Morgen deine reiche Gnade! Dann werden wir jubeln und uns freuen unser Leben lang. Erfreue uns nun eben so viele Tage, wie du uns ´bisher` gedemütigt hast – für die Jahre, in denen wir Schlimmes erleben mussten, gib uns nun gute Jahre! Lass deine Diener dein mächtiges Handeln erleben, über ihren Kindern lass deine Herrlichkeit sichtbar werden! So zeige sich nun an uns die Freundlichkeit des Herrn, unseres Gottes! Gib dem Bestand, was wir mit eigenen Händen tun, ja, fördere unserer Hände Arbeit! (NGÜ)
Die Evangeliumslesung für den heutigen Sonntag steht in Lk 17, 20-37:
Wann richtet Gott seine Herrschaft auf?
Einige Pharisäer fragten Jesus, wann die Herrschaft Gottes anbrechen werde. Jesus antwortete: »Ihr dürft nicht nach Vorzeichen ausschauen und an allen möglichen Orten nach ihr suchen! Denn schon jetzt, mitten unter euch, richtet Gott seine Herrschaft auf!«
Vom Kommen des Menschensohnes
Dann sagte Jesus zu den Jüngern, den Männern und Frauen: »Es wird die Zeit kommen, wo ihr euch danach sehnt, auch nur einen Tag unter der Herrschaft des Menschensohnes zu erleben. Aber es wird euch nicht vergönnt sein. Sie werden zu euch sagen: ›Schaut doch hierher!‹, oder: ›Schaut dorthin!‹ Aber geht nicht hin und gebt nichts darauf. Wenn sein Tag da ist, wird der Menschensohn kommen wie ein Blitz, der mit einem Schlag den ganzen Horizont ringsum erhellt. Aber zuvor muss er noch vieles erleiden und von den Menschen dieser Generation verworfen werden. Wenn der Menschensohn kommt, wird es genauso sein wie zur Zeit Noachs: Die Menschen aßen und tranken und heirateten, wie sie es gewohnt waren – bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging. Dann kam die Flut und vernichtete sie alle. Und es wird auch genauso sein wie in den Tagen Lots: Sie aßen und tranken, sie kauften und verkauften, bestellten das Land und bauten Häuser, wie sie es gewohnt waren. An dem Tag aber, an dem Lot die Stadt Sodom verließ, fiel Feuer und Schwefel vom Himmel und vernichtete sie alle. Ganz genauso wird es an dem Tag sein, an dem der Menschensohn erscheint. Wer an jenem Tag gerade auf dem Dach ist und seine Sachen unten im Haus liegen hat, soll keine Zeit damit verlieren, erst noch hineinzugehen, um sie zu holen. Und wer gerade auf dem Feld ist, soll nicht einmal mehr zurückschauen, um sein Haus noch einmal zu sehen. Denkt an Lots Frau! Wer sein Leben retten will, wird es verlieren, und wer es verliert, wird es retten. Ich sage euch: Zwei Männer werden in jener Nacht auf einem Bett schlafen: Der eine wird angenommen, der andere zurückgelassen. Zwei Frauen werden zusammen Korn mahlen: Die eine wird angenommen, die andere zurückgelassen.« Die Jünger fragten: »Wo wird das geschehen, Herr?« Jesus antwortete ihnen: »Wo Aas liegt, da sammeln sich die Geier.« (GNB)
Die Leitgedanken der NAK für den drittletzten Sonntag im Kirchenjahr tragen die Überschrift „Errettung durch Hinwendung zum Kreuz“
Die Predigtgrundlage findet sich in „Johannes 3, 14-15: Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (LUT)
Begründet wird die Auswahl so: „Der letzte Monat im Kirchenjahr beginnt mit dem Gottesdienst für Entschlafene. Das Bibelwort macht deutlich, dass die Hinwendung zum Kreuz, also zu dem erhöhten Herrn, unerlässlich ist, um dem geistigen Tod entrinnen zu können. Sein schmerzhafter Tod am Kreuz war keine Niederlage, sondern Erhöhung zum Heil der Menschen. So wie alle, die bei der Wüstenwanderung durch den giftigen Biss der Schlangen in Todesgefahr waren, zur ehernen Schlange aufschauen mussten, um geheilt zu werden, so schenkt Jesus Christus allen Verlangenden Heil, die sich gläubig ihm zuwenden (Joh 3,14.15). Indem wir unseren Glauben und unser Bekenntnis zum Herrn 'hochhalten', können wir mithelfen, dass noch viele Menschen den Herrn und seine Liebe zu den Menschen sehen und erkennen. (…)
Gedanken des neuapostolischen Stammapostels zum Entschlafenenwesen
Das Entschlafenenwesen gehört zu den Reichtümern des neuapostolischen Glaubens. Neuerdings war ich sehr überrascht zu lesen, dass mehr und mehr Christen behaupten, an Jesus Christus zu glauben, jedoch nicht an ein Jenseits. Wieder andere meinen, dass die Hinnahme der Sakramente von dem Vorhandensein des Leibes abhängig ist; ihrer Ansicht nach kann die vom Leib getrennte Seele nur noch auf die Auferstehung der Toten warten. Am Jüngsten Gericht werden dann die auferstandenen Toten, sofern sie von Gott angenommen werden, in sein Reich eingehen können.
Wir glauben, dass der Mensch nach seinem leiblichen Tod weiterlebt: Seine Seele und sein Geist sterben nicht, seine Persönlichkeit lebt somit weiter. In der jenseitigen Welt kann der Mensch sich für oder gegen Gott entscheiden. Ebendiese Entscheidungsfreiheit eröffnet ihm - selbst wenn sein Leib nicht mehr vorhanden ist - den Zugang zu den Sakramenten.
Gott allein kennt die Seelen, die den Glauben haben, um die Heilshandlungen zu empfangen. Diese Seelen werden dann während des Entschlafenengottesdienstes getauft oder versiegelt. Durch unsere Gebete können wir sie nicht erlösen - nur Jesus kann das -, aber wir können ihnen unsere Liebe bezeugen. Unsere Gebete sind Fürsprachen an Gott, der sie einlädt" (alle Zitate sind entnommen aus den o. g. Leitgedanken resp. aus einer Sondernummer dazu der NAK).
Zum heutigen Sonntag erklingt die Kantate: „O Ewigkeit, du Donnerwort“ (BWV 60) von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Er komponierte sie in Leipzig für den 24. Sonntag nach Trinitatis, den 7. November 1723.
Mein Lied für den heutigen Sonntag lautet: „Gott ist gegenwärtig“ (T: Gerhard Tersteegen 1729; Joachim Neander 1680).
Kommentar: "Die theologischen und anthropologischen Grundlagen dessen, was die Bibel über den Tod zu sagen hat, sind bereits in Gen 2f, der Erzählung von Schöpfung, Paradies und Vertreibung erkennbar: Die Menschen sind aus Erde geschaffen und werden im Tode unentrinnbar wieder zu Erde. Belebt allein durch den Atem Gottes, der ihnen nicht untersteht, aber geschaffen für ein Leben im Paradies mit 'dem Baum des Lebens', aus dem sie jedoch vertrieben wurden, ist die Perspektive dauerhaften und gelingenden Lebens für sie unaufgebbar, aber immer schon verloren und nicht in ihrer, sondern allein in der Macht Gottes" (Crüsemann & Crüsemann: Stichwort: Tod, 586. Aus: Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, 2009, 586-589).
Mehr als diesen Hoffnungsschimmer, mehr als diese Hoffnungsahnung haben wir nicht. Sie heißt im biblischen Kontext "ewiges Leben" und "Auferweckung der Toten." Diese Hoffnung schafft eine "Beziehung zur Unendlichkeit" und begründet eine Erinnerungskultur oder "Erinnerungssolidarität" (Thiemo Rainer Peters: Stichwort: Tod/Ewiges Leben, 328. In: Eicher: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe, Bd. 4, 2005, 321-328).
Alles andere ist Diesseits. Das Reich Gottes, und somit die Ewigkeit, ist nach der Lehre Jesu ein diesseitiges Reich, ein Reich, das sich jetzt ereignet. Ein Reich, das sich im solidarischen Handeln mit Bezug auf Gott ereignet. Das Zeichen dafür ist die eigene Existenz - mit allem Gelingen, Scheitern, Aufgeben, Neuanfangen. So hat also ein jegliches seine Zeit und Stunde:
"Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit" (Prediger 3, 2-8, LUT 2017).
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